Eine Art Ruhetag in der heimeligen Wiege des Sattels – von Hohenberg/Eder nach Joditz/Saale #UmsLand/Bayern

Zwei Tage mit halber Kraft. Der vorgestrige mit echter halber Kraf, der gestrige mit bewusst eingesetzter halber Kraft. Wobei mich der Gedanke reizt: vom Einsetzen nicht vorhandener Kräfte, was zwar ein bisschen hanebüchen scheinen mag, dennoch, ich stelle es mir ein bisschen vor wie Judo. Der Ogoschi des feinen Radreisens sozusagen. Es gibt ja keine Nichtkräfte, sondern nur Kräfte, die sich gegen einen richten oder die mit einem sind oder die an einem vorbei Kraft ausüben oder die irgendwo da draußen sind und keiner nimmt sie wahr und dennoch sind sie da und wirken. Vermutlich die Mehrheit aller Kräfte, sowohl physisch, als auch psychisch …

… als Reiseradler habe ich es mit Bergen, Wind, sowie etwas abstrakter mit Regen und allegemeinem Unwohl- oder Wohlsein zu tun, wobei die genannten Kräfte, wie man am Beispiel Wohl- oder Unwohlsein sieht aus ihren Gegenteilen bestehen. Bergauf gleicht aus bergab. Gegenwind gleicht aus Rückenwind. Hinter allem Unwohlsein wartet stets das Wohlsein.

Idealerweise, schreit mein innerer Buddhist, würden die Kräfte sich gegeneinander aufheben und man wäre nie losgefahren, sondern brav in seinem heimischen Kontinuum verharrt. Okay, auch das ist hanebüchen. Es ist vielleicht ein Träumchen vom Seelenheil oder vom Heilsein, in dem alles zum Stillstand gekommen ist, man selbst wie die Welt, eine Rückkehr zu einem mutmaßlichen Beginn allen Seins. Und was weiß denn ich von buddhistischer Lehre, plappere stattdessen solches Zeug vor mich hin.

Früher Morgen Frösche quaken im Auenweiher, der mittem im Campingplatz von Joditz liegt. Ein vielleicht hundert Meter durchmessendes Wässerchen mit einer Insel, auf das man mittels einen Floßes gelangen kann, welches per Seilzug bedient wird. Kinder und Jugendliche haben ihren Heidenspaß dabei, das Floß, das wie eine bewegliche Inselfestung zwischen den Ufern schwimmt zu benutzen. Gestern abend saßen zwei Mädchen stundenlang darauf, kichernd, plaudernd. Danach eine junge Familie, wobei die beiden vier bis sechsjährigen Sprößlinge jede Mühe hatten, das träge Ding zu bewegen. Das Floß lässt nur zwei Richungen zu, da es an einem Seil durch Ösen geführt wird. Ein tolles Kraftbild, denke ich. Es geht entweder vor oder zurück. Das Ufer die Geburt, die Insel der Tod, hanebücht mein Hirn. Egal, nettes Bild. Man schuftet sich rüber und kann auch wieder zurück. Das ist im Leben natürlich nicht möglich. Vermutlich.

Meine Begegnung an der Salzach kommt mir in den Sinn, mit dem Mann, der ein Pferd war und der von sich sagte, ich war einmal Buddhist. Ich war! Woher wusste er, dass er einst ein Pferd war? Wieso weiß ich nicht, dass ich einmal etwas anderes war, eine Schnecke, ein Huhn oder eine Katze? Wieso sprach er von sich als Buddhist in der Vergangenheitsform?

Man kann wohl vom Buddhismus abfallen wie von jeder anderen Religion.

Die vorgestrige Strecke bis Hohenberg also mit halber oder noch weniger Kraft, weil der Körper nach sieben Tagen auf dem Fahrrad eben total erschöpft und ausgelaugt ist. Die gestrige von Hohenberg über Hof nach Joditz mit bewusst nur halber Kraft, um so eine Art Ruhetag in der heimeligen Wiege des Sattels zu simulieren. Die Anstiege auf den letzten Kilometern des nördlichen  Grünes Dach Radwegs (GDR) sind nicht mehr ganz so streng wie die dreihundert Kilometer davor. Man radelt durch eine oder mehrere jener Wie-Landschaften, die man sich zuvor im Leben anderswo erschuftet hat.

Hier sieht es aus wie auf dem Selztalradweg. Donnersberg voraus, denke ich. Später eine Art Moor, wie jüngst in Arrach. Ewiger Nadelwald wie Schwarzwald und viel Schweden ist dabei. In Nentschau endet der GDR. Ein sehr treffender, stiller End- bzw. Anfangspunkt. Weiter gehts auf dem Vogtlandradweg und der Radroute Hof 10, zunächst in die falsche Richtung. Erst beim Grenzöffnungsdenkmal hinter Nentschau merke ich, dass ich nach Sachsen oder Thüringen unterwegs bin. Hatte ich erwähnt, dass ich mich auf jeder Radtour etwa zehn Prozent der bereisten Strecke verirre?

Vogtland und Hof 10 verdient den Status Radweg eigentlich nicht. Zu viele Kilometer nahe Vierschau verlaufen auf einer zwar ruhigen, aber bissigen und schnell befahrenen Landstraße. Es macht einfach keinen Spaß, sich ständig nach Mitmenschen umzuschauen, die mal eben schnell ans Handy gehen bei hundert Sachen.

Eine Feuerwehr unterwegs. Ich frage nach Wasser. Feuerwehr hat immer Wasser für Radlers. Ab Hof auf dem Saaleradweg. Ich hatte ihn nicht mehr im Sinn. Es ist zu lange her, dass ich die Radroute plante. Wenn ich früher dran gewesen wäre, hätte ich einen Abstecher nach Schwarzenbach ins Comic-Museum machen können. Nur neun Kilometer in die andere Richtung. Man hätte mir die Tür vor der Nase zugemacht.

Also auf durch Hof, entlang nerviger Feierabendverkehrsstraße, zwar auf separatem Radweg direkt am Fluß. Nach der Stille des Grünen Dachs tut jedes Geräusch weh, das nicht natürlich ist. Das Grüne Dach, so könnte man sagen, sensibilisiert für Stille, rekalibriert den aus den Fugen geratenen, pervertiert in Hektik Lebenden. Eine Kraft? Vermutlich ja.

Also schnell durch Hof durch. Einkäufe hatte ich klugerweise schon in Nentschau in einer kleinen Bäckerei erledigt, inklusive Milch aus dem Automaten.

Hinter Hof zwei Radwegumleitungen. Über Holperpfade. Mit ultrasteilen Steigungen und abartigen Gefällstrecken. Durch Wald auf Kieswegen. Wie um dem Grünes-Dach-Radelnden den kalten Entzug zu verhindern.

Unterwegs treffe ich erstmals wieder auf andere Radelnde. Zwei Frauen aus Leipzig auf dem Weg Saale abwärts. Die mir den Campingplatz verraten. Joditz im Auland, wo man darauf schwört, dass Paris, Venedig und wie sie alle heißen so weit weg sind und es hier doch auch schön ist.
Stimmt.

Tag 9 der 3. Etappe (Tag 30) im Rückblick | #UmsLand/Bayern

»Naufi gehts auf den in . Und wer dachte, der sei eitel Flussweglein, der täuscht sich bitter. Es ist die Fortsetzung des Radwegs mit anderen Mitteln. Aber schön.
/Bayern «, textete Irgendlink heute Nachmittag.

Auf dem Rennstein sei es unheimlich gewesen, schrieb er mir vorhin. Kalt und windig. Nun hat er einen Platz weiter unten gefunden, nahe Kronach, auf einer Wiese, für die er gefragt hat, ob er das Zelt stellen darf. »Sonne, recht warm hier unten.«

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Auf Mastodon und Twitter trötet und twittert Irgendlink seine Reise direkt und unmittelbar. Lest dort über seinen heutigen Tag – und über alle kommenden.
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https://twitter.com/irgendlink

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Hier die nur sehr ungefähre heutige Strecke bei Guugl.

Den heutigen Track im Gesamtkontext seht ihr hier (Ausschnitt).

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Das ganze Projekt auf einen Blick (Opencycle-Karte) gibt es hier zu sehen: Vollbildanzeige

Die allererste Guugl-Skizze findet ihr hier: Skizze

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Liebgrüßt aus der Homebase
Sofasophia

Von Jorditz nach Heinersdorf über den Rennsteig – #UmsLand/Bayern

Gut möglich, dass ich es auch dieses Mal nicht schaffe, die Runde um Bayern zu beenden. Ich bin total erschöpft. Nun müsste nur noch ein technisches Problem auftauchen oder eine massive Wetterverschlechterung und ich könnte mir vorstellen, beim nächsten Bahnhof abzubrechen. Es gibt zwei Arten des Scheiterns, wird mir heute Morgen klar. Das produktive Scheitern, wenn man sich danach wieder aufrappelt, den Staub aus den Klamotten klopft und weiter arbeitet an der Sache, bei der das Leben ins Ruckeln kam. Sowie das endgültige Scheitern, dann, wenn man alles hinschmeisst, den Rücken kehrt, abschließt.

Ich ahne, dass ich Bayern nie zu Ende umrunden werde, wenn ich es dieses Mal, vier Jahre nach der Reise auf dem ersten Abschnitt, nicht schaffe. Ich würde vermutlich nicht noch einmal hier herauf in den nördlichsten Zipfel ackern per Zug und Fahrrad. Zu fern die Sache, zu abgehackt, totgewürgt, so denke ich gestern Abend leichtfertig achja, wieder einmal scheitern, warum nicht, machste halt andermal weiter. Blauäugig das bis dahin noch nicht bestimmte endgültige Scheitern vor Augen.

Wieder habe ich mehr als 2000 Höhenmeter in den Beinen. Achtzig Kilometer geradelt seit Jorditz an der Saale. Bleiben Sie doch hier, sagte die Campingplatzbesitzerin, wir haben ein Fest am Vatertag, Geselligkeit, Jubel, Musik. Vierzig Jahre Holzhütte gibt es zu feiern und eben Vatertag. Zweifellos, ich sehe aus wie ein Tourist, bin es ja auch irgendwie, aber irgendwie auch nicht. Ich verkneife mir, zu sagen, ich arbeite hier, alles, was Sie ab jetzt sagen wird verbloggt.

Der Zeltplatz, rings um einen kleinen Weiher gebaut ist, einer der wenigen Plätze direkt an meiner Route. Zunächst hatte ich überlegt, noch weiter zu fahren, etwa 15 Kilometer Saale abwärts bis nach Blankenstein, wo es auch einen neuen Zeltplatz gäbe, verrieten mir meine beiden Radelkolleginnen, mit denen ich eine Weile gemeinsam radelte.

Was für ein Glück, dass ich das nicht tat. Der Saaleradweg ist alles andere als ein typischer Flussradweg. Bei einem Aussichtspunkt nahe Potiga bringt es ein wettergegerbter Tourenradler ironisch auf den Punkt: Flussradwege sind einfach deshalb so beliebt, weil es immer schööön flach verläuft. NICHT!

Ein elendes Auf und Ab, aber tolle Strecke, gute Beschilderung, liebliches Ländchen. Bei der Aussichtsplattform, die wie eine Kanzel weit übers Saaletal ragt, ruhe ich ein wenig. Ein radelndes Paar aus der Schweiz trudelt ein, eine Truppe aus etwa 15 jungen Menschen auf einer Art Schulausflug, vermute ich, die beiden Tourenradler, von denen der eine so ironisch übers Flussradwegen tönte. Sie wollen das Grüne Dach erradeln und in Tschechien ein wenig durch die Sumava, kennen die Strecke offenbar schon – ich verstehe in diesem lädierten, von bissigen Anstiegen seit Tagen geplagten Zustand nicht, wieso man das ein zweites mal macht! Wie masochistisch kann man denn sein.

Okay, Grünes Dach, Stille, kaum Menschen, das hat was. Wenn ich einmal alt und müde geworden bin, könnte ich mir vorstellen, beim Aussichtspunkt nahe Potiga zu sitzen, Radelnden aufzulauern, und ihre Geschichten aufzuschreiben. Velostationäres Radfahren sozusagen. Unterhalb des Aussichtspunkts sollte übrigens einmal ein Staudamm entstehen, was aber wegen Krieges scheiterte.

Bis Blankenstein radele ich an der Saale. NICHT! In einem Supermarkt namens Discord kaufe ich ein für die nächsten zwei Tage und schon stehe ich vor den großen Rs, die mal ins Pflaster eingelassen, meist aber auf Holztafeln den Rennsteig Wanderweg kennzeichnen. Und auch den Radweg, der sich in Teilen mit dem Wanderweg verwindet. Gleich zu Beginn ein Hinweisschild, sechs Prozent Steigung auf 3,2 Kilometern. Geht noch, denke ich und hoffe, oben verläufts dann flach.

Trugschluss. Es sind dieses Aufs und Abs, die einen als Radler so zermürben, gar nicht so steil, aber alle zehn Minuten wieder einen kleinen Vierprozenter hochächzen, vermiest das Radelerlebnis. Zudem garstig kalter Gegenwind. Vierzig Kilometer weit über Waldwege und Landstraßen auf etwa sechs, siebenhundert Metern Höhe. Auch nicht besonders spektakulär. Ich verstehe die zig Wanderer und Wanderinnen nicht, die mir entgegen kommen. Ist der Wanderweg hoffentlich jenseits der mit dem Radweg gebündelten Abschnitte schön? Die Strecke auf dem Rennsteig verläuft meist außerbayerisch in Thüringen.

Bei einem Dorf, dessen Name ich nicht recherchieren kann, weil ich zwischendurch versehentlich den Thüringenteil in meiner App gelöscht habe, gibt es ein Moosdorf mitten im Wald. Viele kleine Wichtelhäuschen auf ein paarhundert Quadratmetern verstreut. Eine alte Tradition, die irgendwann vor vielen Jahren die Schulkinder begonnen haben, erzählt mir ein alter Mann mit trägem Hund. Mittlerweile kommen die Menschen sogar mit Bussen her, um das Moosdorf zu sehen. Und das Rennsteighaus, das im Ort als Museum errichtet wurde.

Rüber nach Lehesten vorbei an einem Aussichtsturm, zu dem ich zum Glück nicht hochächzen muss, weil er laut Hinweistafel geschlossen ist. Alles Schiefer in dieser Gegend. Die Mauern, die Hausfassaden, die Dächer. Glänzendes Schwarz wo auch immer Menschen sich ansiedelten. Gleich hinter Lehesten eine hohe Abraumhalde auf dem Weg zum Freilichtmuseum des ehemaligen Schieferbergbaus. Dort: Hotel, Gästehaus, viele Maschinen, Spalthalle, in der das Endprodukt behauen wurde. Ein Musterdörfchen aus winzigen Modellhäuschen, erbaut durch die Lehenster Dachdecker, und ein gigantisches Loch, das durch den Abbau entstand und in dem sich nun ein idyllischer See gebildet hat.

Vierzig Kilometer Thüringen auf dem Weg rund um Bayern neigen sich bei Klein Tettau dem Ende. Kuriose Grenzgeschichte gibt es zu dem Ort. Viele Infotafeln, ich werds später genauer recherchieren. Der Tettauer Zipfel war bis in die 1970er Jahre ein Kuriosum der Grenzgebung. Drei Häuser standen in der Todeszone des Eisernen Vorhangs, gehörten offiziell zur DDR, waren aber bewohnt und dem Westen zugehörig, bis sie nach einem Gebietskauf oder Tausch offiziell zur BRD kamen.

Solche Grenzabsurditäten erlebte ich auch bei der Umrundung von Rheinland-Pfalz. Jene Gaststätte, durch die angeblich mitten im Gastraum die Grenze verlief zwischen Deutschland und Belgien.

Ich verstehe es manchmal nicht, wie sich Menschen so kleinkariert an Grenzen abarbeiten, nein, ich verstehe es doch, schließlich bin ich Mensch, ticke wie ein Mensch und habe Grenzziehungen mit der Muttermilch aufgesaugt, wie jeder Mensch. Aburd finde ich es? Trifft es das?

Der Tettauer Zipfel ist auf den Radwegen mittels Pflastersteinlinien markiert. Endlich abwärts rollend, den Rennsteig hinter mir lassend, überquere ich die Grenze zwischen Thüringen und Bayern mehrfach. Fast wie beim Blinde Kuh-Spiel weiß ich am Ende nicht, wo ich bin.

Nun schon wieder im Tal nahe Heinersdorf schreibe ich diese Zeilen. Tropenhaus gabs unterwegs zu sehen, nach 18 Uhr schon zu. Die Wärme hätte ich gestern gut brauchen können. In Heinersdorf erfrage ich Wasser bei einer jungen Frau in ihrem Vorgarten. Darfs sonst noch was sein? Kasten Bier, denke ich, nein, nichts, sage ich. Jenseits des Dorfs eine Wiese am Radweg neben einem Gehöft, ich fragte die Besitzerin um Erlaubnis, was es mit dem Wildzelten etwas entspannter macht. Obschon hier wohl niemand etwas sagen würde.

Und nun? Gescheitert oder nicht, Herr Irgendlink?  Schaun wir mal. Weiter gehts. Der Tag ist jung. Es regnet nicht. Radel und Köprer sind fit und gebloggt wäre hiermit auch schon. Tag zehn der Reise kann kommen. Bitte keine Anstiege! (Featuring träum weiter, du naiver Trottel).

Tag 9 in Bildern | #UmsLand/Bayern

Heute gibt es wieder Bilder von gestern. Auf der Karte hier könnt ihr sie wie immer an ihren Originalstandorten betrachten:

Screenhot der Karte samt der Markierungen an den Bildstandorten

Oder aber einfach so, hier im Blog:

Dorfansicht über Brücke in Sparnberg

Der Aussichtspunkt bei Pottiga. Man schaut von der Stiege runter ins Saaletal. An der Stelle war mal ein Staudamm angedacht, der nie verwirklicht wurde.

Das Rennsteigradel steht am Beginn des Rennsteigs in Blankenstein. 3,2 Kilometer gehts ab da mit einer durchschnittlichen Steigung von 6 Prozent hinauf. Anfangs waren es für ein paarhundert Meter 12 Prozent, habe ich gemessen.

Im Wald, kleine Hüttchen und Gebilde aus Zweigen, Ästen und Moos mit Beschriftungen auf Schiefertafeln

Einstiges Modehaus in Lehesten mit verblichener Fassade

Der See ist das Loch, das man bei Lehesten/Thüringen grub, um Schiefer abzubauen. Außerhalb der Stadt ein riesiges Gelände, das ein bisschen an Røros in Norwegen erinnert. Mit Hotel und Museum und alten Eisenbahnen zum Schiefertransport. In den Dörfern sind die Häuser mit Schiefertafeln verkleidet.

Hoher Wegweiser mit gelben Wegweiserschildern, die zu Ortschaften auf der ganzen Welt zeigen

Eine zue Tür in Heinersdorf lass ich mir nicht entgehen

Unterwegs in Bayrisch Jütland – von Heinersdorf nach Heldburg #UmsLand/Bayern

Gestern. Vatertag. Auffahrt. Ein eher entspannter Tag. Nicht zu viele Höhenmeter. Von meiner Wildzeltwiese nahe Heinersdorf breche ich gegen neun Uhr auf, just als erste Grüppchen auf den Wegen sich versammeln, voranzuckeln mit Bollerwagen voller Kaltgetränke. Ich schaffe es gerade noch so, einer Gruppe junger Männer zu entfliehen. Aus früheren Vatertagserlebnissen weiß ich, dass es oft etwas kompliziert ist, einen solchen Knoten feuchtfröhlicher, singender, oft angetrunkener Menschen zu durchqueren. Meist wird man freundlich begröhlt und angefeuert, aber eben … Spaß geht anders und letztlich feiern sie sich ja doch nur selbst, auch wenn sie dich anfeuern.

Gen Coburg auf verschiedenen regionalen Radwegen. Die Zeit der großen Ferntrassen wie etwa Grünes Dach und Bodensee-Königssee sind vorbei. Hier gibt es nur noch klein-klein und regional. Läuft dennoch. In Mitwitz ein Fest. Das Gartenfest. Eintritt 12 Euro. Weit beworben auf Plakaten. Schon früh steuern Kolonnen von Autos und Motorrädern die Festwiese an.

Ein Spaziergänger flucht über den Wind. Gutso. Dann bilde ich mir das also nicht ein. Der Wind ist außergewöhnlich. Er nervt. Er kommt fast immer von vorne oder seitlich. Er kühlt mich aus. Er saust in den Ohren. Seit Tagen mit ein paar kurzen Flauten ab und an.

In Coburg staune ich über die üppige Architektur. Hohe Villendichte. Hohe Skulpturendichte, belebter Schlossplatz. Gesicht eines Mohrs im Profil im ‚guten alten‘  Kolonialstil auf den Kanaldeckeln. Da gab es vor einiger Zeit eine Diskussion, dieses kolonialistische Motiv abzuschaffen, erzählt mir ein junger Mann. Coburger Bratwurst kauend sitzen wir nebeneinander auf einer Bank auf dem Schlossplatz. Die winzige Wurstbude qualmt, als wäre ein Großbrand darin ausgebrochen. Ein Kombi fährt vor und liefert Kistenweise Brötchen und Wurst. Lange Schlange vor der Bude. Seit der junge Mann und ich unsere Wurst kauften (ohne Schlange zu stehen), sind stetig Leute nachgetröpfelt, kauften, bissen rein, aßen und nun ist der Andrang so groß, dass sich eine zehn Leute lange Schlange gebildet hat. Analog zum Wurstweckdesign, will ich mal sagen. Denn die Wurst ist ein etwa 20 cm langes gerades, verschmortes Ding, das rechts und links aus einem Kinderfaust großen Knollen Backwerk heraussteht. Ein Wunder der Statik, ich meine, dass die beiden Kragarme der Wurst nicht unter der eigenen Last abbrechen. Ich frage mich, wie viele Meter Wurst wohl an dem Tag aus der Bude kommen.

Raus aus Coburg durch nervige Radwegbaustellle immer wieder verirrt auf dem Rodach-Itzgrund-Radweg. Ein Wiesen- und Felderradweg, stelle ich fest durch hügeliges Land mehr oder weniger entlang einer Bahnlinie. Schön und nicht schön zugleich. Schön ist die Stille. Nicht schön die Kargheit, der wenige Input, die kaum vorhandenen Ruhebänkchen. Ein bisschen erinnert mich die Szene an Dänemark, wohl wegen der mächtigen Wolken und des Windes.

Hinter Bad Rodach ist doch tatsächlich schon ein Radweg nach Bad Königshofen ausgeschildert. 34 Kilometer. Ich muss wieder ein Stück durch Thüringen und dort, mittendrin, ich hatte ja Thüringen gelöscht in meiner Handy-App, stehe ich plötzlich ohne konkreten Hinweis auf Bad Königshofen da. Die Schilder kennen nur noch Orte im Landkreis Hildburgshausen. Dieses Kleinklein der Lokalradwegplanungsgenies, die nicht über den Tellerrand des eigenen Landkreises hinausdenken … ach je. Ich frage mich also durch, Datengeiz sei Dank. Ich könnte ja theoretisch die 200 MB große Thüringenkarte herunterladen. Dann würde aber womöglich mein Volumen nicht reichen bis zum Ende der Bayernrunde.

Fragen ist ja auch gut. Ein Mann erklärt mir den Weg, nicht den gewünschten, aber einen andern, nämlich dem Radweg nach Heldburg zu folgen und dann Richtung Königshofen. Ist sicher weiter, aber das Tälchen runter nach Heldburg ist so lieblich.

Schon recht spät fahre ich ohnehin nur noch ein paar Kilometer und finde eine schöne Wiese hinter einem umzäunten, ziemlich verbarrikadierten Gelände unterhalb Völkershausens. Blick auf die Heldburg. Super eben und frisch gemäht.

Die Prognosen einiger Twitternder über die Radwegesituation an Vatertagen bewahrheitet sich zum Glück nicht. Weder gibt es Glasbruch, noch werde ich von besoffenen Autofahrern gefährdet. Die Gröhlquote hielt sich auch in Grenzen. Die einzige Kuriosität ist ein Bollerwagen mitten auf der Straße, total vereinsamt. Eine Szene wie aus einem Western. Erst als ich daran vorbei rolle, sehe ich zwei rotköpfige Kerle auf der Wiese hinter dem Straßengraben liegen.