Strategie des Nichtdarandenkens

Bearbeitet und publiziert am 21. Oktober 2025

Eigentlich liegen alle „Aufgaben“ klar auf dem Tisch. Oder sollte ich sie die „Diesunddas“ nennen. Kleine Zurückbleibsel aus dem großen Lebensplan, die im Kampf mit der knappen Zeit hintan stehen mussten.

Ich erwache gegen drei. Das Bett ist zerwühlt. Nassgeschwitzt. Eine gruselige Szene aus einem Film geht mir nach. Stehe auf, trinke ein Glas Milch. Klappe den Rechner auf. Seit zwei Tagen, seit ich wieder im „Büro“ bin, arbeite ich unter anderem an technischen Dingen auf dem Irgendlink-Blog. Was auch mit Intervention in der Tiefe des Servers einher geht. Studiere Bedienungsanleitungen für Software, habe zahlreiche Tabs offen. Das Hirn spielt zum Glück halbwegs mit, hatte es doch vor der dreiwöchigen Radreise gen Norden den Dienst fast eingestellt. Kaum in der Lage, mich auf etwas zu konzentrieren. Schwarzer Bildschirm. Linux-Prompt. Login und Rootrechte, Serverupdate und nebenbei schaue ich, wieviel Platz noch auf dem Miniding ist, auf dem all meine Blogs gehostet sind: so gut wie voll. Schuld ist das Plugin Backwpup, das vor Monaten ein Update zunächst zur Unbenutzbarkeit erfahren hatte, dann zurück gerudert und nun ist es WYSIWIG-tauglich ganz gut zu bedienen, aber eben, es macht von Haus aus nun automatische Backups, egal, ob man möchte oder nicht. Es speichert sie auf dem engen Server. Ich müsste sie regelmäßig herunterladen, damit der Speicherplatz nicht voll läuft.

Unterwegs der Radreise gen Norden hatte ich schon einen Freund deswegen beraten. Hatte das Plugin als Ursache für seinen Webspace-Überlauf diagnostiziert, weshalb ich wegen des knappen Platzes hier bei mir auch nicht groß suchen muss; die zahlreichen Backwpups auf etlichen auf dem Server liegenden WordPress-Installationen rümpeln die Platte voll.

Durchforste die Seiten und lösche die Backups und richte Backwpup auf mindestens vier Installationen neu ein. So vergeht die Zeit. Ich habe Spaß und bin zufrieden, schaue zwischendurch auf die Livemap der Transcontinental. Beneide die Radelnden. Und auch nicht. Meins wäre es nicht, zu rennen, obschon ich auf der Sommerreise, meiner Irgendwohin-Tour, Geschmack am lang und weit Radeln gefunden habe. Sagen wir so: Ich kann es wenigstens verstehen, dass Leute in Santiago de Compostella starten und 5000 Kilometer weit ans Schwarze Meer radeln und nur alle zwei Tage für ein paar Stunden schlafen. Auch die Bergkletterei verstehe ich und das ab und zue miese Wetter zu erdulden, den Schmerz, die Nacht und die Angst, dass was kaputt geht oder man stürzt oder per Navigationsfehler in einer Sackgasse landet. Das alles kann ich verstehen und ich durchlebe es ja auch auf meinen Touren in anderer, mir angepasster Form.

Bis fünf schufte ich am Server und diagnostiziere, da gibt es noch etliche unsichtbare Baustellen, die ich erledigen sollte: andere Software installieren hier, ein externes Backupsystem aufsetzen da,  noch mehr Sicherheit und die Blogsoftware bei den etwa zehn Blogs mal ordentlich durchforsten und aufräumen. Sowohl in den Datenbanken als auch in den Dateisystemen sind etliche Datenreste überflüssig, die durch das Installieren und nicht ganz saubere Deinstallieren von Plugins und Themes geblieben sind.

Mein eigentliches Vorhaben, weshalb ich mich vor zwei Tagen in die Sache reinkniete, ist die Entwicklung eines Themes oder einer Datenbank, mit der ich mein Blog – am besten den Shop – in ein Werksverzeichnis verwandeln kann (womit wir beim Großen und Ganzen angelangt wären, dem Zustreben aufs Lebensende). Mein Poormans-Ansatz ist, mittels individueller Felder und Blocktheme-Editor ein Werksverzeichnis-Theme zu erstellen, in dem ich die wichtigsten Daten für Kunstwerke erfassen kann. Auch im Hinblick auf andere Künstlerinnen und Künstler, allen voran Schalenberg, ist das wichtig und von Interesse. Und überhaupt hat mich der Kollege Schalenberg ja erst auf die Idee gebracht, an einem Werksverzeichnis zu arbeiten. Er und Herbig sind unter meinen FreundInnen die beiden Kollegen, die sich meiner Meinung nach am besten selbst dokumentieren.

Nachts regnet es. Gegen fünf wieder im Bett. Das Prasseln aufs Dach beruhigt. Ich denke rückwärts: Was muss ich vor den Ferien – immerhin schon nächste Woche – mit Frau SoSo noch alles erledigen? Zum Glück wenig. Eigentlich nur noch packen. Meine Sachen liegen ja noch von der Irgendwohin-Tour herum. Das Radel, das ich gerne renoviert hätte lasse ich wie es ist. Drei- vierhundert Kilometer wird es schon noch packen und wer weiß, ob es eine gute Idee ist, vor den sandigen holländischen Dünen schon einen neuen Kettensatz aufzuziehen?

Rückwärts denke ich auch vom kommenden Raus aufs Land: Wieviele Schlafplätze brauche ich und wo bringe ich die Leute unter? Ich müsste mindestens die Kammer des Schreckens fit machen und wer weiß, vielleicht sollte ich das ja auch nur rudimentär und notdürftig. Denke ich immer in großen Spuren: Diese Wand sollte weiß, der Boden geleinölt, das Bett schön eingerichtet usw. Warum nicht einfach nur aufräumen, ja ja und darauf läuft es hinaus.

Ein Schlafplatz fehlt mir. Ich hatte überlegt, den Holzanhänger, den ich während der Pandemie eigentlich in eine Traktorgalerie hätte verwandeln wollen, in ein Mini-Tiny-House zu verwandeln. Ein Nur-Schlafplatz- Minihäuschen, aber dafür fehlt mir die Zeit.

Ach Zeit Zeit Zeit! Ich denke immer nur, ich käme nicht voran, weil ich nach dem Tun oder gar noch während des Tuns (wenn ich den Radler in mir sehe) schon verdränge, was ich alles tue. Die letzten Tage nichts geschafft? Quatsch. Ich hab den Holzstapel vorm Haus dezimiert, im Garten etliche Aufräumarbeiten gemacht, den Grillplatz aufgeräumt, Kommunizierte mit Menschen – etwa war ich einen halben Tag lang mit dem Radel unterwegs nach Saarbrücken, was ziemlich gut tat und die ganz und gar unsichtbaren Arbeiten am Server gehen gänzlich unter in meiner Bilanz. Ich darf mir nichts vormachen: Insgeheim bin ich unheimlich fleißig und komme voran.

Wenn nur der Kopf nicht immer so vollgerümpelt wäre. Wenn ich nur nicht immer denken würde, du kommst doch überhaupt nicht voran.

Im Halbschlaf lege ich mir eine Strategie des Nichtdarandenkens zurecht, des mich vergessens und einfachen Weitermachens, ganz wie beim Radfahren. Einfach tun tun tun, strampeln strampeln strampeln, bloß nicht auf den Tacho starren, bloß nicht mit dem Wind hadern, bloß nicht die Uhr, bloß nicht den Blick suchend zur Passhöhe richten. So gehts voran. Langsam. Angenehm und wenn man sich umschaut und ruht irgendwann, stellt man fest, man ist da.

Zehn Uhr ists als ich wieder aufwache (aus unruhigen Träumen) – ich weiß nicht, was das ist, daheim schlafe ich schlechter als im Zelt, daheim sorgt mich mehr. Daheim fühlt sich der Körper alt und verlebt an, was er ja auch ist – wie sagte ich bei Herbig auf der Finnissage in Saarbrücken: „Ich fahre deshalb so gerne Rad, weil ich mich nur auf dem Sattel rundum wohl fühle“, und wie schrieb jemand anderes im Fediversum: „Radfahren ist mein natürlicher Aggregatszustand“.

Tango mortale des Radreisens – Tag 24

Zum Bahnhof Hannover und per Zug nach Homburg/Saar

Ich schlingere nicht einmal wie sonst, wenn ich eine zwölf oder mehrprozentige Steigung hinauf kurbele. Stoisch, nein mantrisch gehts in die Abenddämmerung. Meinetwegen könnte die Steigung ewig so weiter gehen hinein in die Stille der Nacht, hinauf auf einen imaginären Simplon-Pass des langen Reisens. Irgendwo oben würde mich ein riesiger steinerner Adler erwarten, der seine Flügel ausbreitet und überm Dunst der großen Höhe wacht. Daneben tauch das Bild meines Freunds Marc auf, 2009 im August überquerten wir per Auto den Simplon auf dem Weg in sein „Hüsli“ im Tessin.

Zeiten schlagen über mir zusammen, treffen sich, winden sich, verweben sich. Es ist egal geworden, was jetzt ist, was vorhin war, was ich wann wo mal erlebte, alles findet gleichzeitig statt im eigenen Kopf. Das Früher ist das Später geworden und umgekehrt. Morgen war schon, ist lange her. Werde ich verrückt? Mitnichten.

Der Tag war der anstrengendste der Reise. Bei meinem Lager in einer Schutzhütte frühstückte ich Brot, Käse, gebackene Blutwurst, Haferflocken, Milch, Kaffee, alles vorhanden. ich müsste nur noch wenige Lebensmittel kaufen an diesem Samstag und ich könnte ein weiteres Wochenende überstehen auf dieser Reise, die mich irgendwohin führte, mich noch immer irgendwohin führt. Die Hütte ist groß genug, dass ich die Hängematte aufhängen konnte, in der ich abends ein wenig baumelte. Ist wie Sofa nur besser. Ich hatte fest vor, in der Hängematte zu übernachten, bis mich eine Stechmücke laut „sieend“ plagte, ich das Zelt noch aufbaute, nur das Innenzelt als Mückenschutz. Ich teilte mir den kiesigen Boden mit riesigen Käfern und einer Maus, aber besser, als in der Hängematte von der Stechmücke am Schlafen gehindert zu werden. Im Mülleimer der Hütte nehme ich eine Pfanddose ins Gepäck. Vier Glasflaschen lasse ich liegen. Hätte ich normalerweise auch noch eingepackt, aber meine Allestasche, in der ich eine einzige Muschel und allerlei Pfand aufbewahrte, hatte ich ja an der Elbe oder nördlich davon verloren. Hinein in den Tag, vorbei am Flughafen Hannover. Ab und zu ein Flugzeug. Grauer Himmel, Regenneigung. Rückenwind. Baumbewuchs um die Wege, über die mich das Navi lotste, ostwärts Richtung A7 und südöstlich ab Langenhagen Richtung Hannover. Die Tour ist noch immer in einem fragilen „es könnte sich so oder so entwickeln-Zustand“. Obschon ich sehr stark Richtung Bahnfahrt ab Hannover tendiere und das Navi auch zum Bahnhof programmiert habe. Das Navii zeigt: Ankunft etwa viertel vor zehn. Als ich aus dem Funkloch komme: eine Nachricht von Freund Ludwig, dass er etwa 13-14 Uhr Höhe Hannover auf der A7 südwärts fährt. Verlockend, wirklich verlockend. Ich liebäugele, kalkuliere, schaue Landkarte, rechne Kilometer und Zeit, will ja dieses Wochenende heim. Mit Ludwig bis ins Bayrische? Das wäre eine Möglichkeit. Kipppunkt der Reise, einmal mehr. Wenn ich mit Ludwig fahre, kann ich in Ochsenfurt raus, 45 Kilometer westwärts radeln bis Osterburken und dort in die S1 steigen nach Homburg. Aber ist die Strecke überhaupt schon wieder offen? Diese Version klingt jdenfalls sympathisch. Ich checke die S1. Sie fährt gar nicht. Die Bahnapp lotst mich mit Umstiegen von wo nach wo, bloß nicht die gute alte Direktverbindung, die drei Stunden oder mehr dauert vom Rande Baden-Wuerttembergs bis nach Homburg Saar. Ruckzuck verliert die Ludwig-Variante an Attraktivität. Verlockend wäre, mit ihm in die Finca jenseits Nürnbergs zu fahren zu Freund Leb. Das ist SEIN Tagesziel, aber das würde mich noch Tage weit weg von daheim bringen.

10:33 fährt mein Zug am Hauptbahnhof Hannover. Ein letzter Einkauf in einem Netto in Langenhagen, direkt am Wegrand. Banane und Pfandrückgabe. Ich erhalte 51 Cent zurück. Guter Tag. Auf dem Bahnsteig proppenvoll und es wird Minute um Minute noch voller. Zwei Männer in Warnwesten schicken alle Leute nach vorne, weiter weiter weiter bis zu Abschnitt A. Ich frage, wo ist das Radelabteil und einer antwortet, genau hier, also im weniger frequentierten Bereich. Habe Puls und Adrenalin. Die vielen Leute nach wochenlanger gefühlter Alleinsamkeit und nur ab-und-zuen Phasen der Dichtbevölkerung, die ich durchradelte wie Brei, tun mir nicht gut. Ich gottesurteile, wenn es nicht passt mit dem Einstieg, bleibe ich hier, rufe Ludwig an, fahre rüber zur Autobahn, warte auf ihn und verschiebe mein Zugfahrproblem nach Langenselbold oder Würzburg oder ich fahre doch mit zur Finca und denke tags darauf die Reise neu.

Der Einstieg klappt besser als erwartet. Die Metronom-Züge haben explizite Fahrradbateile, so dass sich keine sturen Leute irgendwo hinsetzen- oder stellen können. Habe sogar Sitzplatz. Bis Göttingen entspannt Zug fahren etwa ein zwei Stunden. Dort nächster Zug, nächstes übles Einsteigspiel. Auch da Glück. Zwei Radlerinnen auf dem Rückweg von einer einwöchigen Harz-Radreise wollen auch nach Frankfurt, sagen mir, dass es von Kassel keinen Zug nach Frankfurt gibt und man hinausradeln muss zur Wilhelmshöhe, dem Fernbahnhof. Nie durch Kassel ohne Wilhelmshöhe, denke ich. An der Wilhelmshöhe führt kein Weg vorbei. Fünf Kilometer sind zu überbrücken und der Anschluss fährt 14:14 Uhr. Gutso. Kann ich in ein Grünland pinkeln, denn das Zugklo ist ewig besetzt. Ich vermute Schwarzfahrende, die sich darin verstecken, oder einen Defekt. Wilhelmshöhe Brötchen gekauft in einem Backwerk, sonst wäre ich verhungert. Der Zug fährt nicht wie erwartet durch bis Frankfurt. Das bedeutet: ein weiterer peinvoller Umstieg in Fulda. Es ist immer aufregend und an diesem Samstag sind besonders viele Radelnde unterwegs. Junger Mann mit Kurierrucksack im Abteil. Wir plaudern. Er erzählt mir von Trekkingplätzen in der hessichen Röhn, die ein studentisches Hochschul-Projekt sind. Muss schick sein und nützlich. Eine zunächst mürrische Radlerin mit Chemo-bedingtem jungem Haarnachwuchs klinkt sich ein wegen des Trekkinghütten-Designs. Sie habe auch Design studiert und es interessiere sie als Wanderin. So plaudern wir bis Witzenhausen, wo der junge Mann aussteigt. Übrigens auch eine Art Europenner, der gerne wild zeltet, in Kassel und Hannover als Kurier arbeitet, im August will er nach Frankreich touren.

Adrenalin in Kassel und es klappt dennoch. Ich weiß gar nicht, was ich mich da immer anstelle, aber die Aufregung und die Sorge ist einfach in mir. Was kann schon passieren, außer dass ich nicht in den Zug komme und eine Stunde warten muss oder auch zwei. Es ist wohl dieses etwas partout wollen und es nicht sicher kriegen können, was das Leben so kitzelt. Frankfurt von Gleis 10 zu Gleis 20. Am Kopfbahnhof elendes Gewusel, kein Spaß natürlich. Gleis 20 zunächst schön leer, ich atme auf, könnte ein guter finaler Zug werden ins Saarland, ein Mann im Rollstuhl rollt vorbei, fragt um Geld. Ich gebe ihm ein zwei Euro-Stück, schaue ihm nach wie er weiter den Bahnsteig hinauf radelt, die Leute um Geld fragt. Eine Sackgasse natürlich, er muss auch wieder zurück. Muss an Journalist F. denken, denn der Mann hatte ein wundes Bein, genau wie mein toter Freund F., ach und sicher noch viel mehr Leid als nur das Bein. Gebe ihm auf dem Rückweg nochmal ein zwei Euro- Stück. Im Geldbeutel ist nun nur noch weißes Geld und ein symbolischer fünf Euro-Schein. Bahnsteig nun doch voll und als der Zug einrollt, stömen alle vom weit draußen Ende des Sackgassenbahnsteigs zurück, denn er ist nur halb lang. Mega Gerangel. Ich stehe zum Glück direkt beim Fahrradabteil hinter zwei anderen Radlern. Aussteigende und Einsteigende schlagen übereinander wie die Wellen von Nord- und Ostsee bei Skagen, denke ich und als ich endlich ins Abteil komme, ist da noch ein Radler, der raus will. Habe ein schlechtes Gewissen, weil ich ja Reindrängler bin in dem Sinn, aber vor mir sind schon zig Leute da rein. Er siehts gelassen, unsere Taschen verheddern sich, es ist wie vermurkster Tanz, lösen sich schließlich und dann bin ich drin, er draußen. Tango mortale des Fahrradbabteilgerangels am Bahnhof Franfurt.

Die R3 kriegt einen weitere Wagen vorne angehängt, was der Zugführer schließlich kund tut, als schon alle im hinteren Wagen eingedost sind. Wem es zu voll ist, der kann umsteigen nach vorne. Ach ich Depp ohne Vertrauen! Aber konnte es ja nicht wissen. In Frankfurt ist der Sog nach Hause schon immens. Drei Stunden Fahrt und ich bin daheim. 17:28 geht es los. Der Zugführer hat Humor, lockert durch Ansagen wie etwa. Leider fahren wir seit Rüsselsheim hinter einem anderen Zug, der partout nicht vom Fleck kommt und verspäten uns deswegen, aber hey, sehen sie es gelassen, schneller als zu Fuß sind wir ja doch. Alle lachen. Im Abteil sitzt auch ein Sankt Wendeler Radler nach Kattegat-Umrundung. Von Rostock schiffte er nach Trelleborg, und radelte via Malmö, Göteborg usw. Er ist seit Flensburg heute früh in Zügen unterwegs. Was wohl nur dank ICE möglich war. Wir werden nicht so ganz warm. Wohl wirke ich wegen des konsequent getragenen Urbandoos auch etwas merkwürdig. Aber hey, das Gefühl, ein Minimum gegen mögliche Erkältungskrankheiten getan zu haben, tut mir dennoch gut. In den Zügen traf ich ein zwei Leute mit Maske. Der Rest schien unbesorgt. Es gab etliche Niesende, Schnupfende, Hustende. Und es war voll, so voll.

Bis Neunkirchen mit einer Gruppe Vorrentnerinnen meines Alters im Abteil, die sich einen schönen Irgendwohin-Tag gemacht hatten am Niederwalddenkmal und die tolle Geschichten erzählten von ihrer Tour. Offenbar gibt es da oben auch abenteuerliche Höhlen und man kann ein Kombiticket kaufen,  für 22 Euro, das für die Schifffahrt ab Bingen gilt und die Seilbahnen hinauf und hinunter zum Denkmal. Darüber mal nachdenken, falls man einen Ausflug dahin macht.

Neunkirchen, Umstieg wegen Verspätung verpasst. In der Unterführung zum Aufzug wate ich meterweit durch Urinpfützen. Zwei samstäglich angetrunkene Jungs mit mir im Abteil, eigentlich ganz nett, aber eben angetrunken. Ein Mädchen mit gleich aussehendem Schoßhund auf dem Arm steigt zu und ich muss schmunzeln ob des komischen Bilkds und als die Jungs lachen – das Mädchen kriegt es zum Glück nicht mit, muss ich auch lachen, hasse mich dafür, sollst doch die Minderheiten schützen und zu ihnen stehen, nicht über sie lachen und das Mädchen gerät mir insgeheim zur Galionsfigur für Minderheiten, obschon das natürlich quatsch ist, aber es ist diese Du bist nicht perfekt-Situation wie auch im Zug zuvor, als ich mit dem aussteigenden Radler den Tango Mortale tanzte. Ich treibe im Brei der Masse und werde auch in dieser Masse bewegt und wenn ich individuelle Bestrebungen hin zu einer für mich als besser empfundenen Welt machen will, dass habe ich diese Masse als Hinderungsgrund und widersetze du dich erst einmal dem kollektiven Lachen, das ist gar nicht so einfach, wenn einer anfängt und im Grunde ist es mit dem Gähnen ja so ähnlich.

Homburg bis heim, neun Kilometer, oft geradelt. In Kirrberg radele ich die Kalköfer-Weg-Bypassage, also nicht den schmalen Fußpfad mit den hinein ragenden Hecken vorbei am Obstgrundstück, sondern den Teerweg Richtung Heilbachhof, die zwölf Prozent, die ewig dauern dürften. Kurzes Stück Sickinger Höhe. In der Ski und Wanderhütte ist Janda, Hippiemusik und Gesang und dann daheim. Und wie zum Glück weiß ich, als ich vor der Tür stehe, wo ich den Haustürschlüssel versteckt habe. Ich hatte es vor der Abreise auch aufs Video gesprochen, aber kram du erst einmal die volle Speicherkarte hervor und hangele dich zum ersten Video durch.

Was bleibt: bald 2000 Kilometer irgendwohin und wieder heim, dieses Blog, viele Bilder, vierhundert GB Filme und Ideen, Ruhe, hoffentlich bleibt sie, Zufriedenheit, froh, es getan zu haben, froh, es geschafft zu haben, wieder mehr Lebensmut und noch mehr Gelassenheit.

Was die Tippfehler der Beiträge betrifft, die ich in den letzten Wochen schrieb, nun am Tresen der heimischen Draußen-Küche unterm Vordach des Ateliers, halb stehend, halb sitzend am Barhocker lehnend, ja, sie sind meiner Schludrigkeit und Hast beim Schreiben geschuldet, aber auch zu einem guten Teil dem Umstand, dass die Bluetooth-Übertragnung machmal hakt, dass die Tastatur springt, aber hey, sie taugt und „schneller als zu Fuß“ geht es ohnehin.

Ums Land Bawü – Prolog

Underfootaufnahme eines bepackten Reiserads, das offenbar auf einem Deich steht. Blauer Himmel mit seichten Kondensstreifen und Gegenlicht über Grasbewuchs. Im Hintergrund lugt links des Rads ein kahler Laubbaum.

Der Baum

30. Januar 2025. Der Wecker steht auf 7:30. Kurz zuvor bin ich wach, schalte ihn aus, drehe mich noch einmal um. Die Künstlerbude mit ihrem rudimentären Holzofen ist nicht gerade förderlich, früh aufzustehen. Jenseits des Betts herrschen meist nur 5 Grad Celsius. Oder, wie ich es scherzhaft gerne sage: Brrr Grad Celsius. „Tage zum R-rollen üben“, nennt dies die Frau Hauptstadtethnologin. Im Halbwach erscheint „der Baum“. Verschiedene Zukunftszweige: Nehme ich den geplanten ersten Zug nach neun Uhr (ab neun ist Radmitnahme in RLP und Bawü kostenlos), oder nehme ich den Zug eine Stunde später?

Kürzlich fand ich ein recht faszinierendes Meme im Internet, das den Lebensbaum zeigt mit all den Entscheidungen, die man schon getroffen hat und die einen von Ast zu Ast, von Zweig zu Zweig dahin führten, wo man sich gerade befindet. Das Meme räumt auf mit der Annahme, dort wo man gerade steht, sei der Endpunkt. In einer zweiten Grafik wird auf den aktuellen Standpunkt gezoomt und es zeigen sich Abzweigungen und Wege für die Zukunft und das sieht sehr kongruent aus zu den Vergangenheitsverzweigungen. Ein positives Bild, das mir Mut machte, denn hin und wieder beschleicht mich das Gefühl, mit meinen vielen Jahrzehnten auf dem Buckel bin ich abgehalftert, bereit zur Ausmusterung, zu nichts mehr zu gebrauchen und überhaupt, welche Chancen hab ich noch … die Zukunft gehört der Jugend. Den Nassforschen, denen, die sie sich nehmen. Nur nicht mir. Und so geht das manchmal. Ich drehe mich noch einmal um. Das Bett ist schön warm, vergesse den Wecker, erwache gegen acht auf natürlichem Wege und da isser, der Zukunftsbaum: Abzweig eins: Zug um 9:48  wie geplant oder 10:48 oder noch später oder gar nicht? Die Möglichkeiten sind schier unendlich.

Naja, vier Möglichkeiten erst einmal: 9:48, 10:48, per Rad los oder gar nicht.

In der Tat gaukeln diese Zukunftszweige allesamt gleichwertig, während ich den ersten Kaffee trinke. Das Radel steht gepackt, die Wasserleitung noch abstellen und leeren, sonst friert sie ein während ich weg bin – sehen wir da eine feine Tendenz in Richtung Aufbruch? Zack minus ein Möglichkeitsast, nämlich die Möglichkeit gar nicht erst aufzubrechen.

… und dann geht alles ganz schnell.

Nur mit einem Kaffee im Bauch stehe ich drei Minuten vor Abfahrt am Bahnhof. Der Zug hat Verspätung. Der Möglichkeitsbaum entfaltet neue Möglichkeiten. Ich hab den „frühen“ noch geschafft, ich Held, aber werde ich wegen der Verspätung in Pirmasens-Nord (scherzhaft nenne ich es auch Pirmasens-Fnord), hängen bleiben? Was dann bedeuten würde, eine Stunde warten, frieren, nicht schön da oder ab dort schon radeln (wieder eine Verzweigung)?

Der Anschluss klappt. Und wie die Bimmelbahn so dahin gondelt Richtung Pfälzer Wald, tun sich abermals ungeahnte Möglichkeitszweige auf. Ich muss nicht, wie geplant, in Hinterweidenthal raus, über die Radwege runter Richtung Frankreich und rüber zum Rhein. Der Zug ist schön leer. Ich kann bis Annweiler mitfahren oder bis Landau. Die Strecke Richtung Frankreich kenne ich ohnehin zur Nöche von den vielen Mit-dem-Rad-zur-Liebsten (mdRzL) Touren.

Zack Landau. Am Gleis gegenüber fährt bald der Zug Richtung Karlsruhe. Bloggesurteil: Wenn es nicht zu voll wird und ich mit dem Radel gut reinkomme, dann nehme ich auch den. Längst bin ich auf einem ungeahnten Lebenszukunftszweig, den ich mir am frühen Morgen nie hätte träumen lassen. Der Karlsruher Zug ist nicht barrierefrei. Das Radel muss einen guten halben Meter über drei Stufen hoch gewuchtet werden. Eine junge Frau, die das Problem kennt, hilft mir beim Hochschieben.

Und nun? Wingen, Kandel, Wörth und Karlsruhe stehen zur Auswahl. So will es die Deutsche Bahn. Ich entscheide mich für Wörth am Rhein. Das ist noch in Rheinland-Pfalz. Ein stabiler Zukunftsast manifestiert sich. Ich werde auf dem Eurovelo Rhein aufwärts radeln, mich über die Brücke bei Beinheim (so zumindest war es geplant, es kam anders) nach Rastatt hinüber schaffen und so lange wie es die Kräfte zulassen das Murgtal aufwärts radeln.

Hab ich ein Ziel? Ja. Pforzheim. Wie wollte ich da hin kommen? Per Zug nach Hinterweidenthal, per Rad ins Murgtal, am nächsten Tag nach Freundenstadt, Frau Laut (aka Radeltante) treffen. Gemeinsam durch den Nordschwarzwald zur Enzquelle radeln und das Enztal abwärts bis Pforzheim, wo sonntags eine große Fahrraddemo und Gedenkfahrt anlässlich des Jahrestags des Todes des Radlers und Kämpfers für Gleichberechtigung im Straßenverkehr, Andreas Mandalka stattfinden wird.

Bin ich auf Kurs? Definitiv ja. Liegen Abzweige vor mir? Immer. Ist das gut oder schlecht? Ja …

Wo stehen wir gerade? In Wörth und die Reise wird im nächsten Blogartikel fortgesetzt.

Ich habe viel Zeit. Das Projekt Bawü hat gerade erst begonnen und es wird so lange dauern wie es dauert.

Hier gehts zur Projektskizze in der Umap, die stetig erweitert wird. Hinweise auf Punkte von Interesse in „The Länd“ sind sehr willkommen.


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Radtour durchs Elsass auf der Elsässer Weinstraße – mein Film auf Youtube

Reiserad mit Gepäck auf geteertem Weg. daneben rechts ein Mensch im Schneidersitz. Im Vordergrund steht eine Action-Kamera uf einem etwa 20 cm hohen Stativ und scheint die Szene zu filmen.

Zum Schreiben reicht es momentan nicht.

Aber ein Film ist fertig geworden. Mitte Oktober war ich für vier Tage radelnd auf der Elsässer Weinstraße. Der Anderthalbstünder erfreut sich erstaunlicher Beliebtheit. Ich hatte ihn bisher nur über meinen Mastodon-Account im Fediverse beworben. Vermutlich habe ich aber auch bei Youtube versehentlich etwas richtig gemacht mit Titel, Beschreibung und Schlagworten.

Man kann den Film werbefrei über die Yewtube-Schnittstelle abrufen: https://yewtu.be/watch?v=xT86FGojUSE

Oder bei Youtube:

 

 

 

Landkarten der Umsland-Projekte

Drei Landkarten verlassen das Fließband. Ich habe die Umap endlich ‚gerockt‘ und einige Kunstprojekte in Kartenform dargestellt. In den Landkarten kann man sich durch Bilder und Bloglinks klicken. Die Karten haben verborgene Ebenen, die man mit der Navigationsleiste ein- und ausblenden kann.

UmsLand Rheinland-Pfalz 2017 und 2020

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Screenshot einer Landkarte mit einer Routenlinie an den Grenzen von Rheinland-Pfalz
UmsLand Rheinland-Pfalz 2017 und 2020

Umsland Bayern 2018 bis 2022

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Konturlinie Bayerns auf einer grünlichen Landkarte
Strecke der Radreise rund um Bayern 2018 bis 2022

UmsLand Schweiz 2023

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Konturlinie der Schweit mit verschiedenen Wegpunkten als grünliche Landkarte
Projekt Schweiz Sommer 2023