Flächen. Alles, was auf einem Blatt Papier dargestellt werden kann, besteht aus Flächen. Hab ich bei Paul Klee gelernt. Genauer gesagt im bemerkenswerten Zentrum Paul Klee in Bern, welches eines meiner Lieblingsmuseen ist, wie auch Klee einer meiner Lieblingskünstler ist. Ich weiß nicht, ob ich Klees Intention, reduziert auf den Spruch, alles, was auf Papier dargestellt werden kann, besteht aus Flächen, so minimalisiert wiedergeben sollte. Aber irgendwie passt diese einfache Weisheit ziemlich gut und zwar nicht nur aufs Zeichen, sondern auch auf das Schreiben, das Webdesign, ach, eigentlich sogar auf alles im Leben. Teile das, womit du dich beschäftigst ein in einzelne Flächen. Flächen haben Grenzen. So kannst du das eine vom anderen besser unterscheiden. Das Hobby vom Beruf, das Schreibprojekt vom Kunst- und vom Webprojekt. Dann kannst du dich diesen einzelnen, noch weißen Flächen widmen und sie ausmalen. Wie ich so da hocke vorm PC, in dem ein Projekt gerade skizziert wird, ich eine Pause brauche, zu Stift und Papier greife, galant mit den Füßen den Bürodrehstuhl um 180 Grad drehe, SoSo da sitzen sehe, wie sie auf dem winzigen Smartphonebildschirm ein bisschen vor sich hin tippt, habe ich die Flächensache derart bildlich vor Augen, dass ich ganz unvoreingenommen eine Art Trapez zeichne, was ihr Gesicht darstellt, darüber ein umgedrehtes U als Haare, eine Spindel für die Beine, Quadrate für die Kissen auf dem Sofa usw. Erstmal nur ein paar Flächen, schnell skizziert. Seltsamer Weise stimmen die Proportionen – wahrscheinlich pures Glück, denn ich bin ein sehr ungeübter Zeichner. Nachdem die Formen da sind, widme ich mich ihnen nach und nach, gebe ihnen Struktur und Farbe. Das Gesicht misslingt, weshalb ich es kurzerhand schwarz ausmale. Keine fünf Minuten und die Zeichnung ist „im Kasten“. Hey, das ist toll, lobt mich SoSo (du hast sooo geschickte Hände). Flächen. Ist das das Geheimnis, wie es funktionieren könnte mit den irgendlink’schen Baustellen? Grob skizziert wie in einem Kindermalbuch liegt das Bild des eigenen Lebens vor einem. Kühne, phantastische Projekte, wie etwa das Liveblog USA neben nüchternen Webseitenideen, für die schon der Domainname registriert ist, die aber noch jegliche Struktur vermissen lassen. Mein weitestgehend mit haardünnem Pinsel grau in grau skizziertes Schreibimperium, all die ungeschriebenen, angedachten Geschichten … ist so das Leben des Menschen eine einizige Formenschieberei, ein Ineinanderpuzzlen verschiedener Flächen? Auf dem gestrigen Heimweg, gut dreihundert Kilometer Autobahnhatz, denke ich über den November, den Nanowrimo nach, reserviert als Monat, in dem man an einem Buch schreiben könnte. Und an mögliche Geschichten. Auch hier tun sich einzelne Flächen auf, die sich miteinander zu einem Gesamtbild arrangieren lassen. Könnte es auf diese abstrakte, paulkleeische Weise funktionieren, die Sache mit dem Schreiben, der Kunst, dem Beruf und dem ganzen Rest? (Auch dieser Artikel ist eines jener Puzzleteilchen – bis vor wenigen Minuten gab es nur die Umrisslinie. Nun ist er ausgemalt mit Buchstaben).
Also mal ganz abgesehen von der Zeichnung, die klasse ist, finde ich dein
Schrei-
bimperium
hervorragend. :-)
Allerdings wüsste ich gern was ein Bimperium ist und wo ich das finde, denn ich sollte auch hin und wieder mal (wie die Manager im Wald bei div. Seminaren) laut schreien. Ich störe so ungern die Nachbarn, deshalb wäre ein Schrei-Bimperium eine tolle Lösung. :-)
Schmunzelgrüße, Szintilla
Hihi, klasse entdeckt. Daraus machen wir doch glatt eine neue, auszumaldende Fläche: das Bimperium für Leute, die mal schreien wollen, ohne jemanden zu stören :-)
PS: die HTML-Trennfunktion, die Worte automatisch umbricht, trennt nicht immer nach den Dudenregeln.
Ich kenne das Problem mit der automatischen Trennfunktion und das nervt mich immer wieder. Aber manchmal entstehen eben auch witzige Wörter.
Das Schrei-Bimperium ist klasse, das Bild auch, wie ich gestern schon sagte, aber noch klasser finde ich diese Gedanken hier. Und wie sie mit meinen heutemorgigen Notizen korrespondieren. Als wären sie eine Antwort auf deine Zeilen. Allerdings bisher eben erst Flächen, noch ohne Details drin. Wird vielleicht auch ein Artikelchen. Mal schauen.
Ich freue mich über neue Skizzen, Flächen, Ausmalversuche und was immer daraus wird. Bei dir, bei mir …
Farbstift spitzen und los gehts! :-)
Ein Künstler-Blog, wie Du ihn betreibst, ist doch auch eine Werkstatt. Jeder neue Artikel ein Bauteil mehr, das für sich steht oder eben im Zusammenfinden mit anderen zu einem vorübergehenden und dann auch endgültigen (schreckliches Wort!) Ganzen werden kann – aber nicht muss.
Es ist ein Prozess und was dabei entsteht, sind Fragmente, mal in sich stimmig, mal nur Skizze oder Notat, immer aber Ausdruck in Bild und Wort. Und darauf kommt es an. Manchmal muss man nur warten können und es stellen sich Korrespondenzen zwischen all den Artikeln und Projekten her, wo vorher keine zu finden waren.
Ich weiß nicht, ob Dir diese Interpretation des Unfertigen hilft, denn die von Dir beschriebene Not kann auch sie nicht wegeskamotieren.
Gruß, Uwe
Das liebe ich an der dritten Dimension der Bloggerei – am Kommentarstrang. Dieses Ergänzen von gedanken. Eine absolute Bereicherung. Und man lernt, das gesamtbild besser zu verstehen, bzw. es übehraut erst wahrzunehmen. Es gibt ja auch Linie und Punkt als Elemente. Wenn man diese etwas abstrahiert, so ist der Punkt der Ort, an dem man sich befindet und auch bewegt, die Linie ist der Prozess, der stattfindet. Denkprozess zum Beispiel oder der Akt eine Fläche auszumalen.
Last but not least: „wegeskamotieren“ habe ich noch nie gehört oder gelesen. Tolles Wort!
„Teile das, womit du dich beschäftigst ein in einzelne Flächen.“
Lieber Irgendlink, ich muss was loswerden: Könntest du vielleicht deine Texte auch in einzelne Flächen ( man könnte es auch Paragrafen nennen) aufteilen? Dann lassen sie sich nämlich leichter lesen, vor allem wenn es längere Texte sind.
So. Genug gekrittelt. Was du da „eben mal so“ hingezeichnet hast – den ungeübten Zeichner nehme ich dir nicht ab. Das ist toll! :-)
Liebe Anhora, das ist ein großartiger Einwand. Danke für den Tipp. Irgendwie gelingt es mir dann vielleicht, das Bild „einzelner Blogeintrag“ besser zu verstehen und auch besser rüberzubringen. Denn auch das ist eine Sache, an der ich bis zur nächsten Liveblogreise noch arbeiten werde: an meiner Blogartikelkultur sozusagen – am dritten Tag schuf Blog die Überschriften, auf dass die Einträge besser strukturiert werden mögen können … :-)
Ach und die Zeichnung: ich hatte tatsächlich ziemliches Glück, dass sie so schön geworden ist. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich vollkommen absichtslos und somit unverkrampft an die Sache heran gegangen bin.
Vielleicht lag der Grund für das gelungene Bild auch einfach am Motiv! ;-)
Deine Blogartikelkultur gefällt mir: „Blog sprach, und es ward Text. … Und am dritte Tage schuf Blog die Überschriften … Aber am siebten Tage sah Blog, es war gut. Oder am vierzehnten Tag, auch wurscht. Witziger Vergleich jedenfalls!
Yesss. Und schon wieder erblickt eine Idee kollektiv das Licht – oder so ähnlich. Hätten wir nicht darüber geredet, wäre nie etwas daraus geworden (klar, wir machen ein bisschen Quatsch im Fall, aber es geht auch mit ernsten Themen so, eins gibt das andere) – Die Bloggesis.
„Und am vierten Tage trennte ER Wort und Bild. Doch es fand kein Wohlgefallen unter der Kunst und SEIN Herz wurde wieder weich. Am 53. Tage endlich ließ ER Text um Bilder fließen und Trompeten und Zymbeln erschallen und velozipedierte zufrieden davon.“ (3. Buch Blogger.com, Kapitel 3, Regel 53.11 A)
Hach. aber wer schreibt „Die Inspiration der Else Iph“?
Es gibt wirklich viel zu tun :-) Gefällt mir sehr.