Traunstein

Rainshowerhopping. Das leichte Nieseln bekommt den beiden Solarzellen gar nicht gut. Von Westen verfolgen mich dunkle Wolken, die sich weiß in die Berge drücken. Und die Berge sind blau-schwarz wie in einem Kompaktlehrbuch Zeichnen. Ich habe in Chieming die Via Julia-Schilder wiedergefunden, badete im See und wanderte auf meinen fast vierzig Jahre alten Spuren durchs Dörfchen Chieming. Die Via Julia folgt kaum befahrenen Nebensträßchen bis Traunstein, wo ich es mir in einem Café gemütlich gemacht habe. Die Kirchturmuhr schlägt Eins.
Kurz vor Traunstein an der Via Julia
Ortsschild Kotzing
ein Baum, dem einst ein Baum wuchs
Abgesägter Ast in Stammstärke
Auch an den Standardserien wird gearbeitet. Gut dreißig Kanzeln seit Zweibrücken hat Monsieur Irgendlink ins rechte Licht gesetzt (siehe auch das eBook Kanzel in der Rubrik Sale dieses Blogs)
Hochsitz Kanzel
Mudartlegende Heiko Moorlander – überall im süddeutschen Raum hinterließ er Kunstwerke. Hier seine Arbeit ‚Nice Try‘ aus dem Jahr 2005
Nice Try von Heiko Moorlander 2005 Mudart

Wer Chiemsee will, muss leiden

Achthundertvierzig Kilometer stehen auf dem Tacho. Ich bin in Grabenstätt am Chiemsee. Seit fünfzehn Kilometern folge ich dem Seeuferweg, welcher zwar flach ist und theoretisch idyllisch, aber auf ‚meiner‘ Seeseite führt er meist direkt neben der A8.

Herr Irgendlink, Sie radeln seit fünfzehn Kilometern direkt neben der Autobahn. Haben Sie dadurch irgendwelche Schäden erlitten? Neiiinn – neiiinnn – neiiin (frei nach Ostfriesenblödelbarde Otto).

Nahe Übersee zeigt die A8 Abfahrt Nummer 108. In Zweibrücken Mitte, also daheim, hat sie Ausfahrt Nummer 32. In Grabenstätt steht ein Hinweisschild auf die pfälzische Partnergemeinde – 449 Kilometer. Den Namen habe ich leider vergessen. Mit dem Radel bin ich also fast doppelt so weit im Zickzack durch Süddeutschland geradelt.

Chieming, nur noch fünf Kilometer entfernt liegt eigentlich nicht auf meiner Route. Da es aber als allererstes Kinderferienziel einen höchst sentimentalen Wert für mich hat, muss ich da durchradeln und am Kiesstrand seebaden. Wer Chieming will, muss leiden.

Da das Netz langsam ist, zwei kleine Bilder nur. Irgendlink in Übersee.

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Schnell auf dem Touchscren getippt, während eines Regenschauerkaffees in einer Campingklause.

Tag 10 – Tagesstrecke und Nachtlager

Wieder hat sich Irgendlink für die Nacht einen Platz mit Ausweichmöglichkeit ausgesucht. Diesmal steht ein Schuppen in der Nähe, falls das Gewitter überhand nimmt. Es rumpelt ein bisschen und regnet. Das ist auch der Grund, weshalb er heute sein Nachtlager schon „so früh“ aufgebaut hat.

Die heutige Strecke kann hier angeschaut werden: Streckenlink.

So ungefähr muss man sich die Gegend zwischen den Seen, in der Nähe vom Chiemsee vorstellen: hier klicken.

Wie München hat ein Auto?

Dada-Tag. Der Sommer kocht die Hirne weich. Am Radelring München kommen mir Erinnerungen an früher, als wir mit dem Wohnwagen in Urlaub fuhren. Bayern und Österreich, aber auch Dänemark, Spanien oder Italien. Erinnerung an Hamburg: Gehwege voller Hundescheiße. Das hat sich zum Glück geändert.

Erinnerung an München: vor der Stadt stoppten wir auf einem Rastplatz und ein hagerer Mann stieg zu uns ins Auto. Die Mama setzte sich nach hinten. Der Mann lotste uns mitten durch die Stadt. Ich erinnere mich, dass es einen inneren Ring gab und einen mittleren. Heute gibt es noch die Ringautobahn und der Lotsenservice musste vielleicht dicht machen? Kein Bedarf mehr im Zeitalter des Navis. Dreißig Jahre Entwicklung der Menschheit liegen zwischen Hundescheiße auf Hamburgs Gehwegen und dem Bau von Münchens Ringautobahn und der Entwicklung der GPS-Technik. Wir sind auf einem guten Weg. Der Münchner Radelring ist ein weiteres Merkmal, in welch kurzer Zeit der Mensch gute Dinge entwerfen und umsetzen kann. Mit der GPS-App messe ich gestern die Luftlinie bis zum anderen Ende der Stadt. Aubing ist mein Standort. Überlege, ob ich dem Radelring folgen soll, aber nach kurzem Drauflosradeln steht ein Hinweisschild Marienplatz, was ja wohl das Zentrum der bayrischen Landeshauptstadt ist. Nur noch neunzehn Kilometer. Gegen Mittag wird die Hitze unerträglich. Ich nutze jede Gelegenheit, mein T-Shirt und das Kopftuch zu nässen. Nach zehn Minuten ist alles wieder trocken. So frage ich in einem sonntagsoffenen Autohaus nach Wasser, tauche die Kleider in kalte Bäche, Ententeiche, einmal zweige ich sogar ein bisschen vom Trinkwasservorrat ab.

Theoretisch muss man zum Marienplatz fast immer geradeaus fahren. Die Beschilderung ist leider lückenhaft und so verirre ich mich einmal, zweimal, beim dritten Mal ist es nur noch zweikommasieben Kilometer bis zum Marienplatz, aber ich bin schon fast an der Isar habe das Zentrum verfehlt und bin schon auf dem Weg nach draußen. Auf einem Friedhof schreibe ich ein paar Blogartikel. Ein schwerhöriger Mann setzt sich neben mich und starrt auf ein Grab. Wir reden nur das Nötigste. Wieviel Grad? Achtunddreißig. Puh. Ich schreibe, er starrt und ich frage mich, ob ich das vielleicht bin, in dreißig Jahren. Alle sind gegangen, es gibt nur noch Dinge, Menschen, Ereignisse, vergangene Momente, die beweint werden müssen und mit Daumen und Zeigefinger macht man innerlich ein Zeichen, so knapp, so viel noch und schon bald ruhest auch du.

Innenstadtverzicht. Die Isar lockt. Von der Brücke hat man einen exorbitanten Blick auf das vielleicht längste Strandbad Deutschlands. Kilometerweit folge ich dem Isarradweg und die Schar der Sonntagsbadenden nimmt und nimmt nicht ab. Sonnenschirme, Cremegeruch, hie und da ein Lagerfeuer. Vor mir fährt ein Junge mit einem Fahrradanhänger und schaufelt mir den Weg frei. Menschen mit Isomatten, Bodybuilder mit SOLCHEN Schultern, Hänflinge, die sich an Seilen, die an Bäume gebunden sind, über den pfützenähnlichen Fluss schwingen. Kleine Tarzane an einem ganz normalen Sonntag. Über den Münchner Wasserweg, so heißt einer der Radwege nach Süden, verlasse ich die Isar Richtung Rosenheim, zwanzig dreißig Kilometer weit an Ober- und Unterhaching vorbei. Längst drohen Gewitter. Schon dunkelt es und ich muss langsam einen Platz finden. Er sollte auch einen gewissen Blitzschutz bieten, wobei ich nicht wählerisch bin. Ein Faraday’scher Käfig wäre gut. Ein Autowrack direkt neben dem Zelt, in das man flüchten kann, wenn es allzu arg wird. Beim Modellflugplatz war mein Faraday’scher Käfig ein etwa vier Meter langer Tisch aus Stahl.

Gewitterbübchenrechnung. Ich weiß, dass es hanebüchen ist, zu denken, man wäre bei Gewitter unter einem stählernen Tisch vor Blitzen geschützt. Aber die infantile Selbstlüge beruhigt. Neben der Ulrichskapelle, die auf einer Waldlichtung neben einer Pferdekoppel steht, beschließe ich zu lagern. Das Kirchlein ist zwar zu, aber es hat zwei überdachte Eingänge, in die genau ein Mensch reinpassen könnte. Aus dem Trinkbottich der Pferde nehme ich Wasser, um mich notdürftig zu waschen. Meine Eltern rufen besorgt an. In den Nachrichten haben sie von schlimmen Unwettern gehört. Irgendwo seien tennisballgroße Hagelkörner runter gerasselt und in München habe die Hitze die Straßenbahnschienen verbogen. Hum. Nix mitgekriegt. Kaum lege ich auf, legt das Unwetter los, zaust die Bäume. Äste krachen herab. Als Regen und Sturm nachlassen, baue ich das Zelt auf der windabgewandten Seite der Kirche auf. Die Nacht bleibt ruhig und am heutigen Tag bin ich schon um halb sechs wach.

Der Radweg führt weiter durch dichten Fichtenwald. Schilder mit der Aufschrift Via Julia deuten auf eine alte Römerstraße hin. Später treffe ich zwei Radler, die von Augsburg unterwegs sind nach Salzburg und sie erzählen mir, dass eben diese Via Julia der Fernweg ist, der von Augsburg nach Salzburg führt. So beschließe ich, die Augen offen zu halten, und dieser beschilderten Route zu folgen. Nun sitze ich am Mangfall, einem etwa zwanzig Meter breiten Fluss, der bei Rosenheim in den Inn mündet. Ab Traunstein beginnen die Berge, erzählen mir die beiden Augsburger.

Tag 9 – Tagesstrecke und Nachtlager

„Bis Mitternacht sind vierzig Prozent Gewitter vorher gesagt. Danach sternenklar. Ich bleibe neben der Ulrichskapelle. Falls es rund geht, kann ich mich im Eingang unterstellen. Die hat Blitzableiter,“ schreibt Irgendlink heute Abend.

„Es regnet. Das Gewitter zieht hoffentlich vorbei. Ich würde jetzt gern das Zelt aufbauen und schlafen“, schreibt Irgendlink kurz darauf. Noch später: „Ich mach das jetzt. Es geht mit dem Regen hoffe ich.“

Zur heutigen Strecke bitte hier klicken: Streckenlink