Tag 14 in Bildern | #UmsLand/Bayern

Bilder von gestern findet ihr wie üblich standortgenau auf der täglich wachsenden Tourkarte oder hier.

Das erzbischöfliche Schloss in Aschaffenburg im morgendlichen Gegenlicht. Mit viel Phantasie das Angkor Wat Bayerns.

Der Radweg wird für ein bevorstehendes Volksfest hermetisch abgesperrt. (In meiner Phantasie sehe ich die Feiernden wie Zombies zwischen Zuckerwattebuden und Achterbahnen durchs Gitter nach den Vorbeiradelnden greifend :-))

Mit Dekorädern machen Pensionen und Restaurants am Mainradweg auf sich aufmerksam.

Wiesenradweg im Aalbachtal

Ein ‚Zu‘ im Aalbachtal

Tag 15 der 3. Etappe (Tag 34) im Rückblick | #UmsLand/Bayern

»Bis man sich über die Mainbrücke in Würzburg fotografiert hat, dauert auch seine Zeit. Auf jedem Pfeiler zwei Heilige, das Wehr, die Stadtansichten … /Bayern.
Wie im Blogbeitrag erwähnt, hab ich nicht durchs ‚abgekürzt‘, sondern bin Bayerns Grenze nahe geblieben.
Empfehlung: Der -Radweg führt gnädig steigend vom bei nach Würzburg. Gut beschildert und landschaftlich teils sehr schön. Typ Wald- und Wiesenradweg.« So schrieb er heute Vormittag.

Und nun ist er, nach einem letzten langen Ritt im Grenzgebiet Bayern und Baden-Württemberg unterwegs dorthin, wo alles angefangen hat. Beim Manta-Kunstwerk. Wer erinnert sich noch? Für alle anderen: Hier steht, was es damit auf sich hat …

Dort in der Nähe irgendwo hat ihm die Odenwälderin, eine feine Blog– und Twitterbekannte, ein Nachtlager klar gemacht. Wir dürfen gespannt sein.

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Auf Mastodon und Twitter trötet und twittert Irgendlink seine Reise direkt und unmittelbar. Lest dort über seinen heutigen Tag – und über alle kommenden.
https://fimidi.com/@irgendlink
https://twitter.com/irgendlink

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Hier die wirklich nur sehr ungefähre heutige Strecke bei Guugl.

Den heutigen Track im Gesamtkontext seht ihr hier (Ausschnitt).

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Das ganze Projekt auf einen Blick (Opencycle-Karte) gibt es hier zu sehen: Vollbildanzeige

Die allererste Guugl-Skizze findet ihr hier: Skizze

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Liebgrüßt aus der Homebase
Sofasophia

Tag 15 in Bildern | #UmsLand/Bayern

Während ich gemütlich in der Homebase sitzend diese Zeilen schreibe, fährt Irgendlink per Zug wieder nach Hause. Von Ost nach West quer durch Baden-Württemberg zu seinem Heimbahnhof. Ohne auch nur einmal Umsteigen zu müssen. Das Wurmloch, mit dem einst alles angefangen hat.
Da es ruckelt, ist Bloggen unterwegs eher nicht so gut möglich. Ich sag nur Tippfehler.

Die UmsLand/Bayern-Tour ist vollendet. Ich freue mich sehr mit Irgendlink.

Heute Morgen hat ihn die Odenwälderin zum Frühstück eingeladen. Was für ein schöner Tourabschluss!

Ich verabschiede mich von euch mit ein paar Bildern von gestern. Ihr findet sie wie üblich standortgenau auf der täglich mitgewachsenen Tourkarte

Über die Mainbrücke in Würzburg kommt man nur schleppend voran. Zu mannigfaltig die Fotomotive und Stadt- und Flussansichten und auf jedem Brückenpfeiler zwei Heiligenskulpturen.

Die A71 soll offenbar durchs Aalbachtal gebaut werden, was sehr schade wäre. Es gibt dort doch schon einen gut beschilderten Radweg.

Am Main nahe Ochsenfurt steht für alle Radelnden je ein Bänkchen.

In Röttingen gibt es jede Menge, sehr ungewöhnliche Sonnenuhren.

Der Gänseturm in Weikersheim. Vor etwa zehn Jahren wurde die Gans zur Spitze wieder aufgesetzt. Im Krieg wurde sie einst zerstört.

Rote Teerflicken im Taubertal muten an wie Kunst.

Sonnenuntergang auf den weitläufigen Höhen bei Rosenberg-Bronnacker, wo ich bei C. im Garten zelten durfte.

Liebe Grüße aus der Homebase
Sofasophia

Gedanken übers Lebensrund, das Wohin, Woher und das Glück, sich selbst sein zu dürfen – von Holzmühle nach Bronnacker #UmsLand/Bayern

Eine Allegorie auf die Allegorie auf die Allegorie und so weiter, dünkt es mich. Das Lebensrund am Beispiel einer Radreise rund um ein Etwas. Eine Stadt, eine Region, ein Bundesland. Los geht es auf deinem einsamen Weg durch die Welt an einem Punkt, sagen wir X, bis zur nächsten Kreuzung, an der du zwischen Y und Z oder A und B wählen kannst, bis zur nächsten Kreuzung, an der du zwischen C und D wählen kannst. Hangelst dich von Punkt zu Punkt, aber dennoch sind die Parameter deines Lebensgefängnisses in Form von Grenzen beschränkt. Im Fall dieser Reise Bayerns Grenze. Im Fall des Lebens deine individuellen Bedingungen, wann, wo und wie du auf den Planeten geworfen wurdest. Nicht jeder hatte das Glück wie ich, in einer friedlichen, relativ gewaltlosen Phase aufzuwachsen und sich seinen Weg zu suchen. Ich bin unendlich dankbar, dass ich seit fast allen Jahrzehnten meines Hierseins auf der Welt verschont geblieben bin von Grauen und Schrecken, Ungerechtigkeit, Willkür und Schmerz.

Am Ende ein neuer Anfang? Hin und wieder versuche ich mich in dieses – ich schreibe es in nur unzureichender Kenntnis dem Buddhismus zu – Lebensmodell einzufinden. Was, wenn ich ende und als Pferd wiederkehre, als Schwein oder Blume und verflixt, warum sind es im Buddhismus immer die bekannten Tiere dieser Erde, ich meine, irgendwer, der schon einmal existiert hat auf diesem Planeten, muss doch auch mal als ein Wesen existiert haben, das von uns Menschen noch gar nicht entdeckt wurde. Die Wahrscheinlichkeitslehre lässt es doch gar nicht zu, dass wir alle Blumen, Pferde oder Schweine waren, ein Römer, eine Perserin oder ein Kaktus. Bei der Vorstellung, dass das Unbekannte, Ungewusste viel viel größer sein muss, viel viel größer ist, als alles, was uns als Menschen bewusst werden kann zu diesem Zeitpunkt des Universums, stelle ich mir meist unbeantwortbare Fragen, die jegliche festgeschriebe Lehre oder Glaubensrichtung auf den Prüfstand bringen und logischerweise diese zu Fall bringen.

Am Ende bleibt nichts von allem Wissbaren. Es ist dann zwar da und es gilt, aber es gilt nicht für alle Zeit. Der nächste Prüfstand wartet längst. Es sind die Grenzen, schießt es mir in den Sinn. Die Tellerränder. Selbst wenn es dir gelingt, über den Tellerrand hinaus zu schauen, wirst du nur den nächst größeren Tellerrand finden. Selbst wenn du die Grenze überwindest und ein weiteres Level der Erkenntnis erlangst, wirst du nur wieder vor Unvorstellbarem stehen, in das du dich einfühlen, eindenken musst.

Ich und mein Bayern. Nach vier Jahren fast am Ende. Die Nacht war bitterkalt auf meinem Zeltplätzchen hinter einem Holzstapel im Weiler Holzmühle. Abends auf der Suche nach einem geeigneten Wildzeltplatz im Tal des Aalbachs war die Strecke für etliche Kilometer wie vernagelt, nur Wald und Wust und sämtliche Wiesen noch ungemäht, weshalb ich mich im Weiler Holzmühle nach einem Plätzchen fürs Zelt durchfragte. Beim ersten belebten Haus mit Menschen vor der Tür, wem dieses Grundstück gehört mit den Holzstapeln, nein, nicht uns, aber frag doch den Nachbarn, durchs Hoftor, grüne Tür, klopfen, und so stand ich vor einem überrumpelten Mann, der mit guter Miene das Zelten erlaubte. Ich meine, wie oft klopft schon jemand an eure Tür und fragt, darf ich da hinten zelten. Das bringt einen schon ein bisschen aus dem Takt und man macht nicht unbedingt die Arme auf und sagt, juchei, komm rein, mein Freund. Ein ängstliches Okay ist aber bei den meisten Menschen drin. Selten, vielleicht nie, wurde ich abgewiesen.

Die Kälte hatte mir dermaßen zu schaffen gemacht, dass ich an diesem zweitletzten Tourtag schon früh aufbrach, gierig Richtung Platz mit Sonne radelnd, diesen fand an einem gar seltsamen Ort, nämlich einem frisch gemähten Stück Wiese inmitten aller anderen ungemähten Wiesen. Ein kleiner Weg führte hinunter ins milde Fleckchen. Zwei Parkbänke, eine Infotafel, ein Grenzstein und etwa dreißig Quatratmeter Frischgemähtheit inmitten alltäglichen Wiesendaseins. Ich breitete das Zelt aus zum Trocknen, kochte Kaffee, frühstückte, schrieb den vorigen Blogartikel, genoss die Wärme der Sonne, las die Infotafel. Ein Drei-Gemarkungen-Eck. Auf verwinkelte Weise stoßen drei Gemeindegrenzen an dieser Stelle aneinander. Schlichter Grenzstein. Bank, sonst nichts. Zack. Besonderheit mitten in der Wiese. Alleine Kraft dessen, dass Menschen Grenzen setzen. Ohne Menschen keine Grenzen? Ich weiß es nicht. Nicht so jedenfalls. Nicht so bürokratisch. So präzise, so verbohrt. Dass es Grenzen gibt, erfährt man ja am eigenen Leib. Das Vergehen des eigenen Lebens, der Gesundheit, des Wohlbefindens. Das sind Grenzen, die sich über die Lebensjahre manifestieren und mit denen man sich auseinandersetzen muss.

Mir geht es bestens. Die Reise hat mich um Jahre verjüngt. Alle Zipperlein sind dahin. Ich habe sie niedergerungen, nein, falsch, sie sind verschwunden. Ich habe nichts gegen sie getan, außer Rad zu fahren und über das Leben und mich nachzudenken. Der Weg wusch alles dahin.

Der Aaltalradweg ist ein wunderbares Kleinod, das einen auf recht schmerzlose, steigungsarme Weise vom Main nahe Wertheim zum Main in Würzburg führt, ohne dabei einen zig Kilometer langen Bogen nach Norden zu machen, wenn man stur dem Fluss folgen würde. Zudem recht nahe bei der bayerischen Grenze, was ja das Ziel meinem ‚Mission‘ ist.

Kurz vor Würzburg dreht mich ein entgegenkommender Radler in die richtige Richtung, da lang, rechts, links, an der Ampel geradeaus, dann wirds bissel kompliziert, aber basst scho. Über eine alte Brücke voller Statuen beiderseits überquere ich den Fluss. Fotografiere alle zehn Meter. Foto Stop and Go. Das dauert. Viele Fußgänger und Radtouristen, die ebenso ständig stoppen, für Fotos posen und Selfies machen. 25 Kilometer bis Ochsenfurt. Flachlandradeln, guter Teer. Danach rechne ich mit vierzig Kilometern bis zur Tauber. Ich habe den Tag vor vier Jahren noch genau im Sinn, als ich am ersten Reisetag plötzlich vor einem Radwegeschild stand, auf dem Ochsenfurt angeschrieben war. Ich erinnere mich genau, wie ich mir vorstellte, dass ich genau zu diesem Schild zurückkehren würde, wie es sich wohl anfühlen würde, da wieder anzukommen. Auch meine ich, darüber nachgedacht zu haben, ob ich nicht in diese Richtung statt in die andere Richtung starten sollte. Woran ich mich nicht erinnere: Standen auf dem Schild vierzig Kilometer bis Ochsenfurt angezeichnet, oder gar mehr?

25 Kilometer weit führt der Gaubahnradweg gnadenlos geteert mit höchstens dreiprozentiger Steigung vom Main ab Ochsenfurt nach Bieberehren an der Tauber. Meine Rettung. Morgens hatte ich mit Twitterfreundin @Odenwaelderin konferiert, dass man sich ja nahe Osterburken treffen könnte und sie sagte ja, gerne. Ein Schwatz, ein Kaffee, sich nach all den Jahren der Virtualität mal persönlich kennen zu lernen, das wäre schön, mehr noch, die @Odenwaelderin vermittelte mir einen Nachtplatz im Garten eines Freundes nicht weit weg von Osterburken, meinem Wurmloch nach Bayern. Wie auch immer.

Unkalkulierbar lange Strecke, unkalkulierbare Wind- und Steigungsverhältnisse, ich war ganz schön tollkühn, zu sagen, joaa, das schaffe ich. Ich meine, nur wenige zehn Kilometer, wenige hunderte Höhenmeter mehr oder weniger entscheiden ja beim Radfahren, ob man ein Ziel erreicht oder nicht. Da kam mir die Gaubahn-Liebelei gerade recht. 25 Kilometer Easybiking auf reinem Teer. Aber ich hatte die Rechnung ohne das Taubertal gemacht. Da rauszukurbeln ab Bad Mergentheim stur Richtung Boxberg verlangte mir alles ab. Unnötig kurbelte ich, den direkten Weg statt über Königshofen Lauda zehn Kilometer mehr in Kauf nehmend, zwei zackige Schnellstraßensteigungen aufwärts. Egal. Fehler. Scharte ausgewetzt. Zurück auf Kurs erreiche ich völlig erschöpft gegen Sonnenuntergang den Hof meines charmanten Gastgebers C. nahe Rosenberg. Feierabendbierli. Plauderei. Dusche. Zelt. Nacht nicht zu kühl.

Ein fulminanter letzter Tagesritt zum Ende der Tour hin zurück zum Anbeginn, garniert mit merkwürdigen Gedanken übers Lebensrund, das Wohin, Woher und das Glück, sich selbst sein zu dürfen in einer von Grenzen jedweder Art beherrschten Welt nicht gar zu eingeengt zu sein. Die Nacht war nicht so kalt wie die davor.

Wurmloch ins Saarland – von Bronnacker über Osterburken nach Seckach #UmsLand/Bayern

Habe ich etwas gespürt, als ich mich Tauberrettersheim näherte? Glück? Erleichterung? Stolz? Müdigkeit? Erschöpfung? Erst in den letzten Jahren habe ich gelernt, die kitzelnden Gefühle unter der Schädeldecke zu identifizieren, zu benennen. Das war in den fünfzig Jahren zuvor nicht so. Äußere Reize kann ich mittlerweile ganz genau im Kopf lokalisieren als ein kitzelndes Etwas, das je nach Bereich im Kopf, Wohlgefühl oder Unbehagen auslöst. Angst, Zweifel, Lust und Freude, reduzieren wir es doch einfach auf zwei Zustände, gut und schlecht, die sich im Kopf abspielen und die Nervenbahnen hinunter in den Körper, bzw. hinauf in den Kopf funken. Eine Art Ganzheit des Körpers, rational betrachtet von einem im Sattel bergauf bergab wiegenden Lebewesen, das sich per Muskelkraft entlang von Menschen für Menschen definierter Grenzlinien bewegt und versucht, etwas über das umradelte Gebilde herauszufinden.

Richtung Bronnacker zu meinem gestrigen Übernachtungsplatz, hatte ich Bayern schon längst verlassen, kurbelte seit zwanzig dreißig Kilometern jenseits der Grenze auf das Wurmloch namens Osterburken hinzu. In Bad Mergentheim beging ich den Fehler, den Flussradweg entlang der Tauber zu verlassen um einer zehn fünfzehn Kilometer kürzeren Strecke direkt nach Boxberg zu folgen. Hast du denn nichts gelernt, Herr Irgendlink in all den Lebensjahrzehnten? Gemeinsam mit Schulfreund I. plante ich vor 35 Jahren eine Autofahrt nach Spanien. Indem wir eine gerade Linie auf der Landkarte zogen, gerieten wir, es war eines Winters, in einen veritablen Schneesturm im Zentralmassiv weit abseits der Rhônestrecke.

Den Radwegen folgend bis Lauda-Königshofen entlang der Tauber, dann dem Bach Umpfer folgend bis nach Boxberg, hätte mir fünf Kilometer schnell befahrene Landstraße über zwei zackige Kuppen erspart.

Hinterher weiß man es.

Ich schlief prima auf dem feinen Wieslein im Garten mit den uralten riesigen Apfelbäumen meines Gastgebers C. Am Abend hatte er mich, mit den Armen winkend ins Areal dirigiert und mich vor dem Rasenmähroboter gewarnt. Jenseits dieser Linie kannst du das Zelt aufbauen. Davor ist Rasenmäherland. Ich verstand das wie ‚Todeszone‘. Bloß nicht da, sonst kommt er nachts und frisst dich. Vermutlich ist es aber die Sorge, ich könnte mit den Heringen die verlegten elektromagnetischen Schleifen unter der Grasnarbe verletzen. Jenseits dieser Linie und ein Meter fünfzig vom Rand des Gartens solle ich das Zelt nicht aufbauen. Da hatte ich aber längst mein Plätzchen auserkoren zwischen zwei uralten, hohen Apfelbäumen mit Blick übers weite Land südwärts. Man könne fünfzig Kilometer weit schauen bis nach Waldenburg, erklärte C. Das ist nicht weit von Schwäbisch Hall entfernt.

Grenzen. Orte, die man nicht kennt, die man sich erradelt, die somit erst Gestalt annehmen. So war es mit Burghausen.Vor knapp zwei Wochen. Bevor ich in die auf einem beburgten, Kilometer langen Felsen an der Salzach liegende Stadt kam, war sie nur einer jener vielen Namen, die mit einem Punkt auf der Landkarte markiert sind. Erst als ich die steile Straße zur Burg hinauf schwitzte wurde der Ort überhaupt wahr. Ich blickte eher zufällig über die Schulter, sollte man öfter mal machen, macht man viel zu selten, und erspähte zwischen Bäumen einen Blick runter zur Salzach, die sich nahe Burghausen ihr Bett tief in den bröseligen Fels gefressen hatte. Sieht fast ein bisschen aus wie Illerdurchbruch, dachte ich. Mein Gott, vier Jahre ist das nun schon her. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich so sehr an einem Projekt festbeißen kann.

Wenn ich eine gute Eigenschaft habe, dann ist es wohl die Ausdauer. Langsam bin ich. Manchmal etwas faul, aber ich lasse selten los, wenn ich etwas erreichen will. Nur so gelang nach über zwanzig Jahren die Nordkap-Erradelung und die ‚Straße nach Gibraltar‚.

Doch zurück zu den Grenzen und den Wurmlöchern, die sie untergraben könnten, eventuell. Ich liebe Rasenmähroboter. Falls ihr mal einen Menschen seht, der ungewöhnlich lange vor einem, von einem Rasenmähroboter gehegten Vorgarten steht und der das Maschinchen beobachtet: Das bin ich. Über die Funktionsweise eines solchen Geräts hatte ich mir bisher keine Gedanken gemacht. Hatte allenfalls zum Spaß phantasiert, dass Rasenmähroboter irgendwann von ‚zu Hause‘ abhauen und sich nachts heimlich mit anderen Rasenmährobotern treffen … oder etwas realistischer gedacht, dass sie per GPS funktionieren. Dass unterirdisch Grenzwälle um das zu hegende Arreal gelegt werden in Form von Induktionsschleifen, lernte ich erst von C. Die Geräte messen wohl stetig ihren Akkustand und wenn ein gewisses Level unterschritten wird, treten sie die Reise an zur Ladestation, wo sie sich andocken und den Akku aufladen. Das Bild von Elefanten, denen man ja nachsagt, dass sie sich am Ende ihres Lebens auf den Weg zum Elefantenfriedhof machen, kommt mir in den Sinn. Ich weiß nicht, ob es sich dabei um eine Legende handelt. Es gefällt mir einfach.

Früh um acht breche ich bei C. auf. Da er sich womöglich mit Covid19 infiziert hatte, hielten wir, stets draußen, gehörigen Abstand.  Die Erkältungssymptome, die er zeigte, könnten allerdings auch eine ’normale‘ Erkältung sein, so mutmaßte er. Seine Tochter habe ihm vor einigen Tagen draußen auf der Terrasse die Haare geschnitten. Blanken Kopf mit feuchten Haaren in Zugluft, das habe er noch nie gut weggesteckt.

Punkt neun Uhr treffe ich @Odenwaelderin im Café Köpfle gegenüber des Bahnhofs in Osterburken. Wir plaudern über die Reise, den Odenwald, das kleine regionale Büro des SWR, das sie in der Gegend als Redakteurin betreut. Eine weitere Twitterfeundin, die es ins ‚echte‘ Leben verschlägt, man sich persönlich kennenlernt. Sie lädt mich zum Frühstück ein. Es gibt ‚Köpfle-Frühstück‘.

In Osterburken fährt derzeit kein Zug, erklärt sie mir. Man muss mit dem Schienenersatz per Bus nach Seckach. Oder radeln. Etwa zwölf Kilometer. Eine 16 prozentige Steigung übern Berg (später entdecke ich auf der Open Cycle Map, dass es den Bächen folgend einen Radweg gegeben hätte. Den Skulpturenradweg). Der Odenwald will mich nicht loslassen. Ich schiebe auf, rolle ab nach Adelsheim. Treffe einen alten Mann mit Rollator mitten in den Wiesen auf Geröllweg. Ob alles in Ordnung ist? Ja, alles in Ordnung, er spaziere hier öfter. Man weiß ja nie. Besser einmal mehr nachgefragt, als einmal zu wenig, man ließe jemand Hilflosen zurück.

In Seckach starten die Züge wie gewohnt. Ohne Umstieg bis zur Endhaltestelle nach Homburg. Der erste Wagen sei derjenige, der durchfährt, der zweite werde unterwegs abgekoppelt, erklärt mir der Zugführer. Wo der Zug getrennt wird, müsse er noch nachschauen. Scheinbar ist nicht immer alles gleich, trotz stündlicher Zugfahrten.

Im Bahnhofsaufzug verkeilt sich zu guter Letzt noch mein Fahrrad. Das Ding ist wirklich winzig und scheinbar sind die Aufzüge von Gleis zu Gleis unterschiedlich groß. Bei Gleis eins aufwärts passte das Fahrrad noch bestens. Runter zu Gleis zwei verkeilte es sich. Mega-Piepsorgie aus den Lautsprechern. Schon sah ich mich auf immer in diesem Aufzug gefangen. Der Odenwald will mich nicht gehen lassen. Ich sollte UmsLand/Baden-Württemberg angehen, denke ich, schwitze ich, hoffe ich, aus dem halbgläsernen Kasten rauszukommen. Das Radel ist dermaßen verkeilt, dass ich es nicht einmal hochkant stellen könnte, um die Spannung zu verringern. Komme schließlich frei. Überwinde diese letzte Grenze, überwinde die nächste letzte Grenze. Sitze im Zug, der sich von Station zu Station füllt und leert und füllt und leert. Neben der wunderbaren Landschaft entlang von Jagst und Neckar läuft eine Szene aus dem Film ‚Die Zeitmaschine‘: Im Schnelldurchlauf vergehen die Jahreszeiten über tausende Jahre. So ähnlich blitzert es durch die Zugfenster. Kommen und gehen. Grenze um Grenze um Grenze. Nur in der Rheinebene ist der Zug recht voll. Es ist der erste Juni. Ich fahre mit dem Neun-Euro-Ticket. Die befürchtete Überlastung ist nicht zu spüren. Der Zug zurück, durchs Wurmloch ins Saarland, fühlt sich genauso ‚voll‘ an wie der Zug aus dem Saarland, durchs Wurmloch nach Bayern vor vier Jahren.

Geschrieben am Pfingstmontag, 6. Juni, rückdatiert auf den 2. Juni.