Überall liegen Hunde und Menschen

Vielleicht noch diese Szene vom gestrigen Tag: Ich komme heim mit 75 Radelkilometern in den Beinen und freue mich auf mein Feierabendbier. Es dämmert. Ein fremdes Auto mit Alzeyer Kennzeichen steht auf dem Hof. Mir schwant nichts Gutes, aber auch nichts Böses. Biege um die Ecke, ächze mit letzter Kraft den Hügel zur Südterrasse hinauf und finde folgendes Bild vor: QQlkas Bruder steht im Arbeitskittel auf der Leiter und repariert die Außenbeleuchtung, wofür ich ihm allergrößten Dank einräume. „Die brauchen wir, weil wir nachher noch dies und das machen wollen.“

Ist ja egal, was sie tun wollen. Ist ja ein freies Land. Also freue ich mich, dass endlich jemand aus dem fernen Rheinhessen angereist ist, um die Lampe zu reparieren. Im Kühlschrank haben sie Grillfleisch deponiert. Mixgetränke stehen auf dem Tresen. Das Lagerfeuer lodert. Unzählige Hunde wuseln umher, denn QQlkas Bruder hat nicht nur zwei Hunde, sondern obendrein eine Freundin mit noch viel mehr Hunden. Nachdem er die Leuchte ersetzt hat, geht es familiär zu. Wir fläzen in der Freilandcouch, naja, ich eher im Sessel, aber QQlkas Bruder und seine Freundin und die unzähligen Hunde fläzen in der Couch. Ein bizarres Bild: Couch unter Mensch unter unzähligen Hunden.

Aber solche Dinge können passieren, wenn man das Gehöft mal eine Weile verlässt.

Zwei der Hunde waren ungemein zerknautschte, faustgroße französische Bulldoggen und die vielen Dinge, weshalb man das Licht repariert hat, wurden auf ein Andermal vertagt.

Liebe Kommentatorinnen und Kommentatoren

An dieser Steller ein ganz herzliches Dankeschön Euch allen, die Ihr so fleißig lest und kommentiert. Ihr wisst ja: der Kommentar ist das unbeschmierte Butterbrot des Bloggers; er ist das Salz in der Suppe der Alltagsbuchschreiber, das Schmieröl im Getriebe der öffentlichen Larmoianz; das Mindeste, was ein unbeteiligter Leser einem überaus beteiligten Schreiber geben kann.

Also nocheinmal groß geschrieben: DANKE, IHR LIEBEN KOMMENTATORINNEN UND KOMMENTATOREN.

:-)

Schäferplacken, immer wieder Schäferplacken

Dann die Tour. Wir starteten in Alsenz, folgten dem gleichnamigen Tal bis zur Altenbaumburg. Erste Schweißausbrüche im harten Anstieg zum malerischen Gemäuer. Die alten Mountainbike-Pfade waren mir nicht mehr geläufig, weshalb ich Schulfreund I. die Führung überließ. Er sagte: „Hoch zur Burg, über die Hängebrücke bis zum Schäferplacken, Forsthaus Spreitel, Rheingrafenstein (Link entfernt 2016-11-26), rüber zum Rotenfels.“ Das klang barbarisch. Zwischen Rheingrafenstein und Rotenfels gräbt sich in imposanter Weise das Nahetal. Es gibt keine Brücke. Also keuchte ich hinterher. Mitten im Wald verlor sich I.s Orientierungssinn, so dass wir abrollten, nach dem Weg fragten, wieder hinaufkeuchten, ein wanderndes Ehepaar wieder und wieder trafen, sie beim dritten Mal schmunzelnd sagten, „ihr fahrt aber langsam,“ ich mich ein bisschen schämte, doch da hatten wir längst die B 420 erreicht. Keinen blassen Schimmer, wo wir uns befanden. „Dort vorne ist ein Ortsschild,“ sagte ich und vermutete, es könnte Ebernburg draufstehen, aber dort stand geschrieben Freilaubersheim. Wir hatten uns fünf km weit nach Rheinhessen verirrt, keuchten zurück zum Schäferplacken, welcher ein zentraler Wanderparkplatz im Bad Kreuznacher Wald ist. Auf Umwegen doch noch den Rheingarfenstein gefunden, hinunter ins Nahetal. Dort gab I. klein bei. „Wir lassen den Rotenfels weg.“ Mir fiel ein Rotenfels vom Herzen.

Glückliche Radelei den autobahnähnlichen Naheradweg hinauf. Wir strampelten nebeneinander und fabulierten das Szenario zweier Männer, von denen sich der Eine, I., nur an Wege erinnern kann, die höher als 200 Meter Altitüde verlaufen und der Andere, ich, nur an Wege die darunter verlaufen. Das perfekte Team. Hinüber zur Ruine Montfort. Schiebend im Anstieg zur Burg von 30000 Eintagsfliegen begleitet. Das kratzte am Nervenkostüm. Lunge pumpte auf Hochtouren. Augen zusammen gekniffen, den Weg, die Mücken, den seichten Buchenwald verfluchend.

Am Abend standen 75 km bergauf bergab sowie vier oder fünf Schäferplacken-Besuche auf unserem Konto.

14 Damen im Zug

Wieder radeln. Diesmal war ich mit Schulfreund I. verabredet. Er würde mich am Bahnhof Kaiserslautern aufschnappen. Von dort per Auto, die Fahrräder huckepack in unsere alte Heimat, die Nordpfalz. Alle paar Jahre wandeln wir mountainbikend auf den Pfaden unserer Jugend, schauen, was sich verändert hat.

Am Bahnhof Homburg, welchen ich auch gerne als den verspucktesten Bahnhof zwischen Wladiwostok und Lissabon bezeichne, wartete ein Mann mit unglaublich verschobenem Gesicht. Im riesigen Kopf thronte das rechte Auge dezimeterweit über dem linken. Die Haut war ledern, die Nase krumm. Ich erschrak bei seinem Anblick. Er bemerkte, dass ich erschrak, schaute weg. Mit schlechtem Gewissen versteckte ich mich hinter einer Säule und dachte über das Besondere nach, sowie darüber, ob ich ihn vielleicht ansprechen sollte. 100 Fahrgäste warteten auf den Zug. Der Besondere stand isoliert. Keiner traute sich, hinzusehen. Wie schlimm musste er sich fühlen. Die Uhr tickte zäh. Genug Zeit, mir Folgendes klar zu machen: Normalerweise stehst du doch auch an Bahnhöfen und sprichst niemanden an. Wieso also nun den Besonderen? Stellte mir vor, er sei eine besonders schöne Frau, auch sie würde ich nicht ansprechen und das Gefühl hinter verstohlenem Blick wäre ungefähr das gleiche: unterdrückte Neugier. Ich sprach mein Gewissen frei. Der Zug rollte ein, die Hundertschar zwängte sich durch die Türen. Im Fahrradabteil hatte sich eine Gruppe 47-jähriger Frauen breit gemacht, so dass ich mit Fahrrad neben dem Besonderen zu stehen kam. Die Damen schlürften Sekt, schnatterten frivol, unterhielten sich über die Archaik analoger Fotografie und dass es zu dunkel ist, ein Gruppenfoto zu knipsen. Trotzdem versuchte eine Blonde mit ausladendem Hintern, dicht an mich gepresst in Höhe Bruchmühlbach Miesau einen Schnappschuss. Eine schwarzhaarige Dame stach besonders hervor. Ich dichtete ihr fetischistische Neigungen an. Manchmal trafen sich unsere Blicke. Sie begann mit ihren Kolleginnen ein Gespräch über Schuhe und warum sie rosa sind und warum die Absätze so hoch sind. Ihr Koffer war auch rosa. Aha, dachte ich süffisant. Nun gab es zwei Besondere, eine mit rosa Stöckelschuhen und den Mann mit dem schiefen Gesicht. Ich schaute aus dem Fenster. Der Mann mit dem schiefen Gesicht schaute durchs andere Fenster. Im Spiegel der Scheiben beäugten wir uns immer dann, wenn der Zug an dunklen Baumreihen vorbeisaußte. Seine Beine und Hände warn jung wie die eines Kindes. Er konnte höchstens 18 sein, vielleicht jünger. In einer langgestreckten Kurve rumpelte eine brünette 47erin an meine Schulter, Anlass genug, ein Gespräch zu beginnen. Ich fragte: „Wohin fahren sie?“ „Nach Heidelberg.“ „Bleiben sie länger? Wegen der Koffer?“ „Nur bis morgen. Wir Frauen brauchen nunmal viele Dinge.“ Aha, Fetisch, dachte ich und sagte, „jaja, man sollte auf nichts verzichten müssen.“ In meiner Phantasie waren die Koffer mit rosa Strapsgürteln vollgestopft, sie hatten einen Stripper engagiert, der sie abends im Hotel unter dem Schloss unterhalten würde und noch so Einiges mehr. Unser Gespräch mäandrierte jedoch in Richtung Kunst und Lebensart, machte einen Schlenker über die schweren Zeiten und das Glück zwischen den Fugen in der Bastion der Verunsicherung. Bis hin zum Wetter, welches ausgesprochen schön zu werden schien an diesem Tag.

In Kaiserslautern endete der Zug. 13 Damen, die Besondere und der Junge mit dem schiefen Gesicht, sowie ich allesamt raus aufs Gleis und jeder für sich weiter in die verschiedensten Himmelsrichtungen.

Ich überlegte, wie wohl das Gespräch verlaufen wäre, wenn ich mit dem Jungen zusammengerempelt wäre und nicht mit den Damen? Sein Gesicht ist ein dominantes Merkmal. Wie ein Schild steht es zwischen ihm und der Welt. Ein hartes Los. Es ist kein rosa Stöckelschuh, den man nach Belieben austauschen und über den man sich lustig machen kann. Kein Fetisch, welchen man je nach Laune versteckt oder offen zeigt. Es ist immer da.

Top Suchbegriffe

Gerade entdeckt. Suchtreffer fürs Irgendlink-Blog:

  • straße von gibraltar
  • was kann ich tun gegen den schmerz der einsamkeit
  • frauen beim grillen jpg
  • gummiestiefel geschichten
  • ultraschallsinn

Bis vorgestern gab es für Traktorkatastrophen übrigens noch keinen Treffer im weltweiten Web. Wer weiß, vielleicht hat sich das nun geändert?