Die elliptische Zirkulation unserer feinen Künstlertraumsonnen in Vibration versetzen

Die letzte fette Wolke des Winters schiebt sich langsam von vorne nach hinten. Szenerie ist das kosmodämonische Pflegeheim, in dem Freund Journalist F. seit nunmehr zwei Jahren wohnt (besser gesagt: ist). Die Luft ist recht kühl. Frau Soso und ich hantieren mit Handys, wechseln Sim-Karten, was F. selbst zu schwer fällt, als dass er eben mal die Karte vom einen ins andere Handy wechseln könnte. Beides alte Gurken, die sich im Zweikampf der Macken tagein tagaus miteinander messen. Mal hat das alte iPhone die Nase vorn und die Karte muss da raus und ins Android hinein, mal ist es umgekehrt. Nun ist es wohl definitiv, dass das iPhone den Kampf der Macken gewinnt, denn am Android ist die Ladebuchse dermaßen verwirkt, dass es nur noch mit wackelnden Kontakten und viel Glück aufzuladen geht. Eine Übertragung von Daten via USB-Stick funktioniert jedenfalls nicht mehr.

Immer öfter denke ich in den letzten paar Wintern, ob dies wohl der letzte Winter ist, den ich erlebe. Umso hoffnungsfroher macht mich die fette dunkelgraue Wolke über der Pflegeheimszene letztes Wochenende, wie sie sich unendlich langsam gen Horizont verzieht und am Rand ein goldener Sonnenschimmer aufleuchtet, Mal zu Mal größer wird, bezeugt von uns wackeren vor dem Pflegeheim Sitzenden, die es kaum erwarten können, dass die ersten Strahlen endlich über den Rand der Wolke schwappen. Sofort fühlen sich die durch die feuchte, kaum bewegte Luftmasse gekühlten eiskalten Knochen besser an. Ich weiß gar nicht, wie Journalist F. das aushält im Rollstuhl mit teils bloßen Körperteilen, sei es der Hals oder die Knöchel des Fußes, ich jedenfalls bin heilfroh, dass ich die Wollknieschoner und den Nierenschützer angezogen habe, zwei paar Socken. Den  kuscheligen Schal, den mir Freundin Lakritze einst strickte hab ich vergessen, aber nun kommt ja die Sonne.

Ob dies der letzte Winter ist denke ich – wie erwähnt – in den letzten Jahren immer öfter. Die Künstlerbude mit ihrer nur Holzofenheizung und der offen liegenden, Frost gefährdeten Wasserleitung bietet den charmanten Minimalkomfort wie seit bald zwei Jahrzehnten, kaum etwas hat sich verändert seit jeher. Nur ich. Ich werde empfindlicher, spüre den Frost schmerzhafter als auch schon. In den Zehen beginnt der Tod (fasst der Tod Fuß), kriecht sich über die Jahre heran an den Kern des Körpers, beinaufwärts in den Bauch, die Brust, zum Hals, zum Hirn und dann nimmt er dich mit in die Hölle oder in den Himmel oder nirgendwohin und du hörst in einem kalten Monat in naher Zukunft einfach auf, zu existieren. Punkt aus. Der Kalte Tod ist wie die fette Wolke über dem Pflegeheim unheimlich langsam und wenn man es sich zur Aufgabe gemacht hat, ihm, dem kalten Tod oder ihr, der fetten Wolke dabei zuzuschauen wie sich etwas bewegt in der Hoffnung auf eine Erwartung für irgendwas, Wärme oder Erlösung, dann kann man sich dadurch das Leben zu Hölle machen. Das Gegenwärtigsein.

Warum schreibe ich das? Weil ich es mir zum Ziel gesetzt habe, öfter zu bloggen in diesem Jahr. Eine meiner feinen, brotlosen Kernarbeiten wieder aufzunehmen. Ich meine, mein Ziel Anfang Jahr wäre gewesen, einmal pro Woche einen Blogartikel auf irgendlink.de zu schreiben, einmal pro Monat in den Knotenpunkten und in allen anderen Blogs, die ich führe oder an denen ich beteiligt bin, mich wenigstens zu bemühen. Allen voran das Erdversteck.

Bloggen braucht Disziplin, was umso schwerer ist, wenn man dafür nicht materiell entlohnt wird, jaja, Geld, gute alte Droge des materiellen Austauschs hat schon eine magische, beschleunigende Wirkung. Menschen dazu zu bringen, etwas zu tun, was sie eigentlich nicht tun würden oder Menschen dazu zu bringen, Dinge zu tun, die sie zwar gerne tun würden, sich aber nicht trauen oder zu träge dafür sind, oder sonst welche Gründe. Wie auch immer, würde ich bezahlt fürs Bloggen, nur mal angenommen, würde das dann etwas nützen? Vermutlich ja. Vermutlich wäre es aber auch vergleichbar mit den Gravitationsphänomenen, die man bei simplen Massenbegegnungen im Weltraum beobachten kann und mit denen es etwa möglich ist, die eigentlich unsichtbaren Exoplaneten, die es zu Hauf gibt da draußen, nachzuweisen. Geld als dunkle nicht sichtbare Masse, die die elliptische Zirkulation unserer feinen Künstlertraumsonnen in Vibration bringt. Ein komischer Vergleich. Mir war danach. Ich schaue zu viele Exoplanetenfilme.

Klammen Fingers gelingt uns die Operation an Journalist F.s beiden Handys und als wir fertig sind, zünden wir uns eine Zigarette an. Die Sonne ist da. Nebenan vor dem automatisch sich auf und zu schiebenden Eingang sitzt der Kettenraucher auf seinem Rollator und raucht Kette. Der Kettenraucher heißt so, weil er ständig hier draußen vor der Pforte sitzt. Derweil eine Frau am Rollator gehend durch die Schiebetür kommt, uns alle freundlich grüßt, eine Schleife von etwa fünf Metern dreht und eine halbe Minute später beim Wiederbetreten des Pflegeheims noch einmal freundlich grüßt, so als sähe sie uns zum ersten Mal.

Die Alltage im unendlich grauen, potentiell letzten Januar waren geprägt von Projektvorbereitungen. Ich skizzierte neben der Nordkap-Tour drei weitere Herzensprojekte, die ich möglicherweise in diesem Jahr durchführen könnte. Nicht alle, nur eins von den vieren. Also entweder #AnsKap oder #UmsLand Hessen, Baden-Württemberg oder die Schweiz. Mal schauen. Klar erkennbar, ist das Hessenprojekt am besten skizziert und das wohl wahrscheinlichste. Es hängt von zwei Gesundheitschecks Ende Monat ab wie sich das Jahr entwickelt. Über allem Jahresplan gaukelt immer noch die Raumforderung in der Niere, die ja auch eine einschneidende Lebensveränderung bedeuten könnte, wenn es sich dabei um einen bösartigen Tumor handelt. Die letzten Wochen konnte ich mich zum Glück durch Ignorieren und Verdrängen vor Hysterie bewahren. Was insbesondere in ruhigen Momenten, dann, wenn sich das Hirn mit aller Macht auf mögliches Leid und Sorge stürzt, viel Kraft kostete. Nur noch zwei Wochen bis zum MRT. Dann darf ich wieder echte Pläne machen, oder eben nicht.

Hier ein paar Karten.

Jenseits des Freestyles der Liveblogprojekte arbeitete ich an meinem Seedshirt-Shop. Ein Projekt, das ich zu Beginn des Winters intensivierte. Falls die geneigten Leserinnen und Leser dieses Blogs also Hemden oder Pullover oder Tassen kaufen möchten, schaut doch gerne mal vorbei. Es ist ein noch nicht so aufgeräumter Allesladen der feinen Künste. Aber das macht den Charme eines in Entstehung befindlichen Universums ja aus.

Hier ein paar Motiv-Schmankerl.

Last but not least die Zahlschranke des Artikels, wie immer ganz am Ende – aber es wäre fein, wenn Du mich auf meinem Steady HQ Profil unterstützen würdest. Alternativ verrate ich Dir meine Kontonummer.

6 Antworten auf „Die elliptische Zirkulation unserer feinen Künstlertraumsonnen in Vibration versetzen“

        1. Liebe Antje, da denke ich immer daran, wenn ich Basel durchradele. Hab Dank! Ich muss mich allerdings bei einer der nächsten Touren einmal bremsen. Basel liegt in den Tagesdistanzen leider ziemlich mittendrin. Aber irgendwann gehe ich die „Pflichtstrecke“ einmal etwas touristsicher an und dann schauen wir mal auf einen Plausch am Rheinufer, gell.

  1. Lieber Irgendlink,

    ich drück die Daumen, dass sich ein spannendes Projekt realisieren lässt.
    Sag Bescheid, wenn es was in bzw. um Hessen wird.

    1. Hessen wird es irgendwann werden. Ich liebäugele mit Oktober. Natürlich hab ich an Dich gedacht. Dein Radelrevier liegt ja praktisch direkt am Weg.

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