Das Blogfeuer – gut geschürt

Für die einen kann es nicht genug Nachschub geben in diesem Blog, für die anderen ist es zu viel.
„Nun muss ich noch den Blogtakt finden„, schrieb Irgendlink heute Nacht um zwei vor vier geschrieben. Im Kommentarstrang des vorvor…vorletzten Artikels. „Zu viel ist auch nicht gut. Ist wie beim Feuer machen. Zu viel Holz erstickt es, aber was will ich machen? Gib einem Künstler Zeit fürs Kunstschaffen und was macht er? Kunstschaffen! Manchmal frag ich mich, ob diese vermaledeiten Brotjobs, die wir Nonames ausüben, nicht wichtig sind, um die Flut an Kunst einzudämmen, die wir sonst schaffen würden. Ein Tag auf dieser Reise bringt so viel gute Kunst wie sonst ein Monat.“

Ich wünsche uns allen, die wir lesend mitreisen, dass wir – ebenso wie ihn Irgendlink beim Fahren, Schreiben und Fotografieren finden wird – unseren ganz persönlichen Leserhythmus finden werden. Es ist eben auch beim Bloggen wie mit dem Wetter. Und wie im Leben. Mal so, mal so.

Nachfolgend gleich wieder zwei Holzscheite aufs Blogfeuer. Texte von gestern, die mir Irgendlink mit sehr vielen nachtmüden Tippfehlern zum Bearbeiten und Veröffentlichen geschickt hat (by sofasophia).

„Luxembourg le Raëtsel“ including „Heiko will nicht“ vom 30. März 2012

Der ganz normale Luxemburger ist in meiner Vorstellung ein Mensch, dessen Hintern stets vollständig mit Goldmünzen bedeckt ist, um ein Bild zu leihen aus Asterix bei den Ägyptern. Der schräge Architekt, gegen den in dem Comicband permanent intrigiert wird, wird am Ende von Kleopatra mit Goldmünzen überhäuft, als Lohn für seine Arbeit beim Bau der Pyramiden. In meiner Vorstellung sind in Luxemburg alle Menschen reich, die Kultur, Kunst, Theater, Pipapo leben hoch, werden bis aufs Großzügigste gefördert, die Menschen fahren schnelle weiße Autos, sind stets frisch rasiert und gut gefönt, arbeiten als EU Kommissare, und in der Geldwirtschaft. Ich war nie in Luxemburg, außer ein Mal, um an einer Grenztankstelle vollzutanken und Zigaretten und Kaffee zu kaufen. Umso beklommener muss ich sein, das Land nun mit dem Fahrrad zu durchradeln und auf zahlreiche Widersprüche zu meinem zugegeben überspitzten Bild zu stoßen: die Straßen haben Löcher. Überall wird gebaut. In den Hinterhöfen der Häuser, egal durch welche Kommune man radelt, liegt auch mal Sperrmüll, quelle bordell, in Esch-sur-Alzette, welches ich am Morgen von Tag drei durchradele, laufen viele meiner Banker und EU-Kommissare in Arbeitskleidung herum, so, als würden sie auf einer Baustelle arbeiten. An einer Kreuzung in der Fußgängerzone bleibe ich eine Weile stehen. Das Wummern, das oben im Gaalgebierg wie ein Stahlhammer oder ein Walzwerk geklungen hat, ist hier nicht zu hören. Ganz normale Stadtatmosphäre, wie sie auch nach Deutschland passen würde. Außer vielleicht, dass ich keine Bettler vor den Läden sitzen sehe.

Plötzlich höre ich eine Frauenstimme ganz energisch „Heiko!“ rufen und sehe einen hageren Kerl in meine Richtung laufen, der sich von der Rufenden entfernt, die in die andere Richtung unterwegs ist. Sie schiebt einen Kinderwagen und scheint ziemlich erbost. Heiko läuft im Stechschritt, ohne sich umzudrehen und verschwindet in der Seitenstraße. Mühsam wendet sie den Kinderwagen und folgt ihm. Wie ein Nordic Walker sieht er aus, schwenkt die Oberarme, was ihm einen entschlossenen Touch geben soll. Sie ist schnell, holt ihn ein. Heiko will nicht. was will er nicht? Auf der Straße wird man so oft Zeuge feiner, zwischenmenschlicher Begebenheiten, und das genaue Hinschauen des reisenden, ist mir schon manchmal ein bisschen zu intim. Peinlich berührt ob des Beziehungskrachs, betrete ich eine Bücherei, um nach dem Weg zu fragen. Die Bibliothekarin erklärt mir, dass ich, wenn ich nach Westen will, am besten den neuen Radweg an der Autobahn entlang nehme. Auf einem Gratisstadtplan zeichnet sie mir den Beginn ein. Die Luxemburgische Route Nr. 6, Weg der drei Kantone, führt bis ins Dreiländereck nach Petange, wo sie auch wohnt. Von dort aus wäre es gut, über Longwy in Frankreich weiter zu radeln. Wieder vor der Bücherei, die Sachen am Rad verstauend, läuft Heiko zwar verärgert, aber zahm mit ihr und dem Kind nun in die andere, in die richtige, in ihre Richtung. Sein Mund umspielt von einem funken trotzig infantilem Mannesstolz.

Die Richtung kommt mir wieder in den Sinn. Sie ist das A und O dieses Livereisebuches, ein so vielfältiges Thema, im Beispiel Heiko will nicht, entsteht aus einer gemeinsamen Beziehungsrichtung, einem Spaziergang unter wenig verdienenden, womöglich Arbeitslosen mit unschuldigem Kleinkind, aus einer gemeinsamen, anstrengenden Beziehungsrichtung, die in eine zweifelhafte Welt führt zwei neue Richtungen, die sich letztlich, nachdem unser Heiko sich wieder eingekriegt hat, wieder zur alteingesessenen Richtung bündelt. Woher soll ich wissen, was passiert ist, wohin sie ursprünglich wollten, wohin sie nun gehen. Sie verschwinden in Richtung Süden und ich mogele mich am Friedhof vorbei auf den Punkt zu, den die Bibliothekarin mir in den Plan gekritzelt hat auf den schönen neuen Radweg, der durch das schöne neue Verwaltungsgebäuden Esch-sur-Alzette führt, das fast so aussieht, wie das Luxemburg der bis zum Po mit Goldmünzen Bedeckten, wie ich es aus meiner Asterix-Phantasie kenne. Und warum der Titel „Le Raëtsel“? Weil man als Deutscher so selten die Gelegenheit hat, ein E mit zwei Punkten drauf zu schreiben und weil das E mit zwei Punkten drauf es einfach verdient hat, ab und zu geschrieben zu werden.

Matterhornmachen vom 30. März 2012

SoSo sagt immer: wenn man die Schweiz mit dem Nudelholz platt walzen würde, dann wäre sie sooo groß – dabei macht sie eine ausladende Handbewegung und fügt hinzu –, mindestens genauso groß wie Deutschland. Ihr phänomenaler Schweizer Nationalstolz. Luxemburg von Ost nach West an der Südgrenze durchradelnd, kommt mir dieser Spaß immer wieder in den Sinn. In der Gegend um Dudelange und Esch ist das Land so hügelig, dass es den Radler fast zur Verzweiflung bringen kann. Ein einziges Auf und Ab. Wenn man Luxemburg mit dem Nudelholz walzen würde und die vielen Falten aus sanften Tälern und bewaldeten Höhen glätten würde, wäre es bestimmt auch viel größer. Weiter im Westen an der Radstrecke der drei Kantone zwischen Esch und Petange, ist das Land viel flacher. Zwar geht es auch hier leicht auf und ab, aber für den Fernstreckenradler in einer durchaus erträglichen Manier. Man durchquert friedliches Weideland, Wintergerste-Äcker, hat einen weiten Blick nach Westen und das Gaalgebierg im Osten erscheint als grauer Streifen am Horizont. Wenn man das Land zu einem Matterhorn aufhäufen würde, murmele ich im frühlinghaften Westwind, boa, ich weiß nicht, oder gar zu einer Dufourspitze, dann würde es vielleicht gar nicht ganz reichen, um einen so hohen Berg zu montieren. Unvermittelt stehe ich an der N88 in Athus, dem ersten Städtchen Belgiens.

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