Wie so ein Esel komme ich mir vor, der angepflockt an ein Mühlrad immerzu im Kreis dreht, sage ich zur Frau SoSo. Gerade erkläre ich ihr den Mittelpunkt Bayerns. Dass er bei Ingolstadt liegt, etwas nördlich bei einem Dorf namens Kipfenberg. Wissenschaftler haben das berechnet.Und ich immer außen rum. Wie auch um Rheinland-Pfalz und wie ums Saarland und wie ums künstliche Tourismuskonstrukt Paminaland.
Nuja, sagt Frau SoSo, jetzt ja nicht mehr. Jetzt gehts doch eher DrumsLand.
Ich stehe auf einer Innbrücke in Wasserburg, wo das Mobilfunknetz schnell genug ist für akustische Sprachübermittlung. Der Fluss ist mächtig. Fast schon schwappen die Wellen übers höchste Grün, zartkeimende Weiden und Stäucher vor den hunderte Meter langen Mauern der mittelaterlichen Stadt. Das Brückentor ist eine winzige Öffnung darin, durch das sich von hie nach da und von da nach hie Autos quetschen. Unheimlich laute Atmosphäre. Ich komme mir komisch vor, habe ich doch noch meinen ruhigen, radelnden, wankenden Tritt im Blut und nun schiebe ich mich durch den Lärm und der Lärm sich durch mich und ein bisschen Hektik des Feierabends bleibt kleben. In sich ruhende Kugel, durchdrungen vom Feierabenddodekaeder. Derweil der Inn allerlei Geäst, ganze Bäume, Alpenschmutz mitführt und die Poller vor den Brückenpfeilern jede Menge zu tun bekommen, um den Unrat von der Brücke fernzuhalten.
Ich hab Bayern verstümmelt! Kastriert hab ich das Land. Ihm den Schniedel abgeschnitten. Nein, nicht Bayern, meine UmsLand-Tour habe ich verstümmelt. Morgens auf dem Campingplatz in Bad Feilnbach stand es noch fifty-fifty, dass ich noch einen weiteren Tag bleibe. Immer noch Regen. Dazu Starkwind, vielleicht sogar Sturm. Aber dann ließ der Regen kurz nach und ich streckte den Finger in die Luft, könnte klappen, der Wind weht in meine Richtung, also Radel satteln, Regenklamotten an, Handschuhe, Mütze, volles Programm und tatsächlich, die schnellsten zehn Kilometer dieser Tour absolviere ich mit dem leichten Rückensturm von Bad Feilnbach bis rüber zum Inn. Die Gegend unterm Wendelstein ist ohnehin fast schon Flachland und schwupp stehe ich vor dem Abzweig zum Innradweg. Besser gesagt vor den beiden Abzweigen, denn es gibt auf jedem der Hochwasserdämme einen Radweg. Einen Ost- und einen West-Innradweg. Die Entscheidung fällt schnell, denn just am Knotenpunkt der Wege führt der Bodensee-Königssee-Radweg auf einer stärker befahrenen Straße und natürlich aufwärts. Adieu, hassgeliebter Freund, mit solchen Sperenzien nervtest du ja schon öfter.
Flachetappe bis Rosenheim immer dicht am Innufer. Ein paar Staustufen, viel Flussland, Weidenwälder mit olivgrünen Blättern und dunkelbraunen, vom Regen getönten Stämmen.
Rosenheim, was auffällt: Viele Asia-Imbissläden. Ein seltsames Autohaus fast mitten in der Stadt. Der Mangfall, ein Flüsschen, an dem auch ein wunderbarer Radweg verläuft (ich hatte ihn 2013 auf meiner Reise ins Memory of Mankind befahren). Und plötzlich kein Regen mehr. Oder täusche ich mich? Die Bewölkung ist jedenfalls noch da.
Weiter gehts nach Wasserburg. Bei Attel die erste und einzige Steigung am Innradweg. Fast schon eine Quotensteigung. Kurz vor Wasserburg führt der Radweg durch ein Klinikgelände mit stacheldrahtumwehrtem Trakt. Polizeiauto, Eingangsschleusen. Unheimlich. In Wasserburg habe ich mich schließlich in ein Zimmer einquartiert. Die Vernunft siegte, nicht weiter raus aufs Land zu fahren und dort womöglich mit leeren Händen dazustehen. Nieselregen der fiesen Sorte und Frösteln.
Heute gehts weiter auf dem Innradweg. Noch 160 Flusskilometer bis Passau. Und noch 110 Kilometer Luftlinie bis zum Mittelpunkt Bayerns.
Kannste froh sein, nicht bei 35 Grad um die Brüllbäche zu kurven. Wer hätte das gedacht mit diesem Wetter – nach dem alten Spruch „Es kommt, wie´s kommt“ oder so.
Wohin hat dich eigentlich deine Lieblingsreise getrieben?
Gruß an den Abenteuermann und danke für die italienische Gässchenpostkarte!
Die Lieblingsreise ist doch immer die aktuelle Reise. Und ja, wenn ich die Wahl hätte zwischen 35 Grad und dem hier, würde ich wahrscheinlich das hier bevorzugen. Ideal wäre 15 Grad, sonnig.
Lieber Jürgen,
jetzt hast du die Hälfte des Weges schon hinter dir und ich find jetzt erst die Zeit hier bei dir vorbei zu schauen. Der Rückenwind, der dich vorantrieb, war sicher ein kleiner Bonus fürs Durchhalten.
Ich wünsch dir perfektes Radelwetter, sonnig und 15 Grad so wie du dir das wünscht. :-) *daumendrück
Alles Liebe und Gute auf deinem Weg,
Szintilla
Danke liebe Szintilla.
Hoffentlich war „Wasser“burg nur typisch fuer den ersten Teil Deiner Reise! ;)
:-)