Livebloggen Teil vierzehn – was tun, wenn nichts passiert?

Berichte aus der Zwischenwelt wäre wohl nicht nur ein denkbar ungünstiger Titel für ein Buch oder einen Film, Berichte aus der Zwischenwelt, die von einer Wanderung an einem Schweizer Fluss handeln, auf der die Protagonisten kaum einem Menschen begegnen, wäre auch ein ziemlich ereignisloses Erzählwerk. Es würde von unberührter Natur handeln, von renaturierter Natur, von landwirtschaftlich urbar gemachter Natur, von Kieswegen, von mannsbreiten Wegen, die wie mit der Machete in Djungel geschlagene Pfade wirken, Lianen inklusive oder so etwas Ähnliches wie Lianen, mindestens jedoch armdickes Efeu, das beharrlich uralte Flussauenerlen würgt. Nach zwei kräftigen Gewittern ist das Wetter umgeschlagen, ungemütlich geworden, obschon man wieder einmal Opfer der kaskadierend sich ins unermesslich Schreckliche bewegenden Wetterberichterstattung geworden ist. Gewiss. Ebenso, wie die nette Frau, die uns den Weg erklärt, als wir rätselnd am Fuße einer Klostermauer stehen – lapidar gutgelaunt mit ihr smalltalkend, das Wetter sei doch ganz okay, ein guter Laufregen, sie aber macht unseren Wandermorgenblütentraum zu Nichte mit den Worten, es ist ganz übelstes Wetter gemeldet. Woher hat sie denn das? N24, Pro Sieben? Egal, wenn man sich den Himmel so anschaut, sieht es nach weiterhin gutem Laufregen aus, vielleicht sogar ein bisschen Sonne gegen Abend. Nichts passiert. Schon eine Weile zerbreche ich mir den Kopf, was macht eigentlich der Livereisende, wenn unterwegs an einem Tag einmal absolut nichts passiert? Ich hatte während der Nordseeumradelung 2012 eine veritable Serie von Blogartikeln geschrieben über alle möglichen Situationen, mit denen sich der täglich live die Reise dokumentierendeMensch konfrontiert sieht. Wie reagiere ich etwa auf Kommentarstrangdynamiken, wie erzeuge ich Spannung, gebe ich sprichwörtlich Gas in der Geschichte, wie halte ich es mit der Chronologie, wie kann ich nachträglich Geschichten in den stets „in Echt“ vorantreibrnden Erzählstrang einfügen, und die Hülle unterschiedlicherEindrücke usw. Eine Sache ist mir dabei gar nicht aufgefallen: was mache ich, wenn einmal gar nichts passiert und es partout nichts zu schreiben gibt?
Südlich von Bremgarten wird das Reusstal etwas lieblicher. Die Flusslandschaft ist bis auf ein paarhundert Meter diesseits und jenseits von fruchtbarem Ackerland eingeengt. Der Fluss erinnert mich an den Inn nahe Wasserburg: träge, gestaut, unheimlich dunkelgrün. Bei einer alten Holzbrücke unweit des o. g. Klosters spüren wir die Erschöpfung der Nacht, der ersten Tage auf Wanderung, der Hitze, sacken zusammen auf den sauberen Holzplanken, das Dach schirmt uns. Vereinzelte Sonntagsflaneuremit Schirm, Jogger, eine Frau mit Hund namens Kira will uns mit dem Auto mitnehmen, leider dahin, wo wir herkommen. So schlappen wir weiter den Fluss hinauf. Spätnachmittags quartieren wir uns auf dem Campingplatz Offenbach ein, sehr weise! Heftiges Gewitter.

SoSo rastet auf einer Holzbrücke
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7 Antworten auf „Livebloggen Teil vierzehn – was tun, wenn nichts passiert?“

  1. Gibt’s das denn überhaupt, dass wirklich „gar nix passiert“? Oder ist das nicht so ähnlich, wie „an gar nix zu denken“. Sobald ich denke: „Ich denk jetzt mal an gar nix!“, da denk ich doch prompt schon wieder! :D
    Also ich glaube, irgendwas passiert einfach immer! :-)
    Euch besseres Wetter und liebe Grüße,
    Andrea

    1. Danke liebe Andrea. Du kennst das Wandern ja auch, die Stille und das Unbedürfnis, etwas mitzuteilen und Schönheit einfach schön sein zu lassen.

  2. Eine derbherbschöne Brückenausruhfrau! (Derb betrifft die robusten Wanderschuhe).
    Redet Ihr unterwegs über das Weltall, den Urknall oder wie viele Leben man parallel führen kann, über Wanderschuhmarken, Blasenschwäche oder über was?
    Andrea hat Recht, es gibt immer was- habe ja auch eben Deine zahlreichen Gedanken zum angeblichen Nichtgeschehen gelesen. Hocherfreut und mit entzückten Glitzermitlebensaugen!
    Frohsonja

    1. Danke, oh Frohsonja. Wir machen das alles worüber Du nachfragst. Außer Urknall. Aber wieund wo zum Beispiel dieser eine Regentropfen von vorgestern auf die Nase entstanden ist, sein kilometerlanger Weg und die Vermaledeitheit der Schwerkraft, die die Rucksäcke nach Unten zieht … im Pavillion auf dem Campingplatz Offenbach, das eigentlich Otterbach heißt, warten wir noch ein Gewitter ab.

    2. Nachtrag: Ottenbach heißt der Ort. Die Recherche beim Livebloggen wird zunehmend zu einem Try und Error Parforceritt. Man möge mir meine Unkundigkeit verzeihen und auch die Fipptehler.

  3. irgendwas ist immer, so wenigstens klingt es in mir, aber ob das dann immer Worte findet, dieses Irgendwas? Aber ja, Irgendlink macht es ja vor ;)

    good days and ways
    Ulli

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