Eine Blogparade von Frau @traumspruch auf dem Blog Blindleben.
Stockfinstere Nacht vor ein paar Nächten. Ich weiß, dass der Mond wie mit dem Stechbeitel geschnitzt kurz hinter Wolken hervorlugte und der kleine natürliche Lichtimpuls genügte, damit die Sehnerven Umrisse erkennen konnten, Schatten der Bäume hinterm schummrigen, gewellten Dachfenster und ich kletterte aus dem Hochbett über die knarzende Leiter auf den dumpfen Boden, der nicht nur so federt wie ein Turnhallenboden, sondern auch so klingt, ein paar Schritte rüber zur Tür die Treppe runter auf die Südterrasse und ich musste schmunzelnd an die Ateliertüre denken, die mal wieder geölt werden sollte, denn sie quietscht und zwar genauso wie die ersten paar Töne in der Titelmelodie zum Film Spiel mir das Lied vom Tod. Schmunzeln musste ich vor allem, weil ich immer, wenn ich die Ateliertüre aufmache und sie die ersten Töne von Spiel mir das Lied vom Tod quietscht, die nächsten Töne pfeifend ergänze. Aber so weit sollte es nicht kommen, denn ich hatte in dieser zappendusteren Nacht nicht die Absicht, das Atelier zu betreten. Vielmehr wollte ich den haarfeinen Schlitz von Mond betrachten, die Atmosphäre der Nacht genießen, in der Hoffnung, die Unruhe zu vertreiben, die mich manchmal zu nachtschlafender Zeit in Alarmbereitschaft versetzt. Dann pocht das Herz bis zum Hals ganz laut … als junger Mensch hatte mich das in Panik versetzt. Nun bin ich abgebrüht, schlafe meist schnell wieder ein, es sei denn, ich kann mich aufraffen, die Künstlerbude zu verlassen und ein bisschen im Garten zu flanieren.
Die Wolken hatten den Mond schon wieder verhüllt, ehe ich am Fuß der Außentreppe angelangt war und auf der Terrasse unterm großen alten Nussbaum barfuß über den Beton kitschte, Haut auf Beton, die versöhnliche Art, nicht die, wie etwa bei einem Fahrradsturz. Ein versöhnliches Haut auf Beton-Geräusch bis zum Rand der Wiese, vorsichtig tastend, damit ich nicht volle Kanne auf eine Nuss tappe. Bestimmt würde ich den zarten Gleichklang des Winds in den zig Meter hohen Pappeln an der Westflanke durch einen Schmerzschrei stören, wenn Nuss.
Achtsamkeit, Langsamkeit, Tastsamkeit. Es gibt nur noch das Ohr und mich, okay, die Nase gibt es auch und das Auge, alle Sinne sind bereit, bloß, dass der Sehsinn bei dieser Zappendusternis nicht gebraucht wird. Selbst meine Füße nehmen in diesem Moment mehr wahr als meine Augen, und es ist wie Magie, dass dieser Zustand der Nichtabgelenktheit durch Hinschauen alle anderen Sinne stärkt.
Die Luft riecht gut. Die vom nahen Winter angezählten Blätter der Pappel lösen sich und ich bilde mir in diesem Moment ein, nein, ich bilde es mir nicht ein, ich denke nur darüber nach, ob es wohl mit einigem Training möglich wäre, das zarte Rieseln, das die welken Blätter beim Auftreffen auf der Wiese, auf Erde, auf anderen Pflanzen verursachen, so exakt wahrzunehmen, dass ich sie zählen könnte. Vermutlich nicht. Aber ich höre genauer hin und bin entzückt, wie groß die Vielfalt im zunächst angenommenen Gleichklang des Auftreffens von Pappelblättern auf Untergründen verschiedenster Natur ist.
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Weitere ‚Blinde Begegnungen‘ der Blogparade (zu sehen in den Kommentaren zum schon zu Beginn verlinkten Blogparaden-Info-Artikel.
Andrea Halbritter im Cotelangues-Blog
https://aquarium.teufel100.de/2020/10/23/wir-behinderer/
https://blindleben.wordpress.com/2020/10/01/ein-beitrag-zur-blogparade-blindebegegnung/
Was für ein sinnliches Lesen das eben war. Und inspirierend auch gleich.
Mag ich.
Mal wieder so ein Text, der sich selbst schrieb und auch ganz anders wuchs als ursprünglich geplant. Denn eigentlich wollte ich ja über Nüsse schreiben, die auf Küchenfliesen fallen.
Bloß niemals die Spiel mir das Lied vom Tod quietschende Tür ölen!! NIE!
Garantiert nicht! Das Problem ist, dass sie nur ’spielt‘, wenn ich alleine bin. Wollte es kürzlich jemandem vorführen und die Tür schwieg beharrlich. Sie ist wie der Kaffeeautomat bei Kottan ermittelt.