Die unheimlich labyrinthische Art der Welt

Gestern dann doch die Finger nicht vom Bliestallabyrinth lassen können. Eigentlich sollten die Fotos nun ruhen. Aber letzte Woche hat Groundspeak – das sind die, die die Geocache-Datenbank programmieren – vor gemacht, was man mit den Google-Maps alles anstellen kann. Sie haben eine feines Ding programmiert, bestehend aus zwei miteinander verknüpften Bereichen. Im einen befindet sich die Landkarte mit den Wegpunkten – kleinen roten Bömbeln, allesamt nummeriert – die beim Darüberrollen mit der Maus die Farbe wechseln. Im anderen Bereich ist eine Liste notiert mit Infos zu den Bildpunkten. Auch sie reagiert, wenn man über einen der Punkte in der Landkarte fährt.

Solch eine Karte will ich mit dem Bliestallabyrinth bauen und fürderhin mit jeder Kunststraße. Das Problem ist: man benötigt dazu Java-Script-Wissen. Wenn ich JS erlerne, so stellt sich das rein grafisch dar wie ein langer langer Weg, den man nur wenige Meter vor dem Ziel einschlagen muss. Immerhin bin ich in der Lage, die Bildpunkte ohne Rollovereffekte und ohne zweite Spalte zu programmieren. Mir deucht, ich bin schon längst in die JS-Schleife eingebogen.

Als mein Cousin vor knapp 100 Tagen nach Indien geflogen ist, hatte er versucht, die Google-Map in sein Blog einzubinden, so dass man seine Reiseroute auf den Sattelitenbildern nachvollziehen kann. Irgendwie hat das funktioniert, irgendwie auch nicht. Man sieht die Punkte und die Bilder. Manchmal zickt jedoch das System und nichts geht. Ich erinnere mich an Cousins Worte kurz vor der Abreise: „Wenn ich zurück komme, wird jemand das Problem gelöst haben.“

Das ist die geheimnisvolle Macht des weltweiten Netzes. Viele arbeiten unabhängig voneinander an ähnlichen Projekten. In Foren treten sie zusammen, um sie zu lösen.

Das Labyrinth, rein motivisch gesehen,  ist verlassbar. Man ist nicht mehr nur auf die Perspektive aus den tiefen Schluchten heraus beschränkt. Die ersten Lankarten des virtuellen Globus werden gezeichnet.

Raus zum Hahn

Auf der A 62 bei Kusel sagte J., ein Freund meines Vaters: „Das ist das Land der Musikanten.“ Er scherzte mit der Polin E., welche wir zum Flugplatz Hahn brachten. „Die Leute hatten keine Arbeit, deshalb musizierten sie. Dann wurden sie gut. Brillant sogar. Und sie zogen hinaus in die Welt, wo sie fürderhin gute Laune verbreiteten.“ Eine pfälzische Erfolgsstory. E. war schweigsam. Sie hatte für zwei Wochen bei ihrem Mann gastiert, welcher ebenfalls gastierte, und zwar als Pfleger bei J.s schwerkrankem Schwager. In den zwei Wochen hat E. viel gearbeitet als Holzfällerin, Autoputzerin und so weiter.

Ich dachte: „Das Leben ist hart, und es ist gut, dass es Menschen gibt wie J. und E. und mich.“ Kurz vor der Abfahrt Birkenfeld war klar, das Leben ist immer die Mitte. Für den kurzen Zeitraum von 60, 80 Jahren hat es keinen Anfang und kein Ende. Unterwegs stand eine uralte Eiche am Straßenrand. J. sagte: „Die ist tausend Jahre alt.“ Ich ergänzte: „Sie steht irgendwo zwischen Zweibrücken und Hahn.“
E. nahm den 18 Uhr Flieger nach Danzig. Das kostet nur 30 Euro. Die Fahrt von Hahn nach Zweibrücken dauert länger als der Flug nach Danzig.

Paprika, auf “Töten” gestellt.

Vorhin Tomaten gepflanzt und eine Paprikapflanze, von der behauptet wird, der Genuss einer Frucht dieser Sorte könne einen ausgewachsenen Mann innerhalb weniger Sekunden töten. Gebückt über den Schößlingen, noch ein paar Passagen des Lebenslaufes im Kopf, den ich vor ein paar Tagen verfasst habe, kam mir in den Sinn, wie brüchig und unkalkulierbar das Leben ist. Es gab eine Zeit, lange lange her, in der die Wahrscheinlichkeit fast 100 Prozent gewesen ist, dass ich einmal Bauer werde. Dies ist wohl auch die Ursache dafür, dass ich nett zu Tomaten bin.

Es gab andere Zeiten, in denen das Leben andere Läufe genommen hätte. Erstaunlich finde ich dass es  immer wieder Momente gibt, in denen Unwahrscheinliches eintritt. Ich rieb mir das Kinn, düngte die Dinger und gab ihnen Wasser und war plötzlich vollkommen perplex, dass ich der bin, der ich bin.

Glatt vergessen:

Die Straße nach Gibraltar wird hier fortgeführt. Hat leider nicht geklappt, das Buch in bloggerechte Häppchen zu zerlegen.

Glatt vergessen zu publizieren: Notiz vom letzten Freitag

Vielleicht hat Frau Freihändig, die Hauptstadtethnologin ja recht: Weniger Bloggen ist gar nicht so übel.

Mein Grund fürs Nichttun ist intensive Kunstarbeit. Da die Kunst kompliziert und in keiner Weise Easy-Reading ist, taugt sie nicht fürs Blog.

Trotzdem: am Morgen, nach drei Schlechtwettertagen wieder in den Wäldern unterwegs, durch die ich das Bliestallabyrinth lege. Schon einige Orte ausgespäht für die vier Hidden Art Objekte, großformatige Fotocollagen, die ich in Kunststoffrohren wasserdicht in der Erde versenken werde.

Gedenke Mitte Mai mit den Roharbeiten am Labyrinth fertig zu sein. Dann ist alles virtualisiert und ich kann es mit Photoshop in ausstellungsgerechte Portionen verarbeiten. Mitte Mai ist sowieso Deadline. Dann soll auch das Buch „Straße nach Gibraltar“ vom Tisch sein. Es wächst täglich.

Tja und dann? Kokolores sagte vorhin am Telefon, wir verdingen uns bei Bosch, bauen Einspritzpumpen für 3000 Autos und 500 Traktoren, danach machen wir eine Weltreise. Klingt gut.

Tja, das liebe liebe Geld. In seiner Bedeutung überbewertet, macht es mir zu schaffen. Es ist ein Kopfproblem, kein materielles. Der Wurm schmeckt nach dem Apfel in dem er lebt. Viele Würmer, die gemeinsam in einem Apfel leben, beinflussen durch ihre Stimmung den Geschmack eines Apfels. Wenn viele Würmer in eine Art Massenwurmhysterie geraten, weil sie Angst haben, zu wenig vom Apfel abzukriegen, dann hat das gewichtige Auswirkungen.

Die Erde ist ein kranker Apfel – aber guut.