Alltagsphilosophie
Skurile Einträge, seltsame Ansichten, Dinge, die einem 'im Moment des Schreibens' atemberaubend wichtig scheinen.
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Draußen im freien Raum, der immer lieb zu dir ist
It’s a holiday by accident. Der Nieselregen manifestierte sich in der Morgendämmerung. Vehementes Hämmern aufs Zelt wie mit tausend kleinen Uhrmacherhämmerchen, die den halbkupfernen Deckel einer verbeulten, uralten Taschenuhr dengeln und wieder in Form bringen. Einer jener Tage zum nicht-Aufstehen, zum nicht aus dem Zelt gehen, zum zum-Buch-greifen, es aufschlagen, an einer Stelle weiter lesen. Donnerstag. Oder Mittwoch? Die Turmuhr schlägt. In der Gegend, in der ich mich befinde schlagen die Kirchturmuhren zur vollen Stunde immer zwei Mal: eins zwei drei vier fünf sechs und ein paar Minuten später noch einmal eins zwei drei vier fünf sechs, zähle ich. Drehe mich noch einmal um. Die Isomatte knartzt. Unheimlich bequemes Ding,…
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Früher auf später
Frühmorgens. Neun Grad. Ich frage mich jeden Winter, wie lange das noch gut geht. Ich meine, man wird ja nicht jünger. Der Körper mit jedem Jahr empfindlicher. Die Zipperlein von Tag zu Tag zipperlicher. Ein verrenkter Knochen hier, etwas Merkwürdiges da und über allem breitet sich eine seltsame Müdigkeit aus. Wenn Ihr mich fragt und einen Lebenstipp haben wollt, so orakele ich wie ich dies schon vor zehn Jahren tat: Was du früher auf später verschiebst, wünscht du dir später, früher getan zu haben. Zum Glück ist mir der Spruch früh genug eingefallen. Zwar verschob auch ich Dinge auf später, aber nicht nach dem ganz großen Lebensenthaltsamkeitsmotto, das manche sich…
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Vom Hühnerfred, Olivenbäumen, Blutsbrüderschaft und schwer fassbaren Ichs
Ein Spaziergang im Wald am gestrigen, brilianten Sonntag. Wir sammeln Birkenrinde zum Feueranzünden. Daheim tauen die Grillwürste auf, die beim Wintercamping mit Freunden Ende Februar noch übrig geblieben sind. Offizielles Angrillen. Frau SoSo fragt, was ich mir bei einem Blogartikel, den ich kürzlich geschrieben habe, gedacht habe; wie ich auf diesen oder jenen Gedanken kam. Ich weiß nicht mehr, um welchen Artikel es ging. Ich antworte spontan, ich habe gar nichts gedacht. Ich denke nicht. Es denkt in mir und ich bin mir nicht sicher, ob es mich als Ich überhaupt gibt. Die Bezeichnung Ich für sich selbst ist doch nur ein Notbehelf für etwas, das man bezeichnen muss, das…
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Ich hab‘ vergessen, dass ich nichts weiß
Ich musste abschalten. Mehr oder weniger und so gut es denn geht. Die informations- und desinformationsgeflutete Welt macht dem Gemüt arg zu schaffen. Fernsehen habe ich schon seit zehn Jahren nicht mehr. Radio auch nicht. Die Augen vorm Internet zu verschließen ist für einen, der darin und damit arbeitet leider nicht so einfach. Meide die Sozialen Medien, überlies die Nachrichten so gut es geht, konzentriere dich auf deine kleinen feinen Themen. Lullifulliethemen, Randgebiete dessen was gelesen werden will, was gewusst werden kann – wenn ich es mir genau betrachte stehe ich un(scharf)informiert einem gewaltigen Zwitschern von Meinungen, Informationen und scheinbar Wissbarem gegenüber, aber als kleiner Mensch habe ich nicht die…
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Siebzehn Eichen und das Saarland
Vielleicht verhält es sich mit Scheitern und Erfolg wie die Kontraktion einer Raupe, sinniere ich gerade. Hände stecken in schwarzer Erde. Ich habe die siebzehn Eichen aus dem Kühlschrank geholt, die ich vor gut vierzig Tagen in einer Tüte voller Sägemehl eingelegt hatte. Ganz wie es die Beschreibung aus dem Web empfahl: unverletzte Eicheln einpacken in Sägemehl oder Erde und sie zwecks Simulation von Winterkälte im Kühlschrank reifen lassen. Sodann die Früchte vereinzeln in kleine Töpfe und immer schön gießen – in vierzig fünfzig Jahren hast du dann veritable Bäume, wo auch immer du sie hin gepflanzt hast. Gut so. Das war die Zeit im September, in der die Sache…