Es ist kompliziert. Dass ich mit dem Auto zum Einstieg in den zweiten Abschnitt meines Radreiseprojekts #UmsLand/Bayern anreise gefällt mir überhaupt nicht.
Jedoch ist es der einfachste Weg. Zugfahren ohne Gepäck ist gruselig genug. Mit Gepäck oder gar Fahrrad muss es der reine Horror sein.
In diesem vermaledeiten Jahr 2019 habe ich noch kaum eine Zugfahrt mit der DB mit geringerer Verspätung als eine Stunde absolviert. So scheint mir das Auto die beste Lösung. Für den eleganten Weg, die dreihundert zusätzlichen Kilometer von der Pfalz zum Bodensee zu radeln, fehlt mir leider die Zeit. Ich bin spät dran, habe schon drei Tage verloren, weil ich unbedingt das Projekt Radelgalerie während des Zweibrücker Straßentheaterspektakels durchziehen musste. Immerhin brachte die Aktion im Getümmel und dauerbeschallt von etlichen Kapellen, die nicht immer eingängige Musik spielten, auch ein paar Kröten in die klamme Künstlerkasse.
Nach dem Fest, sonntags war ich zu erschöpft, um wie geplant noch ins Basislager in die Schweiz zu fahren und schon montags nach Lindau zu fahren.
Die Wetteraussichten sprechen mich frei. Der Frost wird ab Donnerstag enden, wenn man den Apps glauben darf. Das Zögern arbeitet für mich.
Es wird schwer, die Zeit zu verlieren, das Werten, das Rechnen, all das, was das Menschsein mitunter ausmacht. Zeit und Geld, ach Ballast! Ballast, der den künstlerischen Prozess behindert. Es ist wie Brandung, die gegen Kaimauern schlägt. Zermürbend, unerbittlich. Wer sich dem aussetzt, wird zernagt. Sich dem zu entziehen ist fast unmöglich, es sei denn, naja, es sei denn, man lässt sich auf das Gegenteil ein, den Teufel namens Langsamkeit. Ein zwei Mal im Leben habe ich diese Erfahrung gemacht, nicht rechnen zu müssen, mich nicht nach Zeiten und Konventionen zu richten. Ein zwei Mal auf langen langen Radtouren, die schon Jahre zurück liegen. Es stellt sich irgendwann ein Gefühl der Unendlichkeit ein. Es sind diese kostbaren Momente, in denen man sich tatsächlich ein bisschen unsterblich fühlt, weil man keinen Anfang mehr kennt und kein Ende vermutet. Alle Zeit der Welt wird in Momente verwandelt. Die Uhren stehen still. Der Geldbeutel ist leer und voll zugleich und was sich darin befindet und nicht, spielt keine Rolle. Dann klappts auch mit dem Hirn. Das Denken nimmt eine ungeahnte Wendung und die Schreibe verändert sich und die Fotos, die du unterwegs – wie so ein Fischer – im Schleppnetz des Alltags einfängst zeigen das wahre Gesicht der Welt, nicht die geschönte, unheimlich langweilige Touristenversion.
Manchmal wünsche ich mir dieses Gefühl, das sich erst nach vielen Wochen Radfahren und ‚aus der Zeit gefallen sein‘ einstellt von Anbeginn einer Tour an. Diesen faszinierenden Alltag, in dem alles wie von selbst fließt, In dem Radfahren, Denken, Schreiben und Fotografieren nach geheimer Choreografie eine Art Tanz aufführen und sich ohne jegliches Zutun im Takt der Pedale ein stimmiges Gesamtkunstwerk entfaltet.
Geduld, Monsieur Irgendlink, Geduld. Die ersten Kilometer im Sattel werden dich schon weichklopfen und auf Linie bringen.
Wurde je ein gutes Buch auf der Autobahn geschrieben?
Ja. Genauso. Schnell in die Langsamkeit kommen zu können – vermutlich kein tauglicher Wunsch? Dennoch hoffe ich, dass die Übung all der vorherigen Reisen dir dabei hilft, dich bald ins Fließen radeln zu können.
Ah, und nein, ich vermute eher nicht (deinen letzten Satz betreffend).
Überholspur in die Langsamkeit sozusagen :-)
Hallo Irgend,
die Erfahrungen mit der geheimen Choreografie sind in Deinem Körper gespeichert. Vielleicht ist es der Takt der Pedale, der – wie von selbst – diese Erinnnerungen im Körper wachruft, erneut lebendig werden lässt, wodurch Du viel baldiger (um „schnell“ zu vermeiden, musste ich jetzt das „bald“ entsprechen verbaldern) ins Fließen fließt. Jedenfalls alles Gute für alles.
Da ist was dran, Mrs. Flummi. Dankesehr. Und bitte verzeih das unbaldige Freischalten des Kommentars. Das ist unterwegs schwierig zu managen. Verbaldern, Gutwort!
Kerl, ich beneide Dich (ohne Mißgunst) darum, daß Du so lange … in die andere Realität tunneln kannst (meine MA-Märkte als #BruderEmil dauern nicht so lang).
Aber weißt Du was? Ich wünsche Dir alles, alles Gute für die Unterwegszeit: immer was zum Aufwärmen, immer was zum Festhalten (in Bild und Text, und für Dich), immer wieder Neues, Nettes, Wunderbares und ganz viele Menschen auf und an Deinem Weg.
Danke lieber Emil. Für die ersten zwei Tage gingen Deine Wünsche schon in Erfüllung.
hi, lieber Jürgen… Ich wünsche dir eine gute fahrt, feine Erlebnisse, inspirierende Eindrücke, interessante Weggefährten, wunderbare Bildmotive, passendes Wetter und immer Gelegenheit, deiner Kreativität Ausdruck zu verleihen.!
ich bin gespannt…
herzlichste Grüße Dagmar
Liebe Dagmar, ich bin schon gespannt auf Deine Interpretation.
Ich bin spaet dran, lieber Juergen, aber trotzdem und umso herzlicher: safe bicycling! Moegen Deine Waden nie ermueden. :D
Liebe Gruesse,
Pit
P.S.: Ganz herzlichen Dank fuer Deine Postkarte! :)
Danke lieber Pit. Und fein, kam sie an.