Schon seit der Erfindung der Fotografie plagt sich die Kunstwelt mit dem Problem des Unikats, welches durch die leichte Reproduzierbarkeit schlichtweg verunmöglicht wurde. Mit der Erfindung der Digitalfotografie, die es einfacher denn je machte, unzählige Variationen ein und des selben Kunstwerks zu schaffen, schien das Schicksal des Unikats endgültig besiegelt. Wer hätte geglaubt, dass ausgerechnet die Technik der drahtlosen Übertragung von Daten von Überall nach Überall eine Lösung bereit stellt, unikate Fotografien zu schaffen?
Erst knipsen, dann senden, dann löschen – WLAN Drucker bringen der Digitalkamera ihren Film zurück und spucken unikate Fotografien aus.
Als Künstler ist man automatisch auch Forscher, Suchender, man ist sowohl Ideenspender, als auch Ideengeber, sprich, man ist sowohl darauf angewiesen, seine eigenen Ideen zu publizieren und mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten, als auch darauf, sich von anderen inspirieren zu lassen. Kurz nachdem die ersten WLAN-Drucker auf den Markt kamen, faszinierte ich mich für diese Technik. Geworben wurde für die Produkte mit Szenarien wie: Du sitzt auf Mallorca in der prallen Sonne und genießt deinen Softdrink, kurzerhand ein Foto schießen mit dem Handy und per Internet ab damit zur Oma, die daheim geblieben ist – aber nicht per Mail. Denn das kann die Oma nicht, die will echtes Papier in der Hand halten. Also schickst du das Foto an den Drucker und dort fluppt es in Echtzeit ins Ausgabefach und die Oma ist wie selbst dabei …
Anfänglich konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie das funktioniert. Die Drucker waren so teuer, dass ich sie mir nicht leisten konnte (obendrein die selbst auferlegte Linux-Hürde. Sprich, unter dem alternativen Betriebssystem Linux war es zu dieser Zeit noch eine Riesenqual, neue Geräte, die nur über Treiber für Windows und Mac verfügten, zum Laufen zu bringen).
Dennoch: als Artist in Motion, als Reisekünstler, der zudem stets bestrebt ist, die Gegenwart so naturgetreu wie möglich in Kunst umzusetzen, musste ich mich mit dieser Technik beschäftigen. 2012 gönnte ich mir einen ersten WLAN-Drucker, um im Verborgenen, unter der dunklen Motorhaube der feinen Künste die Technik auszuprobieren. Das Prinzip ist denkbar einfach: Per Mail oder smartphoneseitiger Software – die meisten WLAN-Drucker stellen eine App fürs Smartphone bereit – werden die Bilder und Texte an einen Server gesendet, der sie für eine gewisse Zeit zwischenspeichert, bis der Drucker eingeschaltet wird und mit dem Internet verbunden ist. Dann werden die Druckbefehle und Daten gesendet et voila le Bild.
Der erste offizielle Live-Tracking-Printing Versuch – Anno Kunstini 7. März 2014 …
Vorgestern habe ich die Idee erstmals in größerem Stil ausprobiert. Auf einer 55 km langen Fahrradtour lief im Hintergrund eine Tracking-App, die in Echtzeit den Standort des Künstlers projizierte. So konnte die werte SoSo in der Schweiz den Artist in Motion am Monitor verfolgen. Hier der Link: https://track.gs/vmuECs
Vier Stunden dauerte der Spaß und ich sendete Fotos und Texte on-the-fly an einen Drucker in der Schweiz. SoSo hat die historischen Dokumente gesammelt. Sie kommen in einen versiegelten Umschlag – der Ur-Artwalk sozusagen … es gibt noch ein weiteres Experiment vom 9. Januar dieses Jahres, das auch in einem Umschlag zusammengefasst ist, das aber wegen störrischer Technik nur zur Hälfte gelang. Die Idee mit den Umschläge habe ich mir von den frühen Konzeptkünstlern in New York geliehen. Nur für den Fall, dass man einmal museumsreif wird :-)
Der Weg ist gefunden und er ist begehbar.
Das bringt phantastische Möglichkeiten:
- Die Kunstsammler der Zukunft etwa können sich einen Drucker in die Sammlung stellen, auf denen „ihre“ Künstler exklusiv und in Echtzeit Bilder übermitteln – obendrein wissen sie, wo sich der Artist in Motion jeweils befindet. Sie fiebern mit – Kunst wird, trotz der Ferne des Künstlers eine neue Dimension erlangen.
- Bisher schwer künstlerisch darstellbare Dinge wie Reisen, Bewegungen, flüchtige digitale Projekte können auf diese Weise dauerhaft und losgelöst von Monitoren präsentiert werden.
- UNIKATE! Die Digitalfotografie hat, wie vorher schon die Analogfotografie die Problematik mit sich gebracht, dass Kunstwerke beliebig reproduzierbar werden – mit dem erweiterten Fotoapparatebegriff nach Irgendlink, liegt der Film im Drucker und die Daten kommen per Internet. Nachdem das Bild gesendet wurde, wird es von der Kamera gelöscht. Was bleibt ist ein digital fotografisches Unikat. Wenn gewünscht.
- Auch für den Künstler hat es nur Vorteile: die Vernissage findet in seiner Abwesendheit statt. Insbesondere für lichtscheue Künstler wie Monsieur Irgendlink, die nur ungern die Rampensau geben, ein wahrer Segen. An Stelle des Künstlers sind Hilfskünstler in der Ausstellung vertreten, die die Werke präsentieren.
Der erweiterte Fotoapparatebegriff nach Irgendlink
Der Künstler ist nicht anwesend und die Kamera enthält keinen Film … oder etwa doch?
Zu Zeiten der Analogfotografie enthielten die Kameras einen Film, der belichtet und entwickelt wurde. Die Bilder wurden in Fotoalben geklebt oder gerahmt an die Wand gehängt. Heute speichern die Kameras ihre Bilder auf Karten oder Sticks. Die Präsentation erfolgt oft nur noch am Monitor. Die drahtlose Datenübertragung ermöglicht einen erweiterten Fotoapparatebegriff. Der Fotoapparat kriegt seinen Film wieder. Und zwar in Form eines Druckers, der per Internetverbindung angesteuert wird und dessen Filmkapsel sich mit Papieren verschiedener Formate und Güte laden lässt.
Wermutstropfen: Durch das Live-Tracking braucht der Künstler in Bewegung so viel Energie, dass er sie mittels Muskelkraft auf dem Fahrrad und Solarzellen (wie Monsieur Irgendlink moi-même vorzugsweise Kunst produziert) nicht nachhaltig produzieren kann. Eine abentuerliche Reise wie der Nordseeradweg „Ums Meer 2012“ wäre somit nicht auf diese Art umsetzbar. Auch benötigen die eingesetzten Apps (Tracks, Hipstamatic und die Druckerapp) so viel Speicher, dass das Smartphone des öfteren abstürzt. Dennoch: wie schon oben erwähnt: der Weg ist ausbaldowert und er ist begehbar. In wenigen Jahren wird die Technik den Bedürfnissen des modernen Artists in Motion angepasst sein.
und während ich diesen text hier lese, bist du wieder unterwegs und eben beginnt der drucker hinter meinem rücken ungefragt zu rattern? was spuckt er wohl diesmal aus? ein bild? einen text?
spannend!
so kann ich also trotz erkältung mit dir in echtzeit herumradeln … :-)
Hilfskünstler. Kopfkino. *lacht sich kaputt*