Saint Just Saint Rambert

752 km von Zweibrücken entfernt, unterhalb der Gorges de Loire. Zu sehen zusammen mit zahlreichen anderen Bildpaaren der Zweibrücken-Andorra-Reisen am 18./19./25./26. September 2010 14-19 Uhr im Irgendlinkschen Atelier.

Bei diesem Bildpaar bin ich stolz. Es ist eines, bei denen das 2010er Bild besser ist, als das 2000er. Das ist nicht bei allen Bildpaaren so. Messlatten, die man vor langer Zeit gelegt hat, sind nicht ohne Probleme zu überwinden.

Nee Quatsch. Ich glaube, die Würze liegt in den Bildpaaren selbst, in der Konfrontation des Ichs 2000 mit dem Ich 2010, in der Akzeptanz der Veränderung. Und deshalb bin ich stolz, nein froh, das getan zu haben: die eigene Spur verfolgen, sehen was sich verändert hat und wie ich mich verändert habe. Und auf die Messlatten bin ich auch stolz. Man kann so schön mit zugekniffenem Auge darüber peilen in den blauen Himmel voller Schäfchenwolken und sich vorstellen, wie schön das Leben auf einer Südseeinsel wäre ohne Messlattenkonkurrenzdruck …

Die beiden Zweibrücken-Andorras

Damals in Borredà – so gegen Mittag erreiche ich die Stadt durch ein kleines Bachtal, welches vom Rio Llobregat hinauf führt nach Osten. Trüber Tag, immer wieder sickert Wasser aus den Wolken. In Gedanken bin ich einerseits bei der stillen Kirche Sant Ouirze de Pedret, wo ich die letzte Nacht unter einem uralten Olivenbaum geschlafen habe, andererseits auch schon in der Zukunft, bei D., die an diesem Tag von den Cevennen im Zentralmassiv mit dem Auto nach Süden fährt, um mich zu treffen.

Kaum zu glauben, dass dies der letzte Tag der Radeltour war. Und dass sich daran noch eine knapp zweiwöchige Autotour anschloss, die ich als das Sahnehäubchen auf der ganzen Aktion betrachte.

D. hatte ein ganz besonderes Geschenk im Gepäck: Die Inhalte dieses Weblogs zum Thema Zweibrücken-Andorra chronologisch sortiert und ausgedruckt. Irgendlinks Reisen 2000 und 2010, sowie einige verborgene Texte, ein Buch von über 200 Seiten, reichhaltig bebildert.

Eigentlich ist es mit dem Schreiben wie mit dem Radfahren: ein langwieriger, anstrengender, aber ebenso erfüllender Prozess, bei dem man peut a peut seinen Standpunkt verändert. Ohne es zu merken. Weil alles so langsam geht. Wie unscheinbar man doch die Pyrenäen überqueren kann mit dem Fahrrad und wie wenig Arbeit es doch ist, 200 Seiten Buch zu schreiben.

Oke, ich gebe es zu, das Ding kann ich in der Form niemandem zumuten. D. hat zwar erhebliche Arbeit geleistet und schon viel Ordnung reingebracht, indem sie sämtliche Weblog-Texte in die richtige Reihenfolge gebracht hat. Ein Problem ist jedoch geblieben: wie kann ich die beiden Reisen aus dem Jahr 2000 und 2010 synchronisieren. Bin ich 2000 am 16. April gestartet, war es 2010 der 20. April – das lässt sich noch hinbiegen, aber die immer größer werdende Abweichung der Tagesetappen kann man nur schwer klar darstellen – war ich im Jahr 2000 nach 17 Tagen in Spanien, hat es 2010 satte 22 Tage gedauert.

Natürlich würde ich das Buch gerne zu einem Ergebnis bringen, aber ich habe mich in meinem eigenen Leben selbst verirrt.

Es gibt eigentlich nur drei Wege zum Buch:

  1. Ich rekonstruiere die Strecke in meinem Atelier und male eine Landkarte mit allen Bildern und allen Texten. Dann kann ich durch das Modell spazieren und mir überlegen, wie ich das Ganze in Buchform bringe – günstiger Nebeneffekt: ich habe mal wieder eine Kunstausstellung realisiert.
  2. Ich vereinige meine Idee vom Mai 2009 (den Jakobsweg zu fälschen, indem ich an Hand des Reiseführers mir die Geschichte nur ausdenke, anstatt sie selbst zu erleben) mit der Zweibrücken-Andorra-Reise. Ich fälsche meine eigene Strecke und erfinde mich und meinen Weg einfach neu.
  3. Ich lasse alles liegen, so wie D. es arrangiert hat, und lebe glücklich und zufrieden, bis das graue Band, das niemals endet irgendwann doch mal endet.

Fall Nummer drei ist dem Faulpelz in mir am Liebsten. Wer das aktuelle Buch haben möchte in seiner rohen Form, kann das 25 MB große Word-Dokument bei mir per Mail anfordern.

Ich habe begonnen, die Strecke durch Frankreich in meinem Atelier nachzubauen. Ein etwa 25 Meter langer roter Faden. Vielleicht schaffe ich es bis September diese Rauminstallation zu realisieren?

Zweibrücken Andorra im Jahr 2000, Kilometer 1420 – kurz bevor die Pyrenäen so richtig steil werden.

Zweibrücken-Andorra 2000 Tag 17

2. Mai anno 2000. Über L‘ Hospitalet, der letzten Siedlung in Frankreich, schraube ich mich den Pass zur Porte de Envalira hinauf, erreiche gegen Mittag Pas de La Casa, die einzige Stadt in Andorra nördlich der Pyrenäen, wähne mich schon oben in diesem Ski-Touri-Kaff. Es präsentiert sich bunt und üppig. Ich fotografiere wie verrückt, kann mich gar nicht satt knipsen. Wenn diese Radeltour ein Film wäre, so wäre dies sicher der würdige Höhepunkt, die Dramaturgie auf der Spitze. Hinter Pas de la Casa muss ich noch einmal 400 Höhenmeter anhängen bis zur Porte de Envalira; 400 Höhenmeter sind per Faustformel für den Radler etwa 1 Stunde Fahrzeit. Das eigentlich knifflige an einer Passfahrt, ist der eigene Kopf, der einen bremst. Im Grunde aber bedeutet es doch nur, den Körper so lange arbeiten zu lassen, bis das Ziel erreicht ist.

Aus Geldmangel werde ich in Seo d Urgell in Spanien, gerade mal 50 Kilometer von der Porte de Envalira entfernt umkehren. So mein Beschluss. Symbolisch fotografiere ich die Platanenallee auf dem zentralen Platz von Seo, welcher mir als Ausgangspunkt für eine spätere Reise durch Spanien bis nach Gibraltar dienen soll.

In den folgenden Tagen radele ich nach Deutschland zurück über Bourg Madame, Perpignan, Montpellier, Valence, durchquere das ungestüme Lyon und Franche Comte bis zum Rhein.

Tagebuchseite vom 2.5.2000 > durch Draufklick vergrößern

Tag 17 -> Ax les Thermes bis Seo ‘d Urgell