Ist es möglich, den Jakobsweg im Winter zu wandern? Einige grundlegende Infos zeigen dir die Leichtigkeit des Jakobswegwinterwanderns. Den wohl berühmtesten Pilgerweg Europas zu wandern, ist spätestens seit Hape Kerkelings Ich bin dann mal weg Traum so vieler Menschen, dass die „klassische“ Strecke des Camino Frances zwischen Saint Jean Pied de Port und Santiago de Compostella in den Sommermonaten mitunter ziemlich überlaufen ist. Wer es einsam mag, stellt sich die Frage, ob es auch im Winter möglich ist, den Sternenweg zu erwandern.
So geschehen im Hause Irgendlink im Winter 2010. Als absoluter Neuling in Sachen Wandern und ausgestattet mit ein paar Wochen Zeit und ein paarhundert Euro, fragte ich mich, wie es wohl aussieht im Winter in Nordspanien. Wie kalt ist es, wieviel Regen erwartet mich, wo finde ich eine Unterkunft und vor allem: wie komme ich überhaupt nach Saint Jean Pied de Port, jenem kleinen Städtchen an der Nordseite der französischen Pyrenäen, in dem sich zahlreiche Nordeuropäische Zweige des Jakobswegs zum Camino Frances bündeln?
Die Hinweise über Winterbegehungen des Jakobswegs im Internet waren nicht sehr aufschlussreich. Also blieb nichts übrig, als es einfach auszuprobieren. Hier eine Kurzanleitung, wie die Pilgerwanderung im November und Dezember 2010 prima funktionierte:
Den Jakobsweg im Winter wandern – nützliche Tipps und Infos
- Wie komme ich nach Saint Jean? Per Bahn über Paris für ca. 180 Euro. Dauert ab Saarbrücken einen ganzen Tag. In Paris muss man vom Ankunftsbahnhof (in meinem Fall dem Gare de l’Est, an dem die Züge aus Nordosten ankommen) mit der Metro (in meinem Fall Linie 4) zum Bahnhof Montparnasse, von dem die Züge nach Südwesten fahren. Tipp: genug Wasser und ein paar Brote mitnehmen.
- Pilgerherbergen: in Saint Jean sagte man mir im Pilgerbüro, in dem man sich registrieren kann und einen Pilgerpass erhält, dass das Büro immer geöffnet ist, bis der letzte Zug aus Bayonne (dem Umsteigebahnhof aus Paris kommend) eingetroffen ist. Die Freiwilligen, die im Büro arbeiten sind meist selbst schon gepilgert. Sie führen einen zur Herberge. Und erklären einem alles Nötige für die ersten Tage. Auch erhält man eine Liste mit allen voraussichtlich geöffneten Herbergen bis Santiago.
- Orientierung: Man kann den Weg ab Saint Jean ohne Karte laufen. Die gelben Pfeile am Weg sind unübersehbar. Meist trifft man auch andere Pilger, bzw. kann nach dem Weg fragen.
- Herbergen: in vernünftigen Abständen von fünf bis max. fünfzehn Kilometern finden sich offene Herbergen am Weg (siehe Liste, die du in Saint Jean erhältst. Fast alle gelisteten Herbergen waren auch tatsächlich geöffnet). Hotels und Pensionen sind auch nicht allzu teuer.
- Preise: zwischen null Euro auf Spendenbasis und zwölf bis fünfzehn Euro in privaten Herbergen, Hotel im Winter verhandelbar ca. fünfzig Euro im Dreibettzimmer. Essen: Pilgermenü acht bis zwölf Euro. (Stand 2010)
- Eigener Schlafsack: im Winter ratsam
- Versorgung am Weg: es gibt Lebensmittelläden, Bars, Cafés und Restaurants in allen größeren Dörfern. Die Herbergen haben meist Gemeinschaftsküchen, in denen man sich etwas kochen kann.
- Vegetarisch: kompliziert, Selbstversorgung ist angesagt.
- Hygiene: von blitzsauber bis okay (Regelfall) zu schwieriger Umstand ist alles dabei.
- Freundlichkeit der Menschen: sehr.
- Sprache: Spanisch, Hände und Füße, sowie alle Sprachen der Welt. Meist findet sich ein Mitpilger, der übersetzt – ich wanderte mit einem Koreaner, der nur Koreanisch sprach.
- Dauer: von Saint Jean ca. 800 Kilometer in fünfunddreißig Etappen auch als Wanderneuling, der halbwegs fit ist gut machbar.
- Pilgeralltag und keine Blasen mehr an den Füßen: stellt sich nach etwa einer Woche ein.
- Alternative Einstiegsmöglichkeiten: Burgos und Leon (per Flugzeug erreichbar)
- Rückreise per Flugzeug ab Santiago (in meinem Fall unterwegs ca. zwei Wochen vor Ankunft in Santiago durch die Homebase gebucht für ca. 120 Euro)
- Einsamkeit: Auch im Winter trifft man immer wieder andere Pilger. Je näher man an Santiago ist, desto mehr. Oft spanische Wochenendpilger. Ab Portomarín, dem letzten Ort, ab dem die magischen hundert Kilometer überschritten werden, damit die Pilgerschaft anerkannt wird, laufen deutlich mehr Menschen, aber dennoch war es nie überlaufen.
- Mit Hund: im Winter sehr anstrengend, da das Hundchen meist nicht in die Herberge darf.
- Gepäck: Faustformel ein Zehntel deines Körpergewichts. Realität: man hat meist viel zu viel dabei (in meinem Fall knapp fünfzehn Kilo), sendet das Übergewicht nach ein paar Tagen heim oder verschenkt es.
- Kleidung: Regenschutz, warme Klamotten, damit man bis minus 10 Grad gerüstet ist. Sehr gute, wasserdichte Wanderschuhe.
- Wetter: von Frühlingswetter über Dauerregen bis tiefstem Winter war alles dabei.
- Weihnachten: die Vorweihnachtszeit auf dem Camino in Spanien hat einen ganz besonderen Reiz.
- Motivation: ob religiös, kulturell, sportlich, sinnsuchend oder kreativ-künstlerisch – die Motive den Jakobsweg zu wandern sind so verschieden, wie die Menschen, die ihn wandern. Allen gemeinsam ist jedoch Weltoffenheit, Toleranz und eine gesunde Portion Neugier.
Fazit: wenn du Zeit hast und Lust und ein bis zweitausend Euro investierst, wird die Pilgertour vermutlich ein unvergessliches Erlebnis.
Eine Galerie mit Bildern aus dem Heiligen Jahr 2010 gibt es hier.
Die Galerie ist wegen Serverinkompatibilität des genutzten CMS nicht mehr verfügbar.
Aus live gebloggten Texten entstand kürzlich das eBook „Schon wieder ein Jakobsweg„, das bei Neobooks und angeschlossenen Vertriebsportalen erhältlich ist.
Im November 2010 bricht der Web-Künstler Jürgen Rinck alias Irgendlink auf zu einem literarischen Experiment, einer Operation am offenen Herzen der Literatur. Auf dem berühmtesten Pilgerweg der Christenheit schreibt er live ein Buch in Blogform.
Schon wieder ein Jakobsweg ist Jürgen Rincks erstes Buch, bei dem sich der Konzeptkünstler während des Schreibens über die Schultern schauen ließ. Während seiner künstlerisch motivierten Pilgerschaft im Heiligen Jahr 2010 verfolgten Hunderte Leserinnen und Leser seine Blogberichte, die er meist nachts auf dem winzigen Touchscreen eines Smartphones aus den Herbergen am Camino Frances postete. Schon wieder ein Jakobsweg nutzt den Alltag am Pilgerweg als Rankgerüst für eine sowohl philosophisch, als auch humorig angereicherte Erzählwelt und zeigt obendrein einen informativen Schnappschuss des Jakobswegwanderns im Winter. Der original Blogbericht enthält zahlreiche Bilder. Das eBook wurde überarbeitet, lektoriert und mit nicht veröffentlichen Beiträgen ergänzt.
Lieber Jürgen,
da bin ich ja mal gespannt. Schrieb nicht Kerouac auch ständig während seines On-the-Road-Seins?
Ich bin gerade im Lake District mit Dina und den Buchfeen gewandert. Das langte mir, immer nur so um 4 Std. tgl. – gemütlich. Ich bin übrigens mal mit einem alten orange VW Käfer und einer Kassette nur von Pink Floyds „The Dark Side of the Moon“ den Jakobsweg gefahren. Ich weiß, das gilt nicht, aber mir hat`s Spaß gemacht.
Liebe Grüße vom Meer
Klausbernd
Lieber Klausbernd, ja, ich glaube schon, dass Kerouac unterwegs schrieb. Unterwegs selbst hat er angeblich in einem Rutsch auf eine Endlos-Papierrolle geschrieben.
Ich erinnere mich, als Du mir in Cley von der Käferbegehung des Jakobswegs erzähltest, dachte ich, hätte das mal Schule gemacht àla Ich bin dann mal weg … Autopilger der Herzen, Du.
vielen dank für sie rückmeldung ob wandern im winter. gute zeit s.