Ersatzredakteurin, beglückt

Hab gerade die Ersatzredakteurin beglückt. War ne Punktlandung. 14 Uhr war abgemacht und um Punkt 14 Uhr ging die Mail an die Redaktion.

Immerhin krieg ich dafür Soundsoviel pro Zeile, was das Schreiben, im Gegensatz zum Bloggen ein wenig lukrativer macht.

Trotzdem ist mir Bloggen lieber.

Der Doppelnutzen der Zeitungsschreiberei macht mir diebischen Spaß. Ohne den Anruf der Ersatzredakteurin wäre mir die bauesoterisch angehauchte Glosse (siehe Eintrag zuvor) nicht eingefallen.

Na, dann will ich ihr mal zu Willen sein

Ruft gerade die Ersatzredakteurin an und fragt, wo der Bericht bleibt. Die Ersatzredakteurin hat Angst vor großen weißen Flächen. Wenn sie in ihrem winzigen Büro vor dem Computer sitzt, die Redaktionssoftware dudelt und sie mit den Berichten, die fleißige Mitarbeiter geschrieben haben, jongliert, ergreift sie eine wahre Panik. Könnte ja sein, dass das Material nicht reicht und ein Fleck auf dem Monitor leer bleibt.

Nun könnte man lapidar behaupten, aber das ist doch nicht so schlimm, nur 50 Quadratzentimeter ohne irgendwas, das ist doch nichts.

Die Summe allen Nichts, wenn man es in hoher Auflage druckt, wächst ruckzuck auf 1000 Quadratmeter. Nur zum Vergleich: wer kann sich schon eine so große Wohnung leisten? Die Ersatzredakteurin sicherlich nicht. „Schreib ganz viele Is mit rein, das macht einen guten Eindruck, weil die am wenigsten weiße Fläche lassen. Hüte dich vor den Os mit dem unsäglichen Loch in der Mitte. Versuche sie durch groß geschriebene Qs zu ersetzen.“ Und noch so einige Tipps hatte sie bereit.

Nun ist es natürlich so, dass ich mit dem Artikel noch gar nicht angefangen habe, weil die Realität der echten Redakteurin eine andere ist als die der Ersatzredakteurin. „Schreib den Artikel wann du willst, musst nicht zur Vernissage gehen, Hauptsache, du besprichst die Ausstellung irgendwann. Irgendwann ist deckungsgleich mit meiner eigenen Realität.
Da hatte die Ersatzredakteurin aber mal Glück, dass ich so emsig zur Vernissage gepilgert bin und somit rein theoretisch in der Lage bin, den Artikel noch heute abzuliiiiiiefern, um die riiiiiiiesigen weiiiiiißen LQcher in der Zeiiiiitung zu stQpfen.
Will ich ihr denn Mal zu Willen sein.

Soundsoviel

War ein Gespräch mit den Ausstellungsbesuchern gestern Abend, wobei das Thema Geld auf den Tisch kam. „Ihr kriegt doch soundsoviel pro Zeile, hab ich gehört, das ist nicht sehr viel,“ sagte eine Besucherin.

„Nee, wir kriegen soundsoviel,“ sagte ich.

Mein Soundsoviel war noch weniger.

„Da würd ich aber mal in der Readaktion um eine Gehaltserhöhung bitten.“

Sag ich: „Ich bin doch Europenner und nehme von den Menschen nur das, was sie mir freiwillig geben.“

Fragt sich, ob die Zeitung als Mensch durchgeht.

Erinnerte mich an die Zeiten, als ich für Soundsoviel gearbeitet habe. Das war noch viel weniger, als die beiden ersten Soundsoviels.

Aber Spaß hat’s gemacht.

Nennt sie einfach Nancy und Pierre

Ist ja schon eine chaotische Zeit. Das Bliestallabyrinth hängt im Atelier und ich habe mächtig Angst, die Bilder zu signieren. Das ist nämlich das Finale. Dabei darf man nicht patzen. Die Jahreszahl 2006 kann ich schon ziemlich gut schreiben: eine große Zwo mit zwei winzigen Nullen und einer anschließenden, lässigen, riesigen Sechs. Nur der Name ist eine Hürde. Ich kann meinen eigenen Namen nicht schreiben.

Die Staatsanwältin rauschte um vier Uhr aufs einsame Gehöft, parkte im Hof und hupte, wie ich es ihr empfohlen hatte. Just in dem Moment wurde mir klar, es gibt eine Terminüberschneidung: gemeinsam essen mit ihr und gleichzeitig für die Zeitung eine Fotoausstellung im nahegelegenen Hornbach zu besprechen, das geht einfach nicht. Glück im Unglück, war sie von all den Verurteilungen, die sie am gestrigen Tag veranlasst hatte schlags kaputt und sehnte sich nach einer langen Couch und einer Glotze. Nichts leichter als das. Während sie in der Künstlerbude Soaps schaute, fuhr ich mit QQlka hinaus ins Klosterstädtchen, um die Kirkland-Ausstellung zu beäugen – wovon ein Andermal zu berichten ist.

Zurück auf dem Gehöft hatte sich die Staatsanwältin restauriert. Rege forderte sie: „Wir fahren nach Frankreich, da war ich noch nie.“ Konnte ich gar nicht glauben. Also strebte ich die irgendlinksche Standardtour, rüber nach Bitche, Festung betrachten und zurück, an. Das war ihr aber bei Weitem nicht genug. „Verschlafenes Nest, diese verdammte Bitch,“ sagte sie und hatte recht.

„Okay, lass uns auf Europennertour gehen. Ich zeige dir die Orte meiner einsamen Reisen.“

Wir brausten nach Süden auf den alten Wegen durch so verlassene Dörfer wie Huhnerscherr und Wingen sur Moder hinauf nach La Petite Pierre, wo sie mir den Namen Pierre gab.

„Pierre, das wäre doch so ein toller Name. Ich liebe diese Sprache. Was heißt das überhaupt, Pierre?“

Ich sagte: „Fels“.

Das klang kalt bis Saverne. Stoppover und am Canal du Marne au Rhin spaziert, wo wir die Kastanien sammelten, die die Einheimischen tagsüber vergessen hatten. Wir träumten von einem Topf, voll mit diesen Früchten, waren aber diszipliniert genug, uns mit einer halb gefüllten Platiktüte zufrieden zu geben und die Straße nach Nancy einzuschlagen. In Nancy war selbst ich noch nie. Im Showlight der Kathedrale taufte ich die Staatsanwältin Nancy. Das fand sie lustig: „Nancy und Pierre, so kratzen wir Deutschen am Mythos Frankreich.“

Wir becherten eine Flasche Wein vor einem Brunnen und diskutierten, wer zurück fahren muss. „Du,“ sagte sie, „du bist Hungerleider und hast nichts zu verlieren.“

Damit hat sie wohl recht.

Muss sagen, dass sich ihr schickes Auto mit einer, naja, sagen wir, drittel Flasche Wein im Kopf ganz gut fuhr. Auf einer Anhöhe stoppten wir, weil der Himmel Löcher zeigte, starrten in die Sterne. Weiß nicht, was sie dachte, stellte auch nicht die verfängliche Frage, was denkst du? Sehr symphatisch. Sie stellte diese Frage auch nicht.

Spätnachts zurück auf dem einsamen Gehöft, wohlbehalten natürlich. Die Luft roch gut. Wir fielen ins Bett wie zwei plumpe Säcke. Ich dachte an Jack Kerouac und wie er Amerika durchquert hat, damals, vor 50 Jahren. Es waren die selben Sterne, von denen er immer schwärmte, wie wir sie heute Abend in dieser Lücke im Nebel auf der namenlosen Anhöhe gesehen hatten.

Ob er wohl je einen Menschen gefragt hat, was denkst du gerade?

Dann wollen wir mal Eichhörnchen spielen

Dämmerung. Grandios, wie dieser Hauch Sonne den Nebel bekämpft. Die Felder dampfen. Vier Stunden Schlaf müssen derzeit genügen. Heute Morgen wieder voll auf dem Damm. Die leidige Erkältung ist endlich weg.

Sollte Steuer erklären heute. Aber vielleicht werde ich einfach nur radeln. Die Staatsanwältin, die ich neulich auf der Hochzeitsparty kennengelernt habe, hat gestern Abend angerufen. Sie hat einen brisanten Fall mit einer mutmaßlichen Betrügerin am hießigen Gericht zu verhandeln. Ob wir uns abends treffen könnten? Ich sagte ja.
Gestern wollte sie glaube ich nur quatschen. Gerne stellte ich mich zur Verfügung. Ihre Stimme ist klasse. Und die Fälle mit all den bösen Buben und Mädchen sind sehr unterhaltsam. Ich spielte Mäuschen (oder besser: Eichhörnchen :-) ) und tauchte ein in die Welt der Justiz (wer will was warum von wem – oder so ähnlich – die vier berühmten Ws der Justiz).