… saß ihm gegenüber, mechanische Schreibmaschine zwischen uns. „Unter welchem Namen veröffentlichst du?“ „Irgendlink,“ sagte ich. Mit zwei Fingern hackte er Irgendlink in das Formular. Er beobachtete mich. Ich fragte mich, ob er merkt, dass ich nichts denke? Bohrender Blick. Er legte los. Buchstabe um Buchstabe klackten auf den Zettel. „Ich denke doch gar nichts, was schreibt der denn?“ dachte ich … und: „Ups, jetzt habe ich ja doch etwas gedacht, ob er wohl gerade schreibt, ich denke doch gar nichts, was schreibt der denn?“
Er arbeitete konzentriert, hob den Blick von der Schreibmaschine und wieder zurück. Zeile um Zeile legte er auf das Blatt. Ich dachte darüber nach, ob es überhaupt möglich ist, gar nichts zu denken. Irgendwas gaukelt doch immer. Ich schloss die Augen. Das Klacken wurde lauter, zudem traten die Hintergrundgeräusche hervor. Menschen murmelten in der Kunsthalle. Aus der Küche floss Knoblauchduft in den Raum. Kürbis, dachte ich, Kürbis mit Knoblauch und Zwiebeln. Wie von ungefähr setzte ich ein Mjam-mjam-lecker-lecker hinzu. Wohlgemerkt nur gedacht. Weiß nicht, ob alberne Pilze in der Pfanne schmorten. Der Knoblauchgeruch übertünchte alles.
Hinter ihm an der Wand hing Kunst. Als ich die Augen wieder öffnete schaute ich auf eine Lehrtafel für Soldaten, welche den Plan einer Stolperfalle zeigte. Schöne Skizze mit Wald im Hintergrund und einem Netz aus Stacheldraht, das man genau soundso in einigen Zentimetern Höhe breitflächig ausbringen musste, um den Feind zu behindern. Fiese Sache. Dort wo der Wald war, stand groß Feind mit einem Pfeil daneben, wie er nichtsahnend auf die Stolperfalle losstürmt. Plötzlich assoziierte ich das Schreibmaschinenhacken mit Maschinengewehrfeuer.
He Mann, wolltest doch nichts denken, dachte ich.
Die Walze ratterte. Dr. Treznok zog das Papier aus der Schreibmaschine: „Hier, dein Gedicht. Das hast du geschrieben. Ich war nur das Medium. Du kannst es unter deinem Namen veröffentlichen. Alle Rechte Irgendlink.“
Ich nahm das Blatt und las Dinge aus tief in meiner Seele, alberne Pilze und Quallen, platt am Strand und wer Gott geschaffen hat.
Nur: Wenn du weder Telepathie, noch an sonst etwas glaubst und Dr. Treznok behauptet, er habe das Gedicht nicht geschrieben, sondern du; wer hat dann das Gedicht geschaffen? dachte ich.
(12. 11. 2006 Kunsthalle Schwaab, Ingelheim)
Telepathie und Du
Telepathie als Wellen
die Dir die Informationen der Liebsten
vom Australischen Kontinent nach Deutschland bringt
Die Dich erzittern und zaudern lässt
das Leben und den nahenden Tod erahnen
Du schreibst , er will schreiben , sie hat geschrieben
Irgendwer fängt immer Deine Wellen auf
und produziert aus Deinen Gedanken
Dein gedachtes nun reales Werk
Und ich lese seine Gedanken
gedacht im Koma oder schon im Tod
im Leben oder Zwischenleben