Ein Jahr ohne Termin!, schießt es mir kürzlich in den Sinn. Ich stehe auf der Treppe zur Künstlerbude, umlullt von Herbstluft und phantasiere, wie es wäre, wenn sich Zeitempfinden in Luft auflösen würde. Eine nicht enden wollende Kette von Ewigkeiten wäre die Folge. Ich öffne die Wohnungstür, greife zum Telefon und vereinbare einen Arzttermin um Punkt acht Uhr im Februar. Kurze Zeit später liebäugele ich mit Winter in der Provence, greife zum Internet und buche eine Ferienwohnung von dannunddann 2013 bis dannunddann 2014. Das wars dann endgültig mit der phantastischen Idee vom Jahr ohne Termin. Wir müssen dannunddann um Punkt elf den Ferienwohnungsvermieter treffen und die Bude sauber geputzt zurück geben. Auch Silvester ist nicht gerade terminfrei. Um vier Minuten vor vierundzwanzig Uhr stehen SoSo und ich auf der Burgruine von Saint Viktor. SoSos Handywecker klingelt, damit wir rechtzeitig in Position sind, um über das knapp 2000 Seelendorf und die Rhône-Ebene zu schauen und uns ein schönes neues Jahr zu wünschen. Wir sind alleine. Vom Dorf hören wir zwei Silvesterparties, nervöse Hunde, durchsetzt von Stille und dem leisen Säuseln der weitwegen Autobahn. Der Tumult mit Rauch und Tamtam um Punkt null Uhr zeigt sich sehr verhalten. Ein zehntausend-Watt-Strahler streicht weißes Licht über die erste Burgmauer und erhellt das dahinter stehende einstige Burggebäude. Mit den Armen rudernd werfen wir Schatten an die Wand, scharfe, winzige Menschenschatten, die man von unten aus dem Dorf vielleicht gar nicht wahrnimmt, so weit oben sind wir. Flaggenanalphabetismus … was wir wohl gerade ausdrücken mit unseren ungelenken Flaggenarmbewegungen?
Nordöstlich über Orange zuckt Feuerwerk. Avignon, fast zwanzig Kilometer entfernt und ohne Wolkendecke, ist nicht zu erkennen.
Bild: Urban Artwalk Avignon, im letzten Jahr. Einige Stunden erforschten wir die als Welterbe anerkannte Stadt. Die Hipstamatic-App wurde auf Zufallsmodus gestellt. Die Fotos später in appspressionistischer Manier per TurboCollage zu einer sieben mal sieben Bildertafel arrangiert. Auch auf erdversteck.de gibt es eine Szene aus Avignon. MudArt Künstler Moorlander hat in seinem skandalumwitterten Werk Sur le gâchis d’Avignon eine bizarre Kulisse im Vordergrund der berühmten Pont d’Avignon geschaffen.
alles ist eine illusion … keine termine haben zu können ebenso wie die termine selbst. uff. alltagsrealitätsillusion sozusagen.
ein schöner text. schön wars, mit dir hoch über der stadt das neue jahr zu begrüßen! :-)