Tag 2 der 2. Etappe (Tag 10) im Rückblick | #UmsLand Bayern

Diesiger Schwerlasthimmel dimmte Irgendlinks Laune heute Morgen zwischenzeitlich, dafür stieg die Gefahr eine Art Wiesen- und Braunvieh-Koller zu bekommen, minütlich.  Beim Weiler Haag, kurz vor Oy erreichte der Bodensee-Königssee-Radweg fast die 1000 Meter-über-Meer-Marke. Weit ist er schon gekommen, unser Bayern-Forscher Irgendlink.

»Staunend schweift der Blick über Wiesen und die Autobahn Ulm-Füssen«, twitterte er von unterwegs.

Ab Füssen fährt er der Lech aufwärts Richtung Süden, Richtung Österreich und grüessecht sich quasiberndeutsch ins Tirol. Und dann ist da auf einmal doch noch Sonne. Schließlich hat er auf dem Campingplatz Heiterwang eingecheckt, die erste Zeltnacht der Saison. Zur Feier des Tages soll es heute Nacht drei Grad kalt werden. Gut zu wissen, dass er für solche Temperaturen ein paar Heiztricks auf Lager hat. Und warme Klamotten im Gepäck. Möge er nicht frieren, nicht allzu sehr.

Das heutige Wegstück (Track) könnt ihr hier → gucken.

Oder hier (ungefähr):

Direkter Link zur Karte

[Zum Tourplan geht es hier lang.]

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Hier nun ein paar Bilder von Irgendlinks zweitem, respektive zehntem Reisetag:

Kurz vorm Hopfensee hat ein Blechkünstler Drachen und Ritter vor seinem Atelier drapiert.


Du kommst hier nicht rein in Hopferau.


Hochoffiziell weist das Standesamt Füssen ein Liebesschlossareal aus. Im Hintergrund Mang Kloster und Kirche.


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Herzlich aus der Homebase
Eure Sofasophia

Wie der Hobble Frank und die Tante Droll den Rattenfänger von Hameln trafen #UmsLand Bayern

Gestratz, was für ein komplizierter Ortsname, sagt Frau SoSo im Gespräch mit unserer Wirtin gestern. Aber die Wirtin weiß Rat. Man kann sich das prima an dieser Anekdote merken: Während der Messe huschte einst eine Ratte, eine Ratz, wie man hier zu Lande sagt, um den Altar. Da hob der Pfarrer gebieterisch die Stimme und befahlt ‚Gehst Ratz, störe unsere Messe nicht‘. Diese und weitere Geschichten erfahren wir zwischen Tür und Angel, als wir das Zimmer bezahlen. Etwa, dass Gestratz mittlerweile auf Bundesebene beim Wettbewerb ‚Unser Dorf hat Zukunft‘, ehemals ‚Unser Dorf soll schöner werden‘ mitspielt. Das erklärt auch die gut fünfzig Banner, die an der steilen Straße hinauf zum Ortsteil Brugg aufgestellt wurden. Banner mit Wappen und Namen anderer Ortschaften der Gegend. Und vielleicht erklärt es auch das freie Wlan am Dorfplatz, denn man tut viel für die Bürgerinnen und Bürger in Gestratz. Internet ist Mangelware im östlichen Landkreis Lindau, stelle ich unterwegs fest. Weder Telekom, noch Vodafone betreiben hier Funkmasten von Rang und Namen und überall, wo man fragt, in Bäckereien und Läden, erhält man die gleiche verschämte Antwort, wir haben kein Wlan. Wir haben doch selbst nicht genug. Seit einem Jahr warten wir auf Glasfaserkabel …

Zack, im Sattel. Nach nur etwa drei Kilometern Welpenschutz kurbele ich serpentinös aus Röthenbach heraus. Landstraße. Baulaster ächzt, kaum schneller als ich, an mir vorbei. An mir und vier weiteren Radlern. Vorher im Dorf begegnete mir eine Reiseradlerin. Der Bodensee-Königssee-Radweg ist sehr beliebt, gilt, so weit ich weiß, als Premiumradweg.

Es geht mächtig zur Sache. Der erste Gang ist mein bester Freund. Die Landschaft? Hügelig grün, Kühe, einzelne Gehöfte, im Hintergrund garstige, schneebleckende Berge. Eisiger Wind.

Vier Grad, erzählt mir ein Wanderer. Wir begegnen uns in einer Art Hochtal zwischen Hohenstaufen und Alpsee. Die Schneefalllinie reicht bis fast zu uns herunter. Nachts habe es geschneit, sagt der Mann, es soll besser werden. Ein bisschen erinnert mich die Szene ans Dovrefjell an der E6, südlich von Kristiansand, nur in lieblich, in eng, in dicht besiedelt. Oft genügt ja ein winziger Impuls, um der Erinnerung Freigang zu verschaffen: Rinnsäler lösen sich aus Eis und Schnee und fließen lechzend ins Grün. Am Rand der Zeit lauert Frühling. Aber: eine zweispurige Bahnlinie, eine fette Bundesstraße, in jedem kleinen Ort ein Handel mit Traktoren, Schneescootern, Räumfahrzeugen, kaum ein Lebensmittellladen oder eine Bäckerei. In der Tat sind viele Auslagefenster von ehemaligen Läden verklebt mit Zeitung. For ever stengt, für immer geschlossen.

Der Wanderer ist Sachse und lebt schon seit 22 Jahren hier. Er klärt mich auf, dass man die Oberallgäuer niemals Bayern nennen soll. Das mögen sie genauso wenig wie die Franken, mutmaße ich, und weiter, womöglich gibt es in Bayern gar keine Bayern, sondern nur ein Konglomerat vieler Irgendwasanderer und die einzigen Bayern, die in Bayern Bayern genannt werden dürfen, sind die BAYERN, elf Männer, die vor Millionenpublikum einen Ball treten?

Ich scherze. Mein zweites Ich ist ein Clown, der mich stets bei Laune hält, wenn ich bei vier Grad Gegenwind bergauf kurbele und von irgendwo ein satter Regenschauer droht.

Ich taufe den Wanderer und mich Hobble Frank und Tante Droll und wir sind uns soeben in den Great Plains begegnet und haben, in alter Karl May-Manier, lauthals auf sächsisch losgeplaudert, als wir erkannten, dass wir beide aus Ratzeburg stammen.

Ne, da stimmt was nicht. Ich bin doch Pfälzer. Schluss jetzt, Kopfclown. Vorbei am Alpsee, welch Kleinod!

In Immenstadt kommt mein lustiges Gemüt wieder zur Raison. Endlich einkaufen (Schokolade). Zwei Männer vorm Discounter, der eine zum andern: Na, alles klar? Darauf der andere zum einen: Alles fest in deutscher Hand! Ich zu mir selbst: Endlich schnelles Mobilfunknetz!

Und was für eins. Durch eine kilometerlange Birkenallee bleibt mir das Netz bis weit jenseits der Iller ungefähr bis zum Berg Grünter treu.

Ich frage mich nach Zimmern durch. Am Rottachsee gebe es Restaurants. In Moosbach am Nordufer, nicht auf der Seite, an der der Radweg verläuft, solle ich mein Glück versuchen. Der Rottachsee ist eine gigantische Talsperre.

Ein zig Meter hoher, wiesenbewachsener Damm steht plötzlich vor mir, als ich mich verirrt hatte. Surrealerweise kommt gerade eine Gruppe von dreißig, vierzig Schulkindern aus einer Tür in diesem ansonsten nur grünen Damm. Ein Mann begleitet die Kinder und ich phantasiere, der Rattenfänger von Hameln bringt endlich die Kinder zurück. Mein Rattenfänger entpuppt sich als Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamts. Er erklärt mir, dass sie gerade unter dem Damm eine Führung in die Technik des Bauwerks gemacht hätten. Und nein, sie würden mir nicht helfen, das Radel die Treppen hinauf zu tragen bis zur Staumauer.

Also kurbele ich über Waldwege außen rum, spähe schon nach Wildzeltplätzen, denn man weiß ja nie bei solch potemkinschen Gästezimmern, was dahinter steckt.

In der Tat sieht die Rottachstubn ziemlich geschlossen aus. Ich finde eine Telefonnummer und, Gott seis getrommelt, das Hotel ist in Betrieb, nur das Restaurant ist zu. Für 59 Euro kaufe ich mich frei.

Entfernung zum Mittelpunkt Bayerns 169,3 Kilometer.

Tag 1 der 2. Etappe (Tag 9) im Rückblick | #UmsLand Bayern

Willkommen zurück auf der Straße. Auf den Radwegen Bayerns um genau zu sein. Schön, dass ihr wieder mitradelt!

Hätte-hätte-Fahrradkette! Hätte ich gewusst, dass Irgendlink sein Tellerchen und seine Kaffeetasse zuhause vergessen hat, hätte ich ihm natürlich meins mitgegeben. Jetzt muss er seinen Kaffee halt aus dem Trangia-Topf trinken und aus dem anderen Trangia-Topf sein Essen löffeln oder so.

Doch heute Abend dürfte sich dieses Problem noch nicht stellen, denn heute Nacht schläft er – der Kälte geschuldet – in einem Gästezimmer. In der Rottachstubn in Moosbach.

Heute Morgen hat er sich in Gestratz auf dem Dorfplatz in die Route, die er im Herbst verlassen hat, eingefädelt, von wo aus er die nächsten Tage weiter ostwärts Richtung Königssee radelt.

Zum ungefähren Tourplan geht es hier ⇒ lang.

Herr Irgendlink samt vollgepacktem Rad auf dem Gestratzer Dorfplatz vor Pflanzenskultpur, Maibaum und alter Kirche.
Herr Irgendlink samt vollgepacktem Rad auf dem Gestratzer Dorfplatz vor Pflanzenskultpur, Maibaum und alter Kirche.
Irgendlink winkt vom fahrenden Radel aus zurückblickend vorwärts.
Irgendlink winkt vom fahrenden Radel aus zurückblickend vorwärts.

Das heutige Wegstück (Track) könnt ihr hier → gucken.

Oder hier (ungefähr):

Direkter Link zur Karte

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Hier nun ein paar Bilder von Irgendlinks erstem, respektive neuntem Reisetag:

Der Traumzauberbaum der Künstlerinnen Sig & Gis (Siglinde Knestel und Gisela Vüllers) ist ein abgestorbener Birnbaum, der mit Flaschenverschlüssen benagelt wurde und teils kunstvoll geschnitzt. 2016 wurde er gestaltet.


Drei Allgäuer Braune fläzten am Wegrand kurz vor Bühl am Alpsee


Ein ‚Dukommsthiernichtrein‘ der ganz besonderen Art in eunem Dorf unterhalb des Bergs Grünter.


Das Feuerwehrhaus in Vorderburg in knallorange ist ein herausragender Blickfänger in dem etwa 850 Meter hoch gelegenen Dorf.


Die Geratser Wasserfälle liegen nur etwa 300 Meter abseits des Bodensee-Königsse-Radwegs. Der Abstecher lohnt, auch wenn man dafür ein Stück steil abwärts und wieder aufwärts radeln muss. Neben diesem natürlichen Wasserfall befindet sich im Rücken des Betrachters ein künstlicher Wasserfall, der über eine Mauer aus wuchtigen Quadern ins selbe Bachbett stürzt.


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Wie immer und immer wieder gern grüße ich euch herzlich aus der Homebase
Eure Sofasophia

Weites, grünes Land #UmsLand Bayern

Verflixter Auftrag! Mit DEM Zweibrücker Barden per se soll ich per Radel rund um Rheinland-Pfalz ackern. Ein kleiner Privat-Fernsehsender ist unser Auftraggeber. Es gibt ein wenig Patte. Der schmierige Redakteur brieft uns, dass die Reise zuerst nach Steinbach geht, wo wir zum Privatleben des Schlagerduos Ernst und Erika recherchieren sollen. Erika sei kürzlich auf Mallorca gestorben und habe einen Haufen Steuerschulden hinterlassen.Beim Tourstart können der Barde (der die Radtour in mittelalterlicher Kluft absolviert) und ich uns noch nicht einmal die Socken anziehen.

Ich ziehe die Bettdecke zur Seite. Blick aus dem Fenster. Allgäuszene. Weites grünes Tal. Sattschwangeres Gewölk in den Hügeln südlich. Sehr gut. Das verdeckt die garstigen, schneebedeckten Berge, die sich dahinter befinden. Die Bregenzer Alpen. Oder die Vorarlberger? Rechts im Bild vermutet man den Pfänder, den wohl bekanntesten Berg nahe Bregenz. Gestern brachte mich Frau SoSo, die auch die Homebase für diese Blog-Reise-Expedition rund um Bayern sein wird vom Aargau in der Schweiz hierher. In der Gegend um Sankt Gallen hat man einen wunderbaren Blick auf die weiß gefleckte Gesteinswüste. Was heißt wunderbar? Das Herz sackt mir in die Hosentasche. In alle nur erdenklichen Hosentaschen und wir sausen hinab zum Bodensee über eine schiefe Ebene, immer wieder lenke ich dei Augen nach links, nach Norden, wo Lieblichkeit und Grün und Frühling liegt und immer wieder zieht eine sensationshungrige Macht den Blick nach rechts, hin zum Monster unterm Bett namens Mai-Winter 2019, skizziert Vorstellungen von ungeräumten, beschneiten Fernradwegen, die man schiebend im Schneegestöber …

Österreich dann. Chaotische Verkehrsführung über schmalste Sträßchen. Im Vorbeizischen erkennt man ellenlange Botschaften auf Schildern, kleine Romane, die der vorbeizischende Reisende niemals auf einen Blick lesen kann. Etwas mit Maut und Vignette und etwas mit Gewicht größer und oder kleiner 3,5 Tonnen. Nach dem dritten Schild ist die Botschaft endlich klar: Schwere Fahrzeuge müssen Maut zahlen und leichte Fahrzeuge brauchen eine Vignette. Aber da sind wir längst auf der Autobahn und steuern auf ein schwarzes Loch in einer zig Meter hohen Granitwand zu. Der Pfändertunnel. Jetzt klingelts. Ich erinnere mich an fiese Berichte über Autofahrer, die aus Deutschland in die Schweiz fahren, nur ein kurzes Stückchen und in diese elende Mautfalle tappen, weil alles viel zu schnell geht, alles so wischi-waschi. Egal, wenden unmöglich. Der Tunnel zieht sich, wir sind illegal. Grenzen. Andere Sitten. Scheiß Falle. Ich wittere hinter jeder Biegung, die der unendlich krumme, unendlich lange Pfändertunnel macht eine Radarfalle, Polizeikontrolle, Piefke-Abzocke. Hinterm Tunnel nehmen wir die erste Ausfahrt, weiter gehts über Land. Keine Ahnung, ob bald Post aus Österreich zu erwarten ist.

Wieder in Deutschland, in Bayern ertelefonieren wir dieses Zimmer auf einem Bauernhof in der Gemeinde Gestratz. Das ist die Nahtstelle meiner im letzten Sommer begonnenen Radtour rund um Bayern. Hier mündet meine Runde in den Wurmfortsatz, der auf dem Radweg Bodensee-Königssee hinunter führt nach Lindau. Ab hier beginnt also Neuland, wenn ich in die andere Richtung über Röthenbach nach Immenstadt weiter radele. Perfekt. Bei der Pension Prinz stelle ich fest, dass ich die Gegend kenne. Direkt unterhalb dem Weiler Schweineburg liegt unsere Unterkunft, fast direkt an der Strecke, die ich letzten Sommer geradelt bin. Tag sieben.

Nachher werde ich ab Dorfplatz Gestratz starten. Dort gibt es auch WLAN. Das ist die Hoffnung für die Reise, freie WLANs in den Ortszentren, denn weder Vodafone, noch Telekom decken die von Höfchen durchdrungene Gegend ab. Das Netz ist so schlecht, dass die Menschen, die in den Höfchen wohnen eine unendlich langsame Festnetz-Leitung haben und so gut wie abgeschnitten sind von der Weltweitenwebwelt.

Weites, grünes Land. Es klingelt. Das ist der Werbespruch des Donnersbergkreises, meiner alten Heimat. Weites, grünes Land. Vielleicht hatte ich deshalb diesen verrückten Traum, mit dem dieser Beitrag beginnt. Steinbach liegt am Fuße des Donnersbergs. Das ist weit weg. Und von Steinbach nach Erika ist die Assoziationskette auch klar. Etliche Wahlkampfschilder, die am Straßenrand mit dem Thema Heimat hausieren gehen, tun ihr Übriges. Das schwierige Anziehen von Socken durch Männer über Fünzig ist nur das Tüpfelchen auf dem I des Traums.

Apropos weit weg, zum Mittelpunkt Bayerns bei Kipfenberg bei Ingolstadt zwischen Nürnberg und München sind es genau 174,4 Kilometer.

Wurde je ein gutes Buch auf der Autobahn geschrieben? #UmsLand Bayern

Es ist kompliziert. Dass ich mit dem Auto zum Einstieg in den zweiten Abschnitt meines Radreiseprojekts #UmsLand/Bayern anreise gefällt mir überhaupt nicht.

Jedoch ist es der einfachste Weg. Zugfahren ohne Gepäck ist gruselig genug. Mit Gepäck oder gar Fahrrad muss es der reine Horror sein.

In diesem vermaledeiten Jahr 2019 habe ich noch kaum eine Zugfahrt mit der DB mit geringerer Verspätung als eine Stunde absolviert. So scheint mir das Auto die beste Lösung. Für den eleganten Weg, die dreihundert zusätzlichen Kilometer von der Pfalz zum Bodensee zu radeln, fehlt mir leider die Zeit. Ich bin spät dran, habe schon drei Tage verloren, weil ich unbedingt das Projekt Radelgalerie während des Zweibrücker Straßentheaterspektakels durchziehen musste. Immerhin brachte die Aktion im Getümmel und dauerbeschallt von etlichen Kapellen, die nicht immer eingängige Musik spielten, auch ein paar Kröten in die klamme Künstlerkasse.

Nach dem Fest, sonntags war ich zu erschöpft, um wie geplant noch ins Basislager in die Schweiz zu fahren und schon montags nach Lindau zu fahren.

Die Wetteraussichten sprechen mich frei. Der Frost wird ab Donnerstag enden, wenn man den Apps glauben darf. Das Zögern arbeitet für mich.

Es wird schwer, die Zeit zu verlieren, das Werten, das Rechnen, all das, was das Menschsein mitunter ausmacht. Zeit und Geld, ach Ballast! Ballast, der den künstlerischen Prozess behindert. Es ist wie Brandung, die gegen Kaimauern schlägt. Zermürbend, unerbittlich. Wer sich dem aussetzt, wird zernagt. Sich dem zu entziehen ist fast unmöglich, es sei denn, naja, es sei denn, man lässt sich auf das Gegenteil ein, den Teufel namens Langsamkeit. Ein zwei Mal im Leben habe ich diese Erfahrung gemacht, nicht rechnen zu müssen, mich nicht nach Zeiten und Konventionen zu richten. Ein zwei Mal auf langen langen Radtouren, die schon Jahre zurück liegen. Es stellt sich irgendwann ein Gefühl der Unendlichkeit ein. Es sind diese kostbaren Momente, in denen man sich tatsächlich ein bisschen unsterblich fühlt, weil man keinen Anfang mehr kennt und kein Ende vermutet. Alle Zeit der Welt wird in Momente verwandelt. Die Uhren stehen still. Der Geldbeutel ist leer und voll zugleich und was sich darin befindet und nicht, spielt keine Rolle. Dann klappts auch mit dem Hirn. Das Denken nimmt eine ungeahnte Wendung und die Schreibe verändert sich und die Fotos, die du unterwegs – wie so ein Fischer – im Schleppnetz des Alltags einfängst zeigen das wahre Gesicht der Welt, nicht die geschönte, unheimlich langweilige Touristenversion.

Manchmal wünsche ich mir dieses Gefühl, das sich erst nach vielen Wochen Radfahren und ‚aus der Zeit gefallen sein‘ einstellt von Anbeginn einer Tour an. Diesen faszinierenden Alltag, in dem alles wie von selbst fließt, In dem Radfahren, Denken, Schreiben und Fotografieren nach geheimer Choreografie eine Art Tanz aufführen und sich ohne jegliches Zutun im Takt der Pedale ein stimmiges Gesamtkunstwerk entfaltet.

Geduld, Monsieur Irgendlink, Geduld. Die ersten Kilometer im Sattel werden dich schon weichklopfen und auf Linie bringen.

Wurde je ein gutes Buch auf der Autobahn geschrieben?