iNventur – des Dogmas liebster Verwalter

Weiß gar nicht, wie ich auf die bescheuerte Idee kommen konnte, ab Januar früh um Acht auf die Arbeit zu gehen. Wegen eines Missverständnisses in der Buchhaltung habe ich noch immer zwei Monate Überstunden und wegen anderer Unschärfen könnten es sogar noch mehr sein.

Ich sollte mich glücklich schätzen, mich zurück lehnen, morgens im warmen Bettchen vor mich hinträumen und ich sollte mich verflixt nochmal um den Jakobsweg-Live-Bericht kümmern.

Konzeptkünstler R. hat es auf den Punkt gebracht, als er mir mal wieder ins Gewissen redete: „Du kannst hunderte von Jahren einfach so weiter machen in deinem Leben und dich bequem in deinem mäßig bezahlten nicht sehr schmerzhaften Jöbchen einrichten und für andere Leute Dinge tun, die du besser für dich selber tun würdest und mal ehrlich: des Geldes wegen arbeitest du doch sowieso nicht …“ eine Tirade pseudo-betriebswirtschaftlicher Rede schüttet er über mir aus, fast ohne Luft zu holen, „… bis zum Sankt Nimmerleinstag kannst du weiter schuften, während daheim auf deinem PC deine Kunstideen vergammeln. Wenn du dich nicht so dumm oder so zaghaft anstellen würdest, könntest du den Hungerlohn, den du mit der Lohntackerei verdienst locker, ich sags laut, LOCKER, mit deiner Kunst verdienen.“ So redet und redet und redet der Konzeptkünstler, für den die Geschäfte momentan leider auch nicht so gut laufen, so dass er wieder angefangen hat, Steine zu stapeln an geheimen Plätzen im Wald. Dies als Kunst bezeichnet von geringer Halbwertszeit.

Alles was ein Künstler macht, ist auch Kunst.

Großes Hallo in der Tackerwerkstatt. Die Kollegen T., die gute S., A. und der werte Schmitzi zählen die Firma und tragen jeglichen Bestand in lange Listen ein. Gegen 12 Uhr trudele ich viel zu spät ein. Man drückt mir einen Inventurvordruck in die Hand. Ich notiere: 71 Kaffeetassen, ein Kaffeetassengestell, grün, 39 Flaschen Sekt, Marke soundso, 22 Dosen Kidneybohnen, 1 Posten Kidneybohnenwerbefähnchen, 12 Untertassen 12 cm Durchmesser, 5 Gestelle blau und „wie nennt man denn das da“, fragt Kollege Schmitzi, „das komische sechseckige Werbeschild?“ – 1 komisches sechseckiges Werbeschild, schreibe ich auf und so weiter und so fort. So zählen wir uns in kleinen Zweier-Zählgruppen durch die labyrinthischen Eingeweide der Firma und entdecken so manches Kleinod, das schon lange vermisst wurde. Nachmittags fluppt das Skypechat, welches ich zu Jahresbeginn auf dem iPhone installiert habe und die werte Sofasophia fragt nach meinem Befinden.  Berichtet vom Büroalltag. Auch sie wurschtelt sich durch unerwartet hohe Materialverwaltungsberge, Aktenordner, schreibt vom ‚Berge abtragen‘, tse Berge abtragen, diese Schweizer, derweil ich notiere: 24 Hocker lila, 9 Tisch braun klein alt, 2 Europaletten. Alles, alles, alles, einfach alles wird auf diesen Zettel gekritzelt, später summiert und dann wird die Firma neu ausgerechnet und im Computer abgespeichert. „Warum machen wir das nicht gleich mit dem iPhone“, chatte ich die SoSo an zwischen zwei Zeilen Loungemöbeln cremefarben neu unbenutzt und wasweißichnochalles. Die Inventur nach dem iDogma-Regeln ist geboren. iNventur. Ha.

Immerhin fünf Stunden Arbeit an diesem kalten Tag. Vor meinem Arbeitsplatz stapeln sich die Reparaturen.

Und zu Hause gammelt die Kunst auf dem Computer. Immerhin habe ich in den letzten beiden Wochen ab und zu an der Jakobsweg-Bilder-Serie gearbeitet. Und nun setzt mir der werte Konzeptkünstler den Floh ins Ohr, das Jakobsweg-Live-Buch auszuarbeiten, mit Nikon-Bildern anzureichern, und die vielen Sprachnotizen und Kritzeleien, die ich aus Zeitmangel unterwegs angelegt habe noch in echte Texte zu verwandeln. Das ganze grob korrigiert mit den Labeln „Erstes Buch der Welt, das auf einer iPhone-Tastatur geschrieben wurde“ und „Erstes iDogma-Buch“ verschiedenen Verlagen zu präsentieren. Meine Einwände, dass die Text- und Bildbeiträge zwischen dem 18. November 2010 und dem 22. Dezember 2010 hier in diesem Blog nur dann echtes iDogma sind, wenn sie unverändert mit allen Fipptehlern und den erstaunlich wenigen Ungereimtheiten, die das Live-Schreiben mit sich bringt, hier stehen bleiben, lässt er nicht gelten. Alter UnternehmensberaterFuzzie, der er nunmal ist. „Den Verlag, der sich eine Werbemasche ausdenkt, die nigelnagelneu ist – und das muss er bei der Hülle und Fülle von Jakobswegliteratur, interessiert das überhaupt nicht. Verstehst du? iDogma ist dein Alleinstellungsmerkmal.“

Hum. So sitze ich hier in der kühlen Künstlerbude. Mit acht Uhr aufstehen und wie ein Lemming in die Tackerwerkstatt laufen, hat auch heute nicht geklappt.

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