Der Wert des Straßengrabens

Sind etwa 100 Höhenmeter zwischen dem Dörfchen K. und dem einsamen Gehöft, die ich täglich mit dem Fahrrad überwinde. Im Bergfahren wirst du Eins mit dem Straßengraben, kurbelst langsam Meter für Meter und dein unschuldiger Blick klammert sich verzweifelt an Grashalme, Bierdosen, Papierfetzen und die Radkappen gescheiterter Möchtegernralleyfahrer.

Wieviel ist eigentlich der Straßengraben Wert, dachte ich heute auf halber Strecke.

25 Cent. Eine leere Bierdose lag querab im braunen Acker. Ein paar Meter weiter lag eine Glasflasche.

8 Cent, addierte ich und fügte hinzu: plus 25 Cent, für eine weitere Bierdose hinter der nächsten Kurve.

Morgen werde ich mal eine Tüte mitholen und den Schatz einsammeln, dachte ich bei mir. Das habe ich schon lange vor. Mittlerweile kenne ich sämtliches Pfandgut auf der drei Kilometer langen Strecke. Interessant dürfte die Stelle auf Höhe der Wanderhütte sein, wo täglich eine neue Dose hinzu kommt. Immer die gleiche Biermarke. Das ist frappierend. Ich bin einem Serientäter auf der Spur. Wer ist ER?

Wie auch immer. Obwohl ab und zu einige meiner Pfanddosen im Straßengraben abhanden kommen (jemand stiehlt sie), verfüge ich mittlerweile über ein kleines Vermögen.

Ich bin reich.

Den Wert des Straßengrabens kann man so nicht ermitteln.

Skurriler Weise lag neben all dem Pfandzeugs auch noch der Inhalt eines Briefkastens, Kontoauszüge und Werbung im Straßengraben dort oben im grünen Nichts am Rande der Sickinger Höhe, sowie, und das erstaunte mich doch sehr, ein Exemplar von Kants Metaphysik der Sitten.

Was ich nie so recht verstehen konnte: wie kommt jemand dazu, eine Bierdose aus dem Autofenster zu werfen? Das ist ein bewusster Akt.

Der Straßengraben kann nichts wert sein, wenn man ihn wie Dreck behandelt.

6 Antworten auf „Der Wert des Straßengrabens“

  1. Erstaunlich, was du alles findest…
    Jeder Andere wäre daran vorbeigefahren ohne auch nur einen Gedanken an den Straßengraben zu verschwenden.

    Du nimmst die Umwelt um dich wohl sehr bewusst wahr…
    Meinen Respekt dafür!

    Grüßli, Sunny

  2. Du könntest mal mit meiner grossen Tochter Amina eine SammelTour machen….:D…die macht das auch.Und mittlerweilen hat sie eine grosse Kiste voll Schätze.Immer noch dER FunD der KiSTe ein MountenBike Rad dass sie auf dem Spielplatz fand.Er diente ihr schon herrlich als HulahopReifEn:D.

  3. Pingback: After-Work-Zahlenmystik « Irgendlink

Schreibe einen Kommentar zu strichundstrich Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: