20. April, 2000, Campingplatz Dijon-Talant bis nach Autun. Nachdem sich am gestrigen Abend alles zum Bösen gewendet hat, ich meine Kreditkarte verloren habe und das Reisebudget somit auf 3000 Franc (500 Euro) geschrumpft ist, nun ein Lichtblick: strahlendes Frühlingswetter. Die Information, ob es in Dijon einen Campingplatz gibt und wo er ist, entlockte ich einer sturen, feinen Dame, die mich zunächst ignorierte, weil sie wohl Angst vor mir hatte. Ich Europenner, ich. Erst, als ich sie mehrfach, stets freundlich, aber zunehmend lauter in bestem Französisch um Auskunft bat, reagierte sie und wies mir den Weg nach Talant. Das beste an der Sache ist, dass direkt vor dem Zeltplatz ein fein ausgebauter Radweg am Canal de Bourgogne nach Westen führt. Genau meine Richtung. Auf einer Bank tausche ich meine Traveler-Schecks, die mir für den Rückweg aus dem Süden dienen sollen in Bargeld. Erinnere mich an meinen alten Reisefreund Michael, der mir von seiner missglückten Radeltour nach Marokko erzählte: kaum war er mit dem Schiff in Tanger angelangt, hatte ihm auch schon ein Trickdieb seinen Geldbeutel und alle Papiere entwendet. Auf der Botschaft stellte man ihm Ersatzpapiere aus und lieh ihm 100 DM (50 Euro). Er verzichtete auf Marokko, radelte mit dem wenigen Geld schnurstracks durch Spanien zurück nach Hause.
Mal sehen, wie weit ich mit dem Zehnfachen komme.

Kanalradweg am Canal de Bourgogne

Im Gepäck habe ich zwei Kameras: eine Nikon F301, unverwüstlich, mit Schwarz-Weiß Filmen geladen für die Streckenfotos der Kunststraße. Eine Nikon F601 mit DIA-Film für die Sehenswürdigkeiten. Erst am 5.Tag in Dijon mache ich die ersten Farbbilder. Fotografieren ist für mich vor allem eine Gefühlsfrage. Nur wenn ich in einer entspannten, guten Stimmung bin, können mir große Aufnahmen gelingen. Die Kunststraßenphilosophie ist eine Philosophie der Langsamkeit, der Besinnung, des zur Stille findens. In den Streckenfotos, die die Straße zeigt, die zwischen den Sehenswürdigkeiten dieser Erde liegen, würdige ich ebendieses, von den meisten Menschen nicht beachtete, aber doch so wichtige Element des Tourismus.

Spiegelungen in Bligny, Marktplatz und der Weg, der Weg, der Weg.

TGV-Brücke über die N81, etwa 15 km vor Autun. Fast alle Fotos der Kunststraße lassen sich auf der Karte wieder finden. Das Notizbuch enthält detaillierte Informationen über den Fotostandort. Nur noch 10 Tage, bis die US-.Regierung ihre militärischen Navigationssatelliten für die zivile Nutzung freigeben wird. Bin ich also mit meiner Kunst der Zeit nur noch um zehn Tage voraus? Die erste Kunststraße mit lokalisierbaren Bildern habe ich 1994 fotografiert.
Tag 5 -> Dijon bis Autun
Mittleres Bild Fouvent le Bas, Kilometer 320 der Tour.

Ortsschild Dijon auf einer stark befahrenen Einfallstraße. Im ersten Supermarkt, den ich antreffe, kaufe ich ein feines, französisches Notizbuch – seither bevorzuge ich diese, etwas größeren als DIN A 5 Format, Ringbücher für meine geheimen Reisenotizen :-)
Bayon – Charmes -> Brantigny
Lerrain
Lerrain – Attigny
Dorfplatz in Jussey, im Hintergrund die Kirche. In der Abenddämmerung suche ich einen Zeltplatz, werde außerhalb des Dörfchens Montigny auf einer Wiese fündig. Im Dorfbrunnen von Montigny fülle ich meine Wasservorräte auf.
Rhein-Marne-Kanal bei Artzviller (Kanaltunnel) hinauf nach Guntzviller bis Niederviller.
auf ruhigen Departementsstraßen bis nach Luneville; der Nachteil dieser ruhigen Sträßchen ist die mangelnde Konsum-Infrastruktur. Wenn man Glück hat, begegnet man einem fahrenden Bäcker, bei dem man ein Pain au Chocolat oder ein Baguette kaufen kann.
Landstraße bis Bayon an der Mosel; direkt am Fluss (nicht im Bild) der Camping Municipal von Bayon ist Ziel des zweiten Tages. Auf dem Zeltplatz bringt mir eine holländische Familie die Reste ihres Nudelmenüs zum Zelt. Ich Europenner, ich.


