Das war denn doch ein harter Tag.
Zuerst das Bliestallabyrinth in der Galerie gehängt, leichtes Spiel, denn die Wände sind mit Pressspan verkleidet und man kann prima Schrauben reinjagen. Alles lief wie am Schnürchen, nur eben, ich hatte ein bisschen verpennt, weil es mal wieder halb fünf war, als ich ins Bett kam. Dieser elende Kunstverwaltungskram bringt mich noch um. Nichtsdestotrotz: easy-Bilderhanging bis halb Eins. Dann tauchten die Journalisten auf, weil der Galerist viel Wind um die Sache gemacht hatte, muss ich ihm ja dankbar sein. Aber Journalisten während der Hängearbeiten sind nicht gerade förderlich fürs Bilderhängen. Dauernd muss man lächelnd vor Bildern stehen und wie Hitler den Arm recken: „Zeigen Sie mit dem Finger auf ein Bild und schauen Sie gleichzeitig in die Kamera, Schultern gerade, bitte.“ Und so weiter und so fort. Sieht dann aus wie die Venus von Milo mit Arbeitsklamotten und einem mona-lisischen Grinsen auf den Lippen.
Gute Mine. (Lieber Journalist, liebe Feulletonistin, falls Ihr das lest, das ist eine Glosse).
Später: Onkelgeburtstag. Unterhielt ich mich mit meinem Cousin auf der Terrasse, Blick Richtung Pottschütthöhe – das ist ein Flugplatz hier in der Gegend – und mit ausschweifenden Armbewegungungen rekapitulierten wir unser Leben, welches sich an mancher Stelle überschnitten hat bis hin zu dieser verflixten Lebensmitte, in der einjeder von uns eingestehen musste, wir haben nicht das erreicht, was wir zu erreichen gedacht haben. Aber hey, wir fühlen uns gut dabei. Er auf seine Art, dass es gut ist so wie es ist, auch wenn der Arzt ihm vor zwei Jahren prognostiziert hat, er habe nur noch fünf Jahre. Und ich auf meine beobachtende Weise, getreu dem Motto, wenn Du nicht daran Teil hast, dann schreib wenigstens darüber. Aber das ist ein anderes Dilemma. Es gab genug Raum, da auf der Terrasse, mit Blick zur Pottschütthöhe, für ein tiefgründiges Geständnis: „Ich wünsche mir insgeheim, dass die Ausstellung floppt,“ sagte ich, und zwar total. Nullverkauf wäre das einzige, was mich noch zur Raison bringen könnte.“ Dann versuchte ich dem Cousin zu erläutern, wie das Künstlerdilemma funktioniert. „Du hängst wie am Tropf, verkaufst mal hier, mal da ein Bild und jeder kleine tröpfelnde Bildverkauf ist ein Hinweis, mach weiter. Aber das ist doch kein Leben, so tröpchenweise mal hier mal da, ich bin doch kein Huhn auf der Suche nach Brotkrümeln.“
Der Cousin stand ungläubig vor der unscharfen Silhouette des Horizonts. Ferne Lichter funkelten. Die Nacht war klar und er packte aus vom allgemeinen Scheitern, welches vielleicht jeden Menschen um die Lebensmitte befällt. Ein simpler Virus namens Midlife, um es auf englisch zu sagen. „Da dürft ihr Künstler euch nicht von ausnehmen,“ sagte er, „kannst ja den Karren nicht einfach so im Dreck stehen lassen.“