Jede Reise hat ihren höchsten Punkt, ihren düstersten Moment, ihren am weitesten vom Meer entfernten Ort, ihr witzigstes, peinlichstes, angenehmstes und unangenehmstes Erlebnis.Wann das alles ist, wissen wir im Voraus nicht. Und hinterher interessiert es und nicht mehr. Es ist pure Statistik. Der Umgang mit Extremen nivelliert sich in der Ungewissheit der Zukunft und er relativiert sich in der Schemenhaftigkeit unserer Erinnerung.
Ich sitze ganz schön in der Scheiße. Seit gestern Nachmittag regnet es ununterbrochen. Es ist lausig kalt. Wenn ich nicht so viel Reiseerfahrung hätte, hätte ich spätestens unter dem Vordächlein zur Martin Luther Grundschule in Zella-Mehlis aufgegeben. Auf zum nächsten Bahnhof, laut ‚Hilfeee Mamaaa‘ schreiend. Und ab nach Hause in die eigenen vier Wände.
Der Kokon ist weit weg.
Ich tippe ein paar Tweets unter dem Vordächlein. Es liegt direkt am Radweg nach Oberhof. Körper ist verschwitzt, Hände klamm, das Spiel der Regentropfen in den Pfützen. Keine Menschenseele zu sehen, 18 Uhr. Wer traut sich auch bei dem Sauwetter raus auf die Straße?
In voller Regenmontur ächze ich hinaus aus der Stadt Richtung Oberhof. Froh, dass es eine dritter- bis fünfter-Gang Steigung ist. Das gibt warm. Unter dem Goretex trocknet sogar das T-Shirt, fühlt sich zumindest so an.
Vor zwanzig Jahren ächzte ich die Bundesstraße gleich nebenan hinauf, die zweispurig aufwärts, einspurig abwärts führt.
Oberhof dürfte fast der höchste Punkt meiner Reise #AnsKap sein. Wieviele Meter? Oben werde ich es erfahren. Da steht eine Steinsäule mit einer Inschrift, in der die Worte ‚Zur Höhe des Gebirgs‘ vorkommen. Stand zumindest von zwanzig Jahren da.
Bis kurz hinter dem Bahnhof Oberhof, der drei Kilometer außerhalb des Dorfs liegt schwitze ich aufwärts, vorbei an einem Hotel und an einzelnen Häusern.
Ein verlassenes Waldrestaurant mit viel Müll vor der Tür ist Zeuge geplatzter Menschenträume. Die Insolvenz am Wegesrand. Ich glaube, das Tal heißt Laubachtal oder so ähnlich.
Hinter dem Bahnhof türmt sich ein Betonkoloss. Ein gigantisches, sechs Meter hohes Portal, vergittert. Edelstahlröhren inside. Da kann man das Rauschen der – ich glaube – A71 hören, die unten durch den Berg fließt. Vögel nisten hinter den Gittern im Bergschlund. Vornedran könnte ich übernachten. Trocken und geteert. Zerbrochene Bierflaschen liegen da und Kippen. In meinem Kopf bastele rich einen Ort, an dem sich nachts die Jugend der Umgebung trifft, um Party zu feiern. Kein guter Platz.
Auch drüben unter einem Baum gefällt es mir nicht. Der Platz liegt in der Außenseite einer Kurve der Bahnhofstraße. Da leuchten die Scheinwerfer ins Zelt, falls jemand vorbei fährt.
Bleibt nur weiterfahren oder …
… das Dach der Tunnellüftung ist etwa dreißig Meter breit, scheint flach zu sein und wegen der Röhren, die aus der Betonballustrade ragen, mutmaße ich, dass es begrünt ist.
Als ich das Rad hinaufgeschoben habe, erwartet mich ein topfebener Platz. Ein Karnickel starrt mich ungläubig an.
Im Regen baue ich das Zelt auf. Ich trage mittlerweile alle Kleider, die ich eigentlich für Lappland dabei habe. Alles ist klamm. Islandtrocken sozusagen. Dennoch guter Dinge. Schlimmer, als die vier Wochen Regen und Sturm während der Nordseeumrundung #UmsMeer kann es eigentlich nicht werden. Kann es? Nein, kann es nicht!
Kann es nicht, lieber Jürgen.
Im Übrigen:
Freu‘ Dich nicht zu früh auf den Sommer,
Weihnachten ist grade erst vorbei.
Im Treppenhaus riecht es noch nach Glühwein
und im Fernseh’n läuft der Weiße Hai.
Element of Crime
Hah. Danke Axel. Bald wandele ich stückwegs auf Euren Spuren auf dem Elbetadweg.
Ach Jürgen … Wie hoch war’s denn nun?
Hier hat der Regen vor zwei Stunden aufgehört, und ich wünsche Dir wirklich endlich wieder Radlerwetter. Vielleicht schaffst Du heute etwa 80 km bis Sömmerda/ Kölleda, dann bist Du bald in einer der regenärmsten Ecken des Landes (Halle zählt auch dazu, aber …).
Hab einen trockenen Tag.
Kann es nicht, nienicht und lass dir bloß nie nichts gefallen vom Wetter. :-)
Danke für deine Aufmunterung. Hier bricht die Sonne durch. Ich sag ihr gleich, wo du bist. Sie soll ein wenig deine Akkus aufladen und die klammen Kleider trocknen.
Herzwärmende Grüsschen aus dem „Süden“
von deiner SoSo
Dankeee
herrjeh, ja, das sind die Herausforderung eines Radelreisenden, ich bewundere dich, nicht zum ersten Mal, nun schicke ich dir Sonnenstrahlen, die stündlich mehr werden und ich las, dass es nächste Woche Schwitzwetter geben wird …
herzliche Grüsse und hoffentlich heute einen trockenen Tag
und was hat dir das Kaninchen erzählt, oder war es scheu?
Die Wetterpropheten sagen voraus, dass der Regen rund um und nördlich von Oberhof ab heute Abend aufhören soll. Nur nicht die Hoffnung aufgeben, manchmal passt es ja, was sie so voraussagen!
Hier regnet es auch gerade ziemlich heftig, aber ich sitz in meinem Büro trocken… und würde trotzdem gerne mit dir tauschen, wenn ich könnte. ;-)
„Islandtrocken“ ist ein herrliches Wort! Alle Outdoorfreaks fühlen sofort, was damit gemeint ist! Mich erinnert es an unsere Wanderung von der Nord- zur Ostsee. Damals waren wir unterwegs auch sehr häufig islandtrocken! Irgendwie gehört das im Norden aber dazu, glaube ich! ;-)
Gute Fahrt heute und liebe Grüße, auch an die Homebase,
Andrea
Dankeee Andrea. Die Sonne sickert durch und ich singe leise rieselt die Sonn‘ – he das wäre ein cooler Twitterspruch.
eben eine kleine Schlechtwetterzulage für i-dogma-Postkarten überwiesen.
wünsch dir 1. einen guten Platz zum Trocknen und 2. Wetterverbesserung.
Falls Du in Arnstadt Station machen solltest: Obacht auf die besonderen Stolpersteine…
http://www.arnstadt.de/index.php?structureID=2120
über die und überhaupt bitte nur sinnbildlich stolpern .
liebe wünsche!
Dankeee liebe HE. Ich komme heute durch Arnstadt und Erfurt. Eben von 826 m heragesaust. Gut, dass ich Handschuhe hatte.
Ich kuck mal in Arnstadt bissel rum.
wenn du’s heute bis nach erfurt schaffst – umso besser!
toi toi toi, bald ist der sömmer da!
Heute war gestern. Sömmerda grüßt das Land hinter den Deichen.
dank je wel!
hier ist der sömmer gestern angekommen. moooooi!
bin weiterhin dabei bei deiner tour, nur etwas langsamer derzeit.
gut tritt, blick & klick dir!
Hoffentlich, lieber Juergen, wird das Wetter wirklich besser, damit Du erstens trcoknen kannst und dann, zweitens, im Trockenen radeln. Pass‘ gut auf Dich auf, besonders auf die Gesundheit,
Pit
Es wird langsam. Danke Pit.
Gegen die Islandtrockenheit wünsch ich einen Norwegerpullover und ein dänisches Gemüt. Herrje. Soll aber warm genug werden für Sommerkleidung, heißt es allenthalben.
:-)
dear Jurgen… you have been battling through the elements. It sounds tough Soon you will get your reward and the sun will shine. I hope you find good wild camping until we meet – not so long till that re-union.. good luck Ray
Thank you Ray. I will ring you up soon. Woul like to meet you at Malmo railstation. Would this be okay for you. When is you artival at Copenhagen?