Nenn mich Bob, für 8,50 die Nacht

13 Uhr am gestrigen Tag komme ich endlich los. Es gibt ja immer soo viel zu tun, ehe man ruhigen Gewissens das Haus verlassen kann. Mensch sein ist verdammt anstrengend, denke ich, als ich meinen Katze „Mietz“ ein letztes Mal streichele. Das Vieh war den ganzen Morgen damit beschäftigt, eine Maus zu stellen, die sich gut im Altpapierstapel versteckt hatte. Nun rollt sie auf dem Betonboden meiner Außenküche hin und her, in der warmen „Toscana“ auf der Südseite des einsamen Gehöfts.

Vorbei am Birnbaum, der das erste Foto dieser Kunststraße ist, durchquere ich Zweibrücken, vom Schwarzbach zum Hornbach, adieu Matschinski-Denninghoff-Skulptur, adieu Bismarckdenkmal, Bahnhof Baumarkt, Pi, Pa, Po. Am Hornbach, steht am Betonfundament, auf dem die Autobahn fußt, groß Schüsch-ZW, so, als hätte jemand, der nuschelt, sagen wollen „Tschüss Zweibrücken“. Das passt, denke ich. Ich bin sentimental. Mit einem Schlag wird mir bewusst, dass ich 6000 km von zu Hause entfernt bin, wenn ich das Ding mit der Nordseerunde durchziehe. Nicht etwa die fünf Kilometer, die mein Tacho zeigt. Die Richtung, mein Lieber, murmele ich in den Frühling, die Richtung ist es, die das Leben bestimmt, und nicht etwa dein Standort. Das gilt zumindest für den Menschen in Bewegung, wobei Bewegung im übertragenen Sinn gesehen werden muss.

Durchs Bliestal und das Würzbachtal verschlägt es mich irgendwie nach Sankt Ingbert – ähm, ich verirre mich im Wald hinter Annahof, gestehe ich zu meiner Schande, bin heilfroh, als endlich die kleine Kapelle Geistkirch auftaucht und bemühe das GPS, denn SoSo hatte im Vorfeld ja einen Sponsoren aufgetan, Sarcom, dem ich einen Besuch abstatten könnte, wenn ich zufällig in der Nähe bin. Herr S. und Frau S. empfangen mich so herzlich. Wir machen Fotos, sie drücken mir vier Baseballmützen in die Hand. Und zur Krönung verspricht mir Herr S., dass ich jederzeit anrufen könne, falls es Probleme gibt. Hat er eben gesagt, sie schicken notfalls einen Hubschrauber?, reibe ich mir später die Schläfen. Das Zauberwort heißt wohl: Ich bin ein Künstler, holt mich hier raus :-) Ich Daniel Kübelböck der modernen Blogliteratur, ich.

Die Strecke Sankt Ingbert-Saarbrücken und noch ein bisschen weiter, ist nicht besonders schön, wenn man auf Natur, Blümchen und Stille steht. Insbesondere westlich von Saarbrücken führt der Saarardweg direkt zwischen Autobahn und Fluss, manchmal sogar unter der Autobahn. Die Szene wird von kilometerlangen Walzwerken geziert. Viele Radler und Skater unterwegs an diesem Tag. Und wie sie mich anlächeln! Fast, als würde ich in einen Trichter aus Lächeln hineingesaugt. Ich glaube, einen besseren Tourrstart hätte ich nicht haben können.

Kurz vor Saarlouis bei Kiloemter 70 der Tour etwa, überholt mich eine Fahrradtruppe, in deren Windschatten ich mich nassforsch einklinke. So unfit kann ich ja nicht sein, wenn ich mit denen mithalten kann. Ha. Es stellt sich jedoch heraus, dass die Herren und Damen vom Club Roter Biltz (oder Pfeil) Saarwellingen, am Ausrollen sind. Was deren Ausrollen, das mein Spitzentempo. Hum. Wir schwätzen ein bisschen und nach und nach wird die Truppe immer kleiner, weil jeder in seinen Wohnort abbiegt. Phänomenal. Radler schmelzen nach der Tour wie Schnee. K., die einzige Frau des Teams, erklärt mir den Weg zum Campingplatz Saarlouis, wo ich mich für 8,50 Euro einquartiere. Ich erhalte einen Schlüssel fürs Badhaus, mit einem Anhänger „Bob“. So sei es. Heißt du also Bob für 8,50 pro Nacht. Ich werde vielleicht heute noch in Deutschland sein, weil ich einen weiteren Weg einschlage – auf Anraten von Radlerin K., den Flüssen folgend, der Saar bis zur Mosel, dann der Mosel aufwärts bis zur Alzette, an der ja wohl Esch-sur-Alzette liegen muss. Obwohl mir nicht klar ist, ob die Alzette überhaupt ein Fluss ist. Vielleicht ist es ja eine Hochebene?

Alternative Titel: Vier Henkersmahlzeiten und ein Tourstart; Vier Baseballkappen und ein Tourstart

Vor der Sarcom-Zentrale in Rohrbach bei Sankt Ingbert.

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Vor dem Eventhaus Alte Schmelz, Stippvisite bei Jazzorganisator Journalist F. und den Ex-KollegInnen vom Amt ohne Wiederkehr

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Km 80.08

Wallerfangen Richtung Gisingen. Der erste Berg. Ich werde nicht konsequent jedes 10km-Foto hochladen, das würde den Reiseworkflow und auch die Blog- und RSS Feed- Physiognomie zu sehr überladen, oder? Noch bin ich auf der Suche nach dem richtigen Arbeitstakt. Auf dem Rad funktioniert es schon.

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Rodemack

Die mittelalterliche Stadt trägt das Siegel „eine der schönsten Städte Frankreichs“. Verkehrsberuhigt, von Landstraßen umgangen.

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Tag 2 – die Strecke

Heute ging es auf und ab. Die Strecke. Das Wetter. Die Stimmung. Die Technik auch. Und auf einmal hörte der Strom speichernde Dynamo auf, Strom zu speichern, sodass die Vorräte sanken. Auf dem Camping, den Irgendlink in der Nähe von Esch-sur-Alzette inzwischen gefunden hat, hofft er auf „Tankmöglichkeiten“ sprich Steckdosen. Und darauf, dass er den technischen Defekt bald beheben kann. Und wieder bloggen!

>>> Fürs erste schon mal ein kleiner Blick auf die Karte: hier klicken!

Hoffentlich bald mehr von Irgendlink persönlich.
… lieb grüßt die Homebase

Cowboy und Indianer nach Esch-sur-Alzette tragen

Die Platzwartin vom Campingplatz Dr. Ernst Dadder kredenzt mir zum Abschied zwei dicke Wurstbrote mit Gürkchen und einen Kaffee. Somit nehme ich sie in die Liste der Sponsorinnen der Herzen auf. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Kurz hinter Wallerfangen bin ich heilfroh um die Futterspende. Es geht erstmals steil berghoch Richtung St. Barbara. Die Schutzpatronin des Bergbaus lässt grüßen. Der Himmel trübt sich ein. Im Straßengraben eine tote Meise, ein Sack Pornos, was auf eine generell schlechte Internetverbindung in dieser Gegend schließen lässt.

Auf den folgenden 30 km geht es ständig auf und ab, ich passiere einen Berg namens Sudelberg, passt irgendwie zu den Pornos, lache ich, hinüber ins Niemandsland der Mobilfunknetze, nicht Deutschland, noch Frankreich, aber die Gegend um das Flüsschen Nied ist wunderschön und voller Kleinodien, Höhlen gibt es hier, stillgelegte Bahnstrecken, stand-by-me-Romantik pur und Römerbauten. So ackere ich an der Deutsch-Französischen Grenze Richtung Luxemburg. Ein alter Kerl mit zwei müden Hunden erklärt mir den Weg. Er trägt eine Mütze mit Schweizflagge, die habe ihm mal jemand geschenkt. An der Mosel überquere ich den Moselradweg, rennradfahrerschwanger. Der Radclub aus Thionville oder sonstwo in der Nähe kritzelt mir die Strecke bis Esch-sur-Alzette auf einen Zettel. Esch ist mir durch die länderübergreifende Werbung über Konzerte in der dortigen Rockhall schon fast wie bekannt. Dass ich gegen Ende des Tages auf der Strecke Duddelange-Kayl-Esch noch ca. 3 Zweibrücker Kreuzberge erklimmen muss, bricht mir fast das Genick. Bei km 150 erreiche ich Esch und erklimme schiebend das steile Gaalgebierg. Der Campingplatz ist immer offen, oberhalb des Stadtparks und eines Hotels. Die Stadt ächzt wie eine Maschine. Ist das ein Stahlwerk da unten? Und die Sirenen, die mich beim Hochschieben begleiten erinnern mich an Oslo, dessen Campingplatz auch hoch oben über der Stadt liegt und wo in meiner Erinnerung Tag und Nacht Sirenen heulen und Stahl ächzt. Im Anhören all des Lärms aus Industrie, Autos, zweier Jungs, die mit einem ferngesteuerten Zweitakt-Modellauto spielen, frage ich mich, wie die Welt wohl aussähe, wenn nicht wir, die „Cowboys“, Amerika annektiert hätten, sondern die, die Indianer, Europa.
Sie hätten es vermutlich nicht getan?