Der Spatz in der Hand der Lohnsteuerklasse 1

Morgens den Klitschenbesitzer N. angerufen. Er hatte eine Stelle als Internetśhop-Betreuer ausgeschrieben, Zusatz Content-Management. Genau meine Interessen. Versucht’s um Acht geht keiner ran, versucht’s um halb neun, geht keiner ran, klingele um halb 10 nochmal rein, ahnend, dass Klitschenbesitzer Langschläfer sind. Da wusste ich allerdings noch nicht, dass N. ein unhöflicher, sich selbst als Global Player bezeichnender Klitschenbesitzer ist. Das stellte sich erst im Laufe des Gesprächs heraus. Zunächst echoffierte er sich darüber, dass permanent Telefonbewerber anriefen. Ich sagte: „Das haben sie so in die Datenbank des Arbeitsamts eingestellt.“  Er antwortete: „Können Sie E-Bay? Ich brauche nämlich einen Contentmacher … (ellenlanger Sermon wie global er doch played und dass es kein Zuckerschlecken ist) … wissen sie, einen Content Mann suche ich, der Ebay Sachen einstellen kann.“

Ich schwieg. Er redete weiter. Zuvor hatte ich mich per Web kundig gemacht, wie denn sein Shop aussieht, ein unförmiges Ding, welches, wer auch immer mittels Frontpage 4.0 in ein Frameset gezwängt hatte. Da habe ich mir noch die Finger gerieben und „lecker lecker“ gesagt, denn das Ding müsste dringen barrierefrei und suchmaschinenfreundlich optimiert werden. Pustekuchen. Minutenlang erklärte mir Herr N., wie global er doch playe, und dass die Messlatte sehr hoch liegt, weil ja E-Bay und so weiter und so fort, ein Wunder, dass es mir gelang, das Gespräch in Frieden zu beenden. Mit der Option, eine Schriftliche Bewerbung vor die Säue zu werfen.

Später dann im Garten geschuftet. das tat richtig gut. Ich überlegte, ob die Vorboten von Harz vier an die Pforte klopfen. Schließlich ist es ein markantes Merkmal, dass Harz Vier Menschen alles mögliche tun würden, um sich wertvoll zu fühlen. Schwielen an den Händen wären gut.

Nun, da ich hier sitze, fabuliere ich über einer Bewerbung beim Klitschenbesitzer N.  Schließlich ist der Spatz in der Hand besser … ich bin der Spatz in der Hand der Lohnsteuerklasse 1.

Die Dinge müssen benannt werden (damit man dafür werben kann)

Unterwegs zwischen Stadt und einsamem Gehöft, den neuen Router im Gepäck, traf ich auf dem höchsten Punkt der weißen Driesch den Konzeptkünstler R. Er hockte auf einem Grenzstein unweit eines Funkmastes und starrte gen Süden.

„Naa? wieder Steine stapeln?“ grüßte ich.

„Hier gibt es keine Steine“ antwortete er, „kennst du Walther von der Vogelweide?“

„Den Dichter?“

Der Konzeptkünstler legte ein Bein über das andere: “ Ja, genau den, ich saz ûf eime steine
dô dahte ich Bein mit Beine
.“

„Ahahaha,“ lachte ich, „ich saß auf einem Stein und dachte: Bein mit Bein.“, aber für diesen verhonepipelnden Scherz hatte der philosophierende R. in diesem Augenblick keinen Sinn.
„Ja schon recht, aber gut,“ befand der Konzeptkünstler, „ich meine, die Dinge müssen benannt werden. Die Welt ist voller benannter Objekte. Erst dadurch, dass man Begriffe prägt, entsteht die Welt. Unbenanntes ist fad, es hat keine Würze, keinen Biss, keine Eigenschaften.“

Der Konzeptkünstler war so tief versunken in seine Gedanken, dass er sie laut aussprach und ich, der hier nur zufällig vorbeikam, allenfalls die Rolle eines Beichtvaters spielen konnte.

„Die Wiese zum Beispiel“, versonnen blickte er aufs frische Grün, „was war eigentlich, bevor es den Begriff Wiese gab?“ – „Für das erlebende Wesen existierte sie nicht,“ antwortete er, „und genauso ist es mit Waschmittel.“

„Waschmittel?“

„Ja, Waschmittel. Es braucht einen Namen, Persil zum Beispiel. Erst dann kann man es mit Eigenschaften ausstatten. Und erst wenn es Eigenschaften hat, kann man sie hervorheben und dafür werben. Oder der Himmel …“ so sprach der Konzeptkünstler und ich nutzte die versonnene Minute, in der er ins dichte Dunstwerk starrte, um leise zu entkommen.

Später brachte ich seine Gedankenspiele mit seiner Kunst, dem Steinestapeln, im Zusammenhang und ich vermute nun, er macht das, weil er auf der Suche ist nach dem einzig unbenannten Ding in der Welt. Dem Ding ohne Eigenschaften.

Das Problem scheint allerdings: Die Benennung der Dinge und ihre Ausstattung mit Eigenschaften geht Hand in Hand mit dem Wissens- und Erlebnisbereich des (benennenden) Menschen. Will sagen: auf der Suche nach dem Nichtvorhandenen wird der Konzeptkünstler das Nichtvorhandene benennen (wenn er es nicht tut, tut es ein anderer) und es ist fürderhin vorhanden – eine echte Syssiphos-Arbeit.

Gott seis getrommelt und …

Blitz und Donner, so gegen 23 Uhr rissen mich aus dem wohl verdienten Künstler- und Jobbewerber-Schlaf. Da mein Bett ein Hochbett ist und nur anderthalb Meter unter dem Giebel liegt, hab ich mich eilends nach draußen auf die Sperrmüllcouch verkrochen. Sie steht unter einem riesigen Betonträger, der einem das Gefühl von Farradayschem Käfig vorgaukelt. Im Halbschlaf beobachtete ich das Spektakel. Das Unwetter kam immer näher. Die Notausgangsschilder, die  noch vom letzten Hoffest an den Wänden hingen, funkelten, weil sich die Floureszenz durch die Kraft der Blitze auflud. Es war unheimlich. Dann plötzlich ein Blitz mit sofortigem Donner. Er muss im Haupthaus eingeschlagen haben. Direkter Blitzeinschlag klingt wie wenn ein Luftballon platzt, nur viel lauter. In Panik mit einem Feuerlöscher unter dem Arm rüber, glücksbetend, dass niemand im Haupthaus ist, denn meine Eltern haben Urlaub. Mit dem Schlimmsten rechnend um die Ecke, doch da war nichts. Am nächsten Tag würde ich die Bäume untersuchen, denn irgendwo im Umkreis von 100 Metern muss dieser Blitz eingeschlagen haben.

Frühmorgens Mails abrufen. Doch das Netz tut nix. Netzwerkkarte ausgetauscht, Zweitrechner eingeschaltet, Router geprüft, Telekom angerufen, Gott gibt mir volles Programm, Computer ins Haupthaus geschleppt, um Kabeldefekte auszuschließen, tausendmal von Netzwerk auf Einzelrechner umprogrammiert, unter auschluss des Routers. Nud as Modem und der Splitter waren nicht prüfbar. Um 12 Uhr immer noch kein Netz. Runter in die Stadt, bei meiner Tante einen DSL-Splitter abgeholt und im Computerladen einen Router mit Modem gekauft. Eilends installiert. Nun sitze ich hier im Haupthaus auf dem rosa Teppich mit einem Computer ohne Gehäuse. Werd wohl nachher versuchen das gesamte Netzwerk wieder herzustellen.

Unglaublich wie abhängig man von Internet ist. Ich konnte ja noch nichteinmal einkaufen.

Shop

Hatte den Shop an dieser Stelle noch gar nicht erwähnt. Er ist seit einigen Monaten online. Ein schönes Tableau, auf dem man vieles ausbreiten könnte. Mir gaukelt eine Rubrik „Frisch aus dem Labor“ vor, in der feinstes Schwarz-Weiß, noch mit echter Chemie hergestellt, auf hochwertigem Papier kredenzt wird. In meinen Träumen existieren Sammler, die sich die Finger danach lecken, die Bilder des Tages zu erwerben. Ich stünde unten im Keller im Schwarz Weiß Labor und würde unter fahler, grüner Flamme ein Kunstwerk aus dem Salzbad ziehen.

Nun. Ein Anfang: DER EUROPENNER SHOP (Link entfernt 2016-11-26) bietet Postkarten, Prints und serielle Großformate zum Superschnäppchenpreis.

Und: Das legendäre, um die halbe Welt gereiste Blogito-Buch (Link entfernt 2016-11-26) .

Auch Nulltariffanatiker kommen auf ihre Kosten: Gratis-Download von Desktopmotiven. (Bild, Link entfernt 2016-11-26) (nur vier Stück, weitere sind in Arbeit).

Die unheimlich labyrinthische Art der Welt

Gestern dann doch die Finger nicht vom Bliestallabyrinth lassen können. Eigentlich sollten die Fotos nun ruhen. Aber letzte Woche hat Groundspeak – das sind die, die die Geocache-Datenbank programmieren – vor gemacht, was man mit den Google-Maps alles anstellen kann. Sie haben eine feines Ding programmiert, bestehend aus zwei miteinander verknüpften Bereichen. Im einen befindet sich die Landkarte mit den Wegpunkten – kleinen roten Bömbeln, allesamt nummeriert – die beim Darüberrollen mit der Maus die Farbe wechseln. Im anderen Bereich ist eine Liste notiert mit Infos zu den Bildpunkten. Auch sie reagiert, wenn man über einen der Punkte in der Landkarte fährt.

Solch eine Karte will ich mit dem Bliestallabyrinth bauen und fürderhin mit jeder Kunststraße. Das Problem ist: man benötigt dazu Java-Script-Wissen. Wenn ich JS erlerne, so stellt sich das rein grafisch dar wie ein langer langer Weg, den man nur wenige Meter vor dem Ziel einschlagen muss. Immerhin bin ich in der Lage, die Bildpunkte ohne Rollovereffekte und ohne zweite Spalte zu programmieren. Mir deucht, ich bin schon längst in die JS-Schleife eingebogen.

Als mein Cousin vor knapp 100 Tagen nach Indien geflogen ist, hatte er versucht, die Google-Map in sein Blog einzubinden, so dass man seine Reiseroute auf den Sattelitenbildern nachvollziehen kann. Irgendwie hat das funktioniert, irgendwie auch nicht. Man sieht die Punkte und die Bilder. Manchmal zickt jedoch das System und nichts geht. Ich erinnere mich an Cousins Worte kurz vor der Abreise: „Wenn ich zurück komme, wird jemand das Problem gelöst haben.“

Das ist die geheimnisvolle Macht des weltweiten Netzes. Viele arbeiten unabhängig voneinander an ähnlichen Projekten. In Foren treten sie zusammen, um sie zu lösen.

Das Labyrinth, rein motivisch gesehen,  ist verlassbar. Man ist nicht mehr nur auf die Perspektive aus den tiefen Schluchten heraus beschränkt. Die ersten Lankarten des virtuellen Globus werden gezeichnet.