756 k

Es gibt keinen Internettarif mehr ohne ‚Entertain‘-TV. Zumindest war im Backend des Anbieters unter der Rubrik Tarifänderung nichts zu finden. Wochen zuvor war ein technischer Mitarbeiter im Haus wegen irgendeines Defekts, der sich wie eine Grippeerkrankung letztlich ganz von selbst löste. Der Router sei schuld, hatte der Mitarbeiter gesagt und Tage später kam ein Entschuldigungsschreiben vom Anbieter, die Sache täte ihnen unendlich Leid, so dass ich argwöhnte, sie haben selbst irgendwo Mist gebaut und der Techniker hatte den Router zu Unrecht im Verdacht. Egal, jedenfalls erwähnte der Techniker, das die 756 Kilobyte-Leitung, die unter dem Label DSL 1000 läuft, doch viel schneller wäre, wenn man den Einwahlknoten weit unten in der Stadt wechseln würde, so dass er etwas näher am Haus wäre. Bei dem anderen Knoten wäre ohnehin Glasfaser verfügbar. Der Techniker notierte, dass ein Berater oder eine Beraterin anrufen könne, um uns einen neuen Vertrag aufzuschwätzen, ich sagte ja und als das Telefon klingelte, ignorierte ich es beflissentlich tagelang, bis die Beraterin oder der Berater von selbst aufgaben. Stattdessen durchsuchte ich das Netz nach Möglichkeiten, die Sache online zu erledigen, ganz ohne Menschenkontakt. Da kam mir der Knopf ‚Tarif ändern‘ unter die Finger und ich klickte mich durch die Menüs und Verfügbarkeitschecks bis hin zu den Angeboten, wow, DSL 16000, also ‚bis zu‘ wenigstens, das klingt doch ganz anders, als DSL 1000, bis zu und dabei 756 k zu erhalten. Zudem sei das Angebot viel billiger. Und blieb es auch bis fast zum finalen Tarifwechselknopf, wo dann eine Fehlerseite ausgegeben wurde mit Entschuldigung, dass der Tarif doch nicht geht, aber man habe da eine Alternative, ebenfalls DSL 16000, die Option Entertain TV ließ sich nicht streichen und ich loggte mich aus, schloss die Webseite und fand mich mit der langsamsten Internetverbindung Deutschlands ab, Hauptsache, die lassen mir ihre Ruhe mit dem Gewirre voller Schlangen und Fallen in ihrem düsteren Tarifdschungel.

Gestern stand plötzlich ein Wagen im Hof, der Fahrer hupte und als ich die Tür öffnete, kurbelte er das Fenster runter und fragte, ob der Hund eingesperrt sei, ja, also stieg er aus und fuchtelte mit dem Laptop, sie wollen Glasfaserkabel legen vom schnellen Knoten unten am Stadtrand, der mit dem das Haus hier noch nicht verbunden ist, weil es ja über den anderen, den alten 756 k Knoten viel weiter unten in der Stadt verdrahtet ist, Glasfaserkabel über die Landstraße, zweieinhalb Kilometer bis direkt vor die Haustür und weiter, vorbei am Nachbarhof bis hinauf zum Funkmast, der neben den neuen Windrädern aussieht wie ein Wicht. Wem gehört das Grundstück, fragte der Mann, weiß nicht. Und das, zeigte er auf seinem Laptop, weiß ich auch nicht. Und der Weg? Gehört der Stadt. Und er streichelte den Monitor und sagte, sie würden demnächst alles aufgraben und das Glasfaserkabel verlegen. Seltsam, dass er sonntags um die Mittagszeit hier auftaucht, sein Name sei Spietz, aha und er arbeite für den anderen Telefongiganten. Ob sie sich denn nicht mittels Grunddienstbarkeiten und notariellem Zeug absichern wollten, bevor sie die Kabel legten, fragte ich, was er irgendwie unbeantwortet umschiffte. Und dass da auch Gasleitungen und Stromleitungen vergraben sind, sagte ich, aber sein Auftritt war so definitiv, dass ich fast schon die Baukolonne vor mir sah, wie sie sich Meter um Meter von der Stadt bis hier hoch gräbt und ihre Glasfaser legt, hey, das wäre prima, dann könnte man ja auch hier so eine Art Business-Internet haben mit Schnell und Alles. Vielleicht war der Mann ein Hochstapler, der sich nur ein bisschen umschauen wollte, ob es etwas zu stehlen gibt?

10 Antworten auf „756 k“

    1. Nachdem die Anfrage bei Vodafone noch nicht beantwortet wurde, hab ich es doch noch der Polizei gemeldet. Trotzdem, wäre echt klasse, wenn Glasfaser hier am Haus vorbeiführen würde.

  1. alter ich wäre da ganz vorsichtig und würde mal anrufen bei der normalen kundenhotline ob da ein auftrag läuft für glasfaser mit von dir zu bezahlenden tiefbauarbeiten. das kann echt teuer werden. und gibt bestimmt prima zielerreichungspunkte für den vertriebler der den schreibt.

    1. Um es mal positiv zu sehen: es ist dann immer schön, wenn man irgendwo in Lappland oder in den Hochalpen in einem verlassenen Tal mit hoher Geschwindigkeit über ein zudem vergleichsweise günstiges Mobilfunknetz surfen darf :-). Wie Urlaub, sozusagen.

  2. Zum Glück kommen bei uns solch Komische gar nicht erst rein.
    Sehe grad vor mir, wie du so gar nicht müde angeradelt kamst, wie ein sonnengegerbter Radindianer…
    Lieben Gruß!

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