Sie denken sogar ans Klopapier!

Nun erhalte ich schon erste Nachfragen aus der Geocacher-Szene, was denn los sei, man höre nichts mehr von mir, seit Wochen kein Erdversteck mehr gefunden.

Die Zeit vergeht viel zu schnell.  Das Atelierfest bringt mächtig Schwung in die Baustelle. Der alte Kuhstall hat nun ein Gesicht. Die Glasfront ist weit gediehen. Das Glas steht in der Ecke. Ich scheue mich, die Scheiben einzusetzen. Bei dem guten Wetter der letzten Tage war es nicht nötig. Ich habe Angst vor Glas. Es ist so zerbrechlich, so ungeduldig, verzeiht keinen Fehler. Vor allem das Glasschneiden ist eine heikle Sache.

Würde gerne hinausziehn in die Wälder zum Wandern und Radeln. Würde gerne an den beiden Literaturprojekten weiter schreiben.

Nun in der Frühstückspause knapse ich ein wenig Zeit für den Blogeintrag. Hastig Dahingetipptes. Eine kurze Unterbrechung meiner Putzarbeit.  Nur noch ein paar Striche mit dem Schrubber und das 40 Meter lange Atelier ist poliert. Heut Abend kommen die ersten Mainzer. Ich war gerührt, als mich der erste Vorsitzende des Kunstvereins gestern anrief und sagte: „Wir bringen Klopapier mit.“

Klopapier, mein Gott!. Die ganze letzte Woche denke ich während der Arbeit immer wieder an Klopapier, musst doch Klopapier kaufen, wenn so viele Gäste kommen. Dann das, und noch viel mehr. Ich glaube, sie haben auch Kaffeefilter und Toastbrot und Butter und Käse und Joghurt und Servietten und Sauerrahm gekauft, um die Gastkünstler zu versorgen. Aber vor allem Klopapier.
Anhand dieses Details erkennt man die Qualität der Zusammenarbeit: wer an Klopapier denkt, auf den ist Verlass. Der hat die Kette der Unwägbarkeiten bis zum letzten Glied durchlaufen.

Vigenère

Warum nicht ein bisschen geheimnisvoll tun? Das Leben ist nur eine Kombination verschiedener Gewohnheiten.

Mal ausbrechen,

Die Texte dieser Rubrik sind mit der Vigenère-Methode verschlüsselt.

Den Dekoder gibt es bei www.einklich.net unter „Vigenerizer“.

Ytmy Ckgvd oish Hybfgrgahdarpx. :-)

23 Tauben auf dem Dach

Die 50 Meter lange Scheune ist imposant. Die Silhouette New Yorks des kleinen Mannes, weshalb ich die Scheune gerne betrachte. Heute hatten sich weiße Tauben auf dem Dach nieder gelassen. Das geschieht manchmal. Sie verirren sich, ruhen sich aus, warten ab, fliegen weiter. Meist ist es nur eine einzige Brieftaube, die dort oben sitzt. Heute waren es viele. Ich zählte 23 und wunderte mich über die Illuminaten. 23 ist bekanntlich die Zahl der Illuminaten. Alle bekannten Menschen des Planeten wurden an einem 23ten ermordet, geboren, heirateten. Die Maschinen des elften September schlugen im 23ten Stockwerk ein, Osama Bin Ladens Schwanz ist 23 cm lang und noch so Einiges. Trotz mysteriöser 23 Tauben kümmerte mich nicht mehr um das Dach (es ist 11,5 Meter hoch). Ein paar Stunden später goss ich 23 Pflanzen und zählte die Tauben. Es waren nur noch 19. Ich zuckte mit den Schultern, sagte mir, manche werden wohl weiter geflogen sein. Ein paar Stunden später waren nur noch wenige Tauben auf dem Dach. Gut so, dachte ich, dann ist diese elende Hitchkock-Atmosphäre endlich vom Tisch. Die Viecher sind nämlich unheimlich. Sie machen Geräusche. Wenn man im Atelier sitzt, klingt das mitunter wie Morsezeichen. Sie picken auf den Ziegeln. Für einen Moment war ich versucht, den Code zu dekodieren. Wer weiß, was die Illuminaten einem Künstler auf einsamen Gehöft mitzuteilen haben? Stellte mir vor, die Tiere hacken an den Holzwänden, genau wie in Die Vögel. Dann begab ich mich in den Garten und pflückte Salbei für den Winter. Schaute nach oben. Nur noch drei Tauben auf dem First. Sie kommen langsam in die Gänge, die Mistviecher. Blatt um Blatt pflückte ich vom Salbeibusch, bis Gezeter mich erschreckte, ich nach oben schaute und einen Greifvogel sah, eine ums Leben kämpfende Taube in den Klauen. Dahin also gehen die 23 Tauben, dachte ich. Dann widmete ich mich wieder dem Salbeistrauch und dachte drüber nach, ob der Nichtexistierende oben im Himmel sich womöglich wundert, dass am Salbeistrauch die Blätter immer weniger werden?

Geld

Das Rätsel des mysteriösen 1000-Euro-Kontos in meinem Online-Bank-Account ist endlich geklärt. Wie ein Büßer stand ich am Bankschalter und fragte: „Listen sie zufällig ein Konto, auf dem 1000 Euro sind unter meinem Namen?“ Die Bankerin tippte ein paar Tasten im Computer, dann sagte sie: „Ja.“

„Das Geld gehört mir nicht.“

„Hier steht aber, es gehört ihnen, vielleicht haben sie ihr Sparkonto vergessen? Wir hatten kürzlich eine Änderung in der Software, nun werden alle Konten eines Onlinebankers in einem Account gelistet.“

Tatsache ist, dass da mal etwas war, und es war nicht sehr viel. Ich bin ein Opfer – nein, ein Begünstigter der Zinseszinsfalle, was unweigerlich Fragen hinsichtlich des Jesuspfennigs weckt: Hätte man zu Lebzeiten Jesu auch nur einen Pfennig mit normalem Zinssatz angelegt, mein Gott, das ist gerade mal 2000 Jahre her, dann könnte man heute von den Erlösen aus Zins, Zinseszins, Zinseszinseszins etc. das gesamte Universum bis etwa 30 Trillionen Lichtjahre Entfernung kaufen.

Geld hat als Flussmittel für den Handel eindeutig versagt, wie man in diesem (sehr ausführlichen) Artikel lesen kann. Der ursprüngliche Link funktioniert nicht mehr und wurde entfernt. Eine Version liegt aber noch in der Waybackmachine. Der Artikel ist von Volker Freystedt. Er erschien in Connection 7/1998. Wenige besitzen alles und arbeiten damit, viele besitzen kaum etwas und arbeiten für die Wenigen.

Was mich betrifft, so freue ich mich natürlich über den Geldsegen. Weiß gar nicht wohin damit. :-)

Am Ehesten könnte man mich als Nichtverbraucher bezeichnen. Ich will die wenigsten Dinge haben, die produziert werden, wenn ich das so plump sagen darf.

Vielleicht setze ich unbewusst das Geld dafür ein, wofür es gedacht ist, lasse es für meinen Sinn fließen. Man möge mir das Versehen mit dem vergessenen Konto verzeihen.

Muss man Geld horten? Gibt es einem Sicherheit? Sicherheit entsteht doch aus Methode, nicht daraus, zurückzuhalten, zu bunkern und zu bremsen. Die Methoden, die ich kenne, nutzen mir weitmehr, als alles Geld auf allen Konten. Mit den Methoden kann ich mich in den Fluss der Materialien und Dienstleistungen einbringen. Mit Geld, kann ich sie nur benutzen (das ist langweilig, man will doch mitspielen).

Die Zukunft macht vielen Angst. Wer weiß was Morgen ist, vielleicht sollte ich ein Polster anlegen, kann ja nicht immer auf dem Zahnfleisch gehn?

Die Zukunft ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, vor allem dann, wenn man eine Vorstellung davon hat und sie somit eigentlich gar keine Zukunft ist, sondern nur eine Zurechtdenkung vieler, nicht kalibrierter Einzelheiten. Wenn von diesen Einzelheiten nur eine einzige anders ausfällt, als man sich vorgestellt hat, ist es aus mit der Zukunft, die man sich ausgemalt hat.

Wer weiß schon, welche Taste ich als Nächstes auf dieser Tastur betätige?

$

Ah, das Dollarzeichen!

Während Ihr das lest, ist die gesamte Tastenhackerei schon längst geschehen. Ich werde Lieder von 2Raumwohnung gehört haben; die Tür zur Wohnung wird sperrangelweit offen gestanden haben; ich werde diesen Text grob auf Tippfehler sondiert haben und schließlich die finale Veröffentlichungstaste gedrückt haben.

Die Relativität der Angst

Heute Holztag. Zusammen mit meinem Vater auf dem uralten Porsche-Traktor hinunter in den Wald gefahren. Der Waldweg ist sehr schmal. An manchen Stellen bröckelt er metertief in die Schlucht. Ich halte es stets für ein Wagnis, den Traktor dort hinunter zu steuern; vollbeladen mit Holz wieder hinauf ist noch kritischer. Meinen Vater kümmert das nicht im Geringsten. Er beherrscht das Gerät im Schlaf. So kann er den Traktor, wenn er sich an einer besonders steilen Stelle aufstellt und die Vorderräder in der Luft hängen, trotzdem noch lenken, indem er die einzeln zu betätigenden Bremsen der Hinterräder benutzt (willst du z. B. nach rechts, dann bremse nur rechts).

Es gibt eine Wurzel mitten auf dem Weg, die ich als die kritischste aller Stellen betrachte. Man muss mit dem Hinterrad press an der Wurzel vorbei navigieren (die Vorderräder spielen an dieser Stelle keine Rolle, weil sie sowieso in der Luft hängen). Links droht die Schlucht. Ein Fahrfehler und man ist tot.

Ich habe mir oft Gedanken gemacht, warum mein Vater diesen Engpass so ohne Weiteres hinnimmt. Heute habe ich eine Schaufel und eine Spitzhacke mitgenommen, die Wurzel frei gegraben und mit einer Bürste Sand vom Stamm gekratzt, damit man mit der Kettensäge hindurchfahren kann. Mein Vater konnte nicht verstehen, warum ich das tue. Ich sagte, ich habe Angst! Man könnte sterben hier.

Mir zu Liebe zerteilte er die Wurzel, so dass der Weg nun frei ist und man ohne Gefahr passieren kann.

Später wurde mir die Relativität der Angst bewusst. Im Einen wohnt die Angst, im Anderen nicht. Das ist von Situation zu Situation verschieden. Für meinen Vater war es ganz natürlich, an der Wurzel vorbei zu navigieren. Ich hingegen sah nur den Abgrund. Genauso ist es in vielen verschiedenen Menschenleben und in den unterschiedlichsten Situationen. Wo es dem Einen die Haare zu Berge stehen lässt, zuckt der Andere nur mit der Schulter. Ich kann mir vorstellen, dass mein Vater bezüglich meines waghalsigen Künstlerlebenswandels ähnliche Gefühle hegt, wie ich bezüglich seiner Traktor-Eskapaden.