Die „Situation“ – Bloggen um des Bloglesendürfens willen

Verflixte SoSo! „Was wäre, wenn wir alle über die selbe Situation bloggen würden?“, schlägt sie gestern Abend vor. Ein burgähnliches Brauhaus in Karlsruhe. Sechs Bloggerinnen und Blogger am Tisch. Man speist, trinkt, scherzt, debattiert über die Bloggosphäre, Kleinbloggersdorf, wie man so schön sagt. Keiner kennt keinen. Nur die Blogs der Anderen hat man manchmal gelesen, bzw. den einen oder anderen Nicknamen gehört. „Und wir dürfen natürlich erst die Blogs der Anderen lesen, wenn wir auch selbst über die Situation gebloggt haben“, legt die SoSo die Messlatte in unglaubliche Höhe.
Mach‘ immer das, was deine SoSo dir sagt. Der Abend verstreicht und mein Hirn hat sich in die hinterste Ecke des Schädels zurück gezogen; es satzt auf einem Stein und dachte Bein mit Bein, daruff satzt es den Ellenboggen und hat in sinne Hand gesmoggen … wir essen, trinken, reden und mein Hirn grübelt munter, welche der vielen Situationen des Abends die SoSo wohl gemeint hat. Das Brauhaus? Dieter Motzels Vernissage, die uns alle in der badischen Metropole zusammengebracht hat? Der kurze Spaziergang nach der Ausstellungseröffnung hierher? Was ist eine Situation? Mein Gott, das hätten wir doch erst einmal definieren müssen! Sonst schreibt die Eine über die Zigarette vor der Türe draußen in der Kälte, der Nächste schwärmt vom Essen, die dritte detailisiert, wie wir alle gebannt der quietschenden uralten Straßenbahn hinterher starrten, die in der Abenddämmerung hinterm Stammsitz der PTV Firmenzentrale vorbei gerauscht ist, und wieder jemand anderes thematisiert hochphilosopisches Gerede an Hirschragout mit Kutteln und Preisebeermarmelade, flambiert.
Ich rede wirres Zeug.
Die Bloggosphäre ist wirr. Man hat nur schemenhaft eine Vorstellung von den Machern (und Macherinnen) hinter den Blogs, von den StrippenzieherInnen hinter den Pixeln. Auch das ist ein Credo des Abends. Echte Menschen sind einfach die besseren Menschen. Nur ein Blogger / eine Bloggerin zu sein hinter der selbst zusammen geschusterten Maske seines Blogs, ist grundsätzlich von Verwirrendem überlagert. „Wie ist denn das nun mit den Buchfeen?“, fragt Reisebloggerin Philea, „was hat es mit Klausbernds und Dinas Buchfeen auf sich? Du hast die Mischpoke doch persönlich kennen gelernt.“ So enthülle ich, schamlos Salat schmatzend, dass es ein literarischer Kunstgriff ist, dass die beiden Flatterwesen literarisch aufgebaut wurden und nun feste Stimmen bei einer der ersten Adressen der deutschen Literaturblogszene sind.
Mit einem Schlag wird mir klar, dass die Bloggosphäre mit den vielen tausend Menschen wie Du und Ich, ein einziges, großes, spannendes Rätsel ist. Wie oft kratze ich an der Tür wildfremder Blogs, begehre um Einlass, versuche, die Person, die dahinter schreibt, zu verstehen, mir ein Bild von ihr zu machen. Die einen haben ein echtes Impressum mit Namen und Anschrift, andere verschanzen sich hinter einem Nicknamen, wieder andere schreiben ihren Namen so kompliziert, dass man ihn kaum aussprechen kann. Bei manchen ist unklar, ob ein Mann oder eine Frau schreibt. Rätsel über Rätsel. Und selbst die, von denen man glaubt, ein konkretes Bild zu haben (Mann, Mitte vierzig, naturwissenschaftlich interessiert, zum Beispiel, oder Frau, 36, reiselustig, Krimifan) entpuppen sich bei näherem Hinschauen als jemand ganz anderes. War es früher schon schwer, Menschen, die man in „echt“ kennen gelernt hatte, einzuschätzen, ist es mit der virtuellen Barriere noch einmal komplizierter geworden.
SoSo und ich haben den Abend letztlich überlebt. Unsere Zweifel, ob wir nicht von verrückten Serienkillern unter dem Vorwand, eine Vernissage zu feiern, in eine Falle gelockt werden, haben sich nicht bestätigt. Man reichte Häppchen, Butterbretzeln, Sekt, Pi, Pa und Po und nach vollbrachter Ausstellungseröffnung strömte die beachtlich große Gruppe der Bloggenden unter den Ausstellungsgästen ein paar Häuser weiter ins Brauhaus, wo SoSo die verhängnisvolle Mutmaßung aussprach, „Wie wäre es eigentlich, wenn wir alle über die gleiche Situation bloggen würden – punkt punkt punkt, gespannte Pause – aber keiner darf die Blogs der anderen lesen, bevor er nicht über die Situation geschrieben hat.“
Herrjeh. Und so kommt es, dass Mister Oberfaul Le Blogmüde Irgendlink sich diesen Artikel aus den Rippen reißt, damit er endlich bei den anderen Dabeigewesenen lesen darf, was sie als „die Situation“ empfunden haben und verdammt, wie hat eigentlich das Haushundhirschragout geschmeckt?

Die Dabeigewesenen:
Haushundhirsch – stellt in Karlsruhe im Stammsitz von PTV Zeichnungen und Gemälde aus und verursacht somit das oben beschriebene BloggerInnentreffen.
Philea – Mitarbeiterin beim Veranstalter, lädt Haushundhirsch ein in der Firmenzentrale auszustellen und verursacht somit die o.g. Ausstellung.
Lakritze – reist eigens aus Mainz an und verursacht veranlasst durch SoSo diesen (Link kann ich ja erst setzen, wenn ich meine Hausaufgaben gemacht habe und selbst, Situation, Ihr wisst schon) Artikel.
SoSo – stiftet mit ihrer enthusiastischen Bemerkung, wie wäre das eigentlich (Ihr wisst schon) alle anderen inclusive moi même an, sich den Kopf über Situation zu zerbrechen und auch noch darüber zu berichten.
Irgendlink – übernimmt die volle Schuld für diesen Artikel.

14 Antworten auf „Die „Situation“ – Bloggen um des Bloglesendürfens willen“

  1. „komm du mir nur heim, du schmierfink du,!“, solle ich kommentieren, sagt irgendlink eben, wie ich mich lachend über den laptop krümme – eben diesen-seinen artikel gelesen habend. ich gehorche. frei nach dem motto: tue immer das, was dir dein irgendlink sagt.

    *lach* und gute nacht allerseits!

    es hat gar nicht sooo wehgetan, sagt er nun. und legt holz nach.

  2. Hello from the Scottish blogsphere!! I am getting ready to visit you. On Wednesday I thought I would have to cancel because I had a problem with my dog Harvey. I think it is solved and will know for sure later today. I will let you know if I still have a problem. If not… I am looking forward to seeing you and the part of the world you live in. will Denise be visiting next week? Good luck and best wishes

    Ray

    1. Oh no, Ray. Harvey seems to be a busy rascal :-). I hope that all comes fine. As Denise already said. She has to leave Zweibrücken on monday.
      I ‚ll repair my old bicycle for you. So if the weather is not too bad we can do some trips in Palatin and in our neighbour county „Saarland“.

  3. hi ray
    first I thought I would have the luck to meet you in germany next tuesday – but I have to leave „the lonely farm where irgendlink lives“ already on monday. I have two dates on tuesday. who knows how long you will stay – perhaps we will meet
    nevertheless the week after? we’ll see!
    I wish you a relaxing trip to germany and hope your family included your dog will be fine!
    greets, soso

  4. Lieber Irgendlink,
    :-) danke für den großen Lesespaß, wäre gerne dabei gewesen!
    Die Buchfeen haben endlich mal für eine kurze Zeit die Sorgen um den Master vergessen und fröhlichlaut gekichert.
    Herzliche Grüße von uns
    Dina

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