Warum ist es nur so verflixt schwer, in der Ewigkeit des Moments zu leben? Wenn Du eine Strecke von siebentausend Kilometer, zurückzulegen per Rad oder zu Fuß, in kleine Einzelstücke zerlegst, kommt dir das nicht sehr weit vor. Vor Beginn der Reise habe ich allen Lieben daheim erzählt, dass ich nur drei Wochen wegfahre. Eine normale Zeitstrecke von der Länge eines Sommerurlaubs. Das versteht jeder. Nach den drei Wochen radele ich weitere drei Wochen und so weiter Das habe ich mir selbst auch gesagt. Gleichzeitig hat dieser Trick Platz geschaffen für ein völlig neues Reise- und Zeitempfinden. Denn die Länge an Zeit, die vor mir lag, war dennoch da. So konnte ich das Experiment „Lebe im Moment“ über Wochen gut durchhalten. Es gab ja keinen Endtermin für die Reise. Anfang Juli hatte ich dennoch grob skizziert. Das Kind braucht einen Namen. Die Ewigkeit erreichst du, wenn du die Zeit vergisst. Aufhörst zu rechnen. Durchschnittswerte zu ermitteln. Zu zählen. Das Ende nicht siehst. Das Ende kommt nur dem in Endlichkeit denkenden endlich vor. Wenn Du aber keinen Begriff mehr hast, keinen Maßstab, mit dem du eine Zeitspanne bewerten kannst, hast du die selbstgebastelte Unendlichkeit inmitten der begrenzten Zeit.
In der Nähe von Rethel stoße ich auf einen Bahntrassenradweg. Nicht befestigt und auch nicht in meine Richtung führend. Aber das Ding klingt verlockend, nach all den Kreuzbergen. Es führt nach Westen ins nächster Bachtal, etwa zehn Kilometer, von da aus könnte ich über die Straße bis ins Aisnetal gelangen, welches wiederum östlich weiter führt. Würde zwei Kreuzberge sparen. Wäre fünfzehn Kilometer weiter? Hmmm. Ich entscheide mich für fünf Kilometer Quälerei, komme schließlich an die Bach- und Flusstraßen in meine Richtung. Einkaufen in Rethel. Achtzehn Uhr. Drückend schwül.
Das obere Aisnetal ist wunderschön. Die Lagerplatzsuche erweist sich jedoch als schwierig. Ein Mann im Vorgarten schenkt mir zwei Flaschen Wasser, sagt, dass es Gewitter geben könnte. Das macht das Lagersuchen besonders schwer. Ich brauche einen Platz mit Notunterkunft in der Nähe, falls es zu arg wird. Am besten etwas mit Blitzableiter. Wie hanebüchen das doch ist. Ich habe als Kind zu viele Bücher gelesen, in denen steht, wie gefährlich Gewitter sind und wie man sich verhalten sollte: Nix metallisches am Körper, in der Hocke in einer Mulde kauern. Nicht am Waldrand, nicht unter einzelnstehenden Bäumen. Nachts habe ich genug Zeit, mir Gedanken um die Unwägbarkeiten der Spannungsausgleichs zwischen Himmel und Erde zu machen. Verdichtetes Halbwissen bringt mich irgendwann auf den Trichter, dass ich über Blitz und Donner eigentlich gar nichts weiß und die anderen, die die Bücher geschrieben haben, wissen auch nichts darüber, weshalb es am besten ist, sich gar keine Gedanken zu machen, denn der Blitz schlägt sowieso ein, wo er will und das muss kein Metall sein und auch kein höchster Punkt von irgendwas.
In Voncq wird die Landschaft geradezu malerisch. Fettes, farbenfrohes Abendlicht. Hinter einem Maisacker sehe ich einen Lagerplatz, fahre in den Feldweg daneben, versinke nach zwei Metern im Schlamm. Nur zwei Meter(!) und das Rad ist über und über verdreckt. Die Räder stecken unter den Schutzblechen fest. Ich muss es zurück zur Straße tragen. Mit den Fingern den Dreck entfernen. Mir deucht, hier hat es letzte Nacht viel geregnet. Weiter auf der D 14 mit schleifenden Rädern. Fluchend, gegen die Dämmerung ankämpfend.
Terron sur Aisne. Richtung Stade. Der Sportplatz ist oft eine gute Wildzeltgelegenheit. Schöne ebene Zeltfläche, frisch gemäht und für den Notfall gibt’s oft auch noch eine Tribüne oder ein Trainerhäuschen, in dem man sich unterstellen kann. Dieses Mal nicht. Mitten im Dorf. Ein paar Meter weiter eine frisch gemähte Wiese. Mein Lagerplatz! Die Sonne kommt nochmal unter den Wolken hervor. Gegenüber der Wiese sitzen Leute auf der Terrasse, die ich prophylaktisch frage. Niederländer. Sie sind zwar nicht die Wiesenbesitzer, aber ich hab mich immerhin angemeldet. Später bringen die beiden Männer mir einen Sack mit Broten und Eiern.
(sanft redigiert und gepostet von Sofasophia)
„Die Ewigkeit erreichst du, wenn du die Zeit vergisst.“
sobald wir aufhören können, in begriffen wie innen, aussen, zeit und raum zu denken – sind wir „drin“ in dem, was die weisen wohl erleuchtung nennen. sag ich mal salopp. dieser ersehnte zustand halt, wo wir einfach nur sind. mir gefällt diese passage total gut, wo du über die ewigkeit schreibst. sie klingt nach freiheit auf einer weiten ebene, die eben keine räumlichen grenzen mehr hat …
gute nacht johnboy :-)
SoSo, guten Morgen Jimbob :-) Es hat mir in die Schuhe geregnet. Mist.
auch guten morgen, maryellen.
oh, nasse schuhe? mist. so groß sind die doch gar nicht! jetzt wärst du froh, hättest du augusts latschen nicht schon verkreuzt, gell? andererseits radelt es sich mit nassen schuhen vermutlich besser als mit gekreuzten.
möge die sonne scheinen und der weg mit dir wachsen.
How do we go beyond fear? Isn’t fear the unknown… and what could be more unknown than thunder and lightening. When we lie in our tents with a thin veil between us and the universe, it is easy to realise that we are vulnerable. We can take precautions and provide solutions to the problems that confront us, but in the end if we surrender to the situation we become strong because we no longer know suffering.