Das beste gelbe Auto der Welt

Ist schon eine Weile her, dass Kokolores beschlossen hatte, ein gelbes Auto zu kaufen. Ein Postauto, wie es zu tausenden ausgemustert und an windige Autogroßhandlungen in der Südpfalz abgeschoben wird. Nun ist das nicht so einfach, einen Gebrauchtwagen zu kaufen, denn Gebrauchtwagenhändler, das weiß jeder, sind die Rosstäuscher der Moderne. Trotzdem wollte sie den steinigen Weg zum besten gelben Auto der Welt gehen. Und ich mit meinem minimal männlichen Sachverstand sollte ihr zur Seite stehen. Nie hab ich größere Autodepots gesehen als in der Südpfalz. Auf Flächen von der Größe mehrerer Fußballfelder stehen dicht an dicht gelbe Karossen. Postautos, soweit das Auge reicht. Kokolores hatte klare Kriterien: zwei Sitze müssen drin sein und auch zwei Airbags. Das rührte mich, hatte sie doch beim Beifahrer-Airbag exklusiv an meine Sicherheit gedacht.

Problem: wähle aus 100 baugleichen gelben Autos das beste aus. Also hatten wir uns ein Prüfschema zurecht gelegt. Erstens: alle gelben Baugleichen mit Beifahrerairbag und Sitz ausfindig machen. Zwotens, alle mit groben Blechschäden aussortieren. Drittens Geruchstest und allgemeiner Eindruck. Viertens Motorraum auf Ölspuren sondieren. Fünftens war dann meine Aufgabe, drunterlegen und nach Schäden suchen.

So verbrachten wir viele Stunden bei einem russichen Rosstäuscher Nähe Landau. Weiß nicht wieviel Autos wir sechstens probe fuhren, um siebtens das beste gelbe Auto der Welt zum fairen Preis zu kaufen. Es heißt Beutel und Kokolores scheint hoch zufrieden zu sein mit dem Vehikel.

Kurzer Dialog

QQlka sagte: „Die Kunst bringt nichts ein.“

Er drückte sich um ein Bild, das er begonnen hatte zu malen. Malen ist harte Arbeit.

Ich sagte: „Nichtstun bringt auch nichts ein.“

Also kniete er sich wieder mächtig rein.

Dann diskutierten wir, ob es eventuell möglich ist, die Kunst und das Nichtstun gleichzusetzen. Mehr noch, wir fabulierten an einer Philosophie, in der auch das Herstellen einer Einspritzpumpe oder das Erfinden einer Megasoftware zur Verwaltung mittelgroßer Wirtschaftsbetriebe nichts einbringt und somit mit dem Nichtstun gleichzusetzen wäre.

„Die nutzen einen doch sowieso nur aus, wenn du für sie arbeitest,“ sagte QQlka, „wenn du malst, arbeitest du wenigstens für dich.“

Kamen zu dem Schluss, das letztlich nichts wirklich etwas einbringt, weil man sowieso in ein paar Jahrzehnten unter der Erde verfaulen wird.

Wenn man sich das Begräbnis leisten kann.

Beim nächsten Allradauto wird alles anders

Wo war ich stehen geblieben? Ah ja, die Kunst und all der Kram. Das Bliestallabyrinth hängt nun in der Galerie Beck. Gibt erste Resonanz, durchaus positiv. Am Samstag gab es so eine Art Pressekonferenz, in der ich die Journalisten saarländischer Zeitungen mit Informationen füttern musste. Mühselig radebrach ich an so einer Art Labyrinth-Philosophie. Eine Sache, die zwar von Anbeginn da ist, die ich aber nicht wirklich beschreiben kann. Sonst hätte ich es schon längst an dieser Stelle gebloggt. Vielleicht liegt es daran, dass es, so verwunden und verworren es scheint, doch recht einfach ist: Das Labyrinth ist eine Metapher für den Lebensweg. Und der ist nie gerade. Mal wittert man das Ziel um die nächste Kurve, biegt ein und ist überrascht ob der Weite bis zum Horizont – keine Spur mehr vom Ziel. Es muss also woanders sein. Je mehr man sich dem Ziel nähert, desto mehr scheint es sich einem zu entziehen. So läuft das in der Kunst und so läuft das auch im Leben. Mancheiner mag sich ein sündhaft teures Auto mit Allradantrieb wünschen, bloß, wie kommt er da hin? Er muss sparen und ackern, mehr noch, er muss seine Frau davon überzeugen und über weite Strecken der Entscheidungsfindung muss er sogar sich selbst vom Nutzen des – was wars noch, ah – Allradautos überzeugen. Das Labyrinth des Lebens ist eine profane Glaubensfrage. Jeder Schritt, den du gehst ist verknüpft mit dem Glauben an die Richtigkeit dessen was du tust. Zweifel sind dein größter Feind.

Es war nicht sicher, ob das Bliestallabyrinth jemals mit solcher Kraft existieren würde. Im Nachhinein kann ich sagen, ein Glücksfall, dass das Kunstwerk überhaupt entstanden ist. Ursprünglich hatte ich zwei höchst teure Drucke geplant, welche an den Wänden der Galerie einander gegenüber hängen und irgendwie den diffusen Weg zwischen Blieskastel, Zweibrücken und Homburg darstellen. Weder kannte ich die Strecke, noch hatte ich einen Plan, wie ich das Ding überhaupt umsetze. Eine Herausforderung. Dass es nun eine klassische Kunststraße geworden ist, liegt nur daran, dass ich im Labyrinth meiner Gedanken – „Mann, wie könntste das denn jetzt umsetzen“ – gewandelt bin. Ich verirrte mich ab und zu in der Sackgasse der Finanzen, fand schließlich einen Ausweg – et voila.

Zurück zum Allradauto. Das ist nicht so abstrakt. Das kann sich jeder vorstellen. Angenommen, Ihr würdet ein Auto kaufen wollen. Dann hättet Ihr eine ungefähre Vorstellung, wie es aussieht. Vielleicht habt Ihr euch sogar auf eine Farbe festgelegt. Silbermetallic. Nun stellt sich das Problem, dass sowohl Nissan, als auch Hyundai, BMW, und Opel metallicfarbene Allradautos bauen. Sogar VW macht das und Mercedes und Skoda bestimmt auch. Aber Ihr habt beim ersten Gedanken, ich will ein Allradauto, noch keinen Schimmer, welches Ihr denn nun auswählt. Ihr wisst nur, dass es Allradantrieb hat und silberfarben ist. Im Müllberg der Sorgen wühlt Ihr nach Testberichten, um das beste silbermetallicfarbene Auto der Welt zu finden. Nissan ist ein Japaner, hmm? Kann man das riskieren? Skoda kommt aus dem Osten. VW ist ziemlich teuer. Leisten die das, was sie versprechen? Ein Patchwork aus Testberichten pflastert Eure Seele.

Genauso verhält es sich mit Bildern. Das sind rechteckige Dinger, die man an die Wand hängt (ein äquivaltent zum Allradauto, es hat vier Räder, die allesamt angetrieben werden). Es empfiehlt sich, ein ansprechendes Format zu wählen, irgendwas im Goldenen Schnitt oder so, auf keinen Fall fünf Meter lang und 20 cm hoch. Das sieht scheiße aus. Man würde ja auch kein Allradauto wollen in dieser Größe, oder?

Was will ich damit sagen? Die Dinge liegen im Ungewissen. Man hat eine Menge Sorge bis sie gewiss werden.

Wenn sie aber schließlich da sind, die Dinge, dann fragt man sich manchmal, Mann, was hab ich mir darüber nen Kopp gemacht?

Lebensmitte

Das war denn doch ein harter Tag.

Zuerst das Bliestallabyrinth in der Galerie gehängt, leichtes Spiel, denn die Wände sind mit Pressspan verkleidet und man kann prima Schrauben reinjagen. Alles lief wie am Schnürchen, nur eben, ich hatte ein bisschen verpennt, weil es mal wieder halb fünf war, als ich ins Bett kam. Dieser elende Kunstverwaltungskram bringt mich noch um. Nichtsdestotrotz: easy-Bilderhanging bis halb Eins. Dann tauchten die Journalisten auf, weil der Galerist viel Wind um die Sache gemacht hatte, muss ich ihm ja dankbar sein. Aber Journalisten während der Hängearbeiten sind nicht gerade förderlich fürs Bilderhängen. Dauernd muss man lächelnd vor Bildern stehen und wie Hitler den Arm recken: „Zeigen Sie mit dem Finger auf ein Bild und schauen Sie gleichzeitig in die Kamera, Schultern gerade, bitte.“ Und so weiter und so fort. Sieht dann aus wie die Venus von Milo mit Arbeitsklamotten und einem mona-lisischen Grinsen auf den Lippen.

Gute Mine. (Lieber Journalist, liebe Feulletonistin, falls Ihr das lest, das ist eine Glosse).

Später: Onkelgeburtstag. Unterhielt ich mich mit meinem Cousin auf der Terrasse, Blick Richtung Pottschütthöhe – das ist ein Flugplatz hier in der Gegend – und mit ausschweifenden Armbewegungungen rekapitulierten wir unser Leben, welches sich an mancher Stelle überschnitten hat bis hin zu dieser verflixten Lebensmitte, in der einjeder von uns eingestehen musste, wir haben nicht das erreicht, was wir zu erreichen gedacht haben. Aber hey, wir fühlen uns gut dabei. Er auf seine Art, dass es gut ist so wie es ist, auch wenn der Arzt ihm vor zwei Jahren prognostiziert hat, er habe nur noch fünf Jahre. Und ich auf meine beobachtende Weise, getreu dem Motto, wenn Du nicht daran Teil hast, dann schreib wenigstens darüber. Aber das ist ein anderes Dilemma. Es gab genug Raum, da auf der Terrasse, mit Blick zur Pottschütthöhe, für ein tiefgründiges Geständnis: „Ich wünsche mir insgeheim, dass die Ausstellung floppt,“ sagte ich, und zwar total. Nullverkauf wäre das einzige, was mich noch zur Raison bringen könnte.“ Dann versuchte ich dem Cousin zu erläutern, wie das Künstlerdilemma funktioniert. „Du hängst wie am Tropf, verkaufst mal hier, mal da ein Bild und jeder kleine tröpfelnde Bildverkauf ist ein Hinweis, mach weiter. Aber das ist doch kein Leben, so tröpchenweise mal hier mal da, ich bin doch kein Huhn auf der Suche nach Brotkrümeln.“

Der Cousin stand ungläubig vor der unscharfen Silhouette des Horizonts. Ferne Lichter funkelten. Die Nacht war klar und er packte aus vom allgemeinen Scheitern, welches vielleicht jeden Menschen um die Lebensmitte befällt. Ein simpler Virus namens Midlife, um es auf englisch zu sagen. „Da dürft ihr Künstler euch nicht von ausnehmen,“ sagte er, „kannst ja den Karren nicht einfach so im Dreck stehen lassen.“

QQlkas Gemälde

QQlkas Gemälde

Eine Traktorkatastrophe der leichteren Art. Dies zeigt auch QQlkas humorvollen Umgang mit dem Genre.

Vater und Sohn wollten Pilze sammlen. Und zwar auf genau jener Wiese, welche von einem rücksichtslosen Traktoristen zerfurcht wurde.

Blieb ihnen also nur noch, die Sünde mittels Foto zu dokumentieren und den Frust auf ihrer Homepage abzuladen.

Das Bild hat also Tiefgang. Man kann sich Fragen stellen: Welche Art Pilze wächst denn auf solch einer Wiese? Nicht etwa Psyllos? Die Beziehung Vater Sohn könnte interprätiert werden. Weiß der Sohn, wofür der Vater die Psyllos benutzt? Fragen über Fragen.