Kauf dich frei mit dem Einkaufswagen-Euro

Bei Aldi, wo mich ein pummeliges Mädchen verfolgte, Fisch, Wein und Butter kaufte und sodann, bei den Handys im Glaskasten, mit mir zusammenrempelte, wir uns entschuldigten.
Doch das tut nichts zur Sache.
Vor der Tür saß ein Bettler. Nein, er kniete und hielt einen Hut, in dem sich einige Münzen befanden. Weil der Bettler so jung war, konnte ich mir Gedanken wie: „Wieso arbeitet der nicht?“ nicht verkneifen. Kam schließlich aber zu dem Schluss, dass es in unserer Gesellschaft einfacher ist, zu arbeiten, als zu betteln. Will sagen. Er macht das nicht zum Spaß und nicht aus Faulheit. Sondern weil er keine andere Wahl hat. Man lässt sich ja so gerne von Äußerlichkeiten blenden. Wenn ein Bild zeigt: junger, gesunder Mann auf Straße hält Hand auf, ist man geneigt, zu krakeelen: „Der Penner, was tut der!? Soll was arbeiten!“ und so weiter und so fort. Das individuelle Schicksal bleibt auf der Strecke.
Ich hab mich oft gefragt, wenn ich einem Menschen begegnet bin, wie er just an dieser Stelle des Lebens landen konnte. Wie er so werden konnte, wie er in dem Moment, als er mir begegnete, wirkte. Egal um wen es sich handelte, egal ob reich oder arm, glücklich oder vom Pech verfolgt. Stets sah ich ein Abbild. Man könnte sagen ein Portrait. Nicht die Wirklichkeit. Die Wirklichkeit, das ist der Rattenschwanz an Erlebnissen und Verquickungen, die den jeweiligen Menschen bis hierher, bis direkt vor meine Augen gebracht hat.
Es ist die bösartige Fratze des Vorurteils und der Ignoranz, die einen die Bilder, die man sieht, so interpretieren lässt wie man sie interpretiert.
Wie dem auch sei.
Mit einem schmutzigen Einkaufswagen-Euro kaufte ich meine Gedanken frei, verstaute leckere Lebensmittel im Auto und fuhr zurück zum einsamen Gehöft.

4 Antworten auf „Kauf dich frei mit dem Einkaufswagen-Euro“

  1. …es mag sehr oberflächlich klingen…
    Doch ich denke mir dabei immer, wie es ein Mensch schafft, so lange auf den Knien zu sitzen??
    Noch dazu in dieser Kälte…
    Arbeitsscheu oder nicht, allein das hat schon ein wenig Lohn verdient.

  2. Wir leben in Deutschland, in dem Land, in dem (noch) Milch und Honig fließt, auch wenn der Strohm dünner geworden ist. Niemand muss auf der Straße leben und niemand muss ver-hungern, wenn ihn der Stolz nicht daran hindert. Anders sieht es allerdings bei denen aus, die illegal hier sind, die sind auf Hilfe angewiesen.
    Man sollte ein Gesetz einführen, mit dem die, die sich illegal hier aufhalten, eine Bettelerlaubnis bekommen. (c;

  3. na toll…..mal wieder einen Geburtstag nicht mitbekommen…..
    Ich wünsche Dir trotzdem alles Liebe nachträglich…..
    Und wenn ich es tatsächlich mal auf das einsame Gehöfft schaffe, bring ich was Leckres mit….
    Wenn ich so drüber nachdenke, und hoch gucke auf Birgits Eintrag….wäre mal eine Überlegung wert;
    Zu Birgit fahren, sie ins Auto packen und einfach Richtung Saarbrücken fahren….
    Doch, darüber werd ich mal nachdenken…..
    Und was Deinen Eintrag betrifft; mir ist absolut egal, warum jemand bettelt….ich geb immer was….Durst, Hunger
    und Verlangen nach seinem Suchtmittel sind was Schlimmes….

Schreibe einen Kommentar zu kokolores Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: