Call my Streetname und andere Obskurismen

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Symbol für die Zweischneidigkeit von Entscheidungen. Dass der Konflikt zwischen Wollen und Nichtwollen bis in die Amtsstuben durchschlägt ist sicher ein Novum. Was im privaten Bereich so menschlich ist, gereicht auf diesem Berner Spielplatz ins Groteske. Aufgenommen im „schwarzen“ Viertel, den Matten im Aaarebogen. Bern ist für den Straßennamenfotograf ein Zuckerstückchen: jedes Quartier hat seine eigene Straßennamenschilderfarbe ( daher schwarzes Viertel, denn die Straßennamen dort sind weiß auf Schwarz; mit dem gelben Viertel bin ich durch; grün und schwarz teilweise fotografiert). Bern scheint eine gute Chance, eine europäische Hauptstadt komplett auf diese Weise (Fotoserie mit Leitmotiv Straßennamenschilder) zu portraitieren.

Die Serie Call my Streetname (Stadtportrait auf Basis der Straßennamenschilder) habe ich 2003 begonnen, seither etwa 10 Städte derart „gescannt“, u. A. Berlin und Mainz. Derzeit arbeite ich an Saarbrücken. Faszinierend an der Sache ist die Art, wie man sich einer Stadt touristisch nähert. Wenn man es konsequent durchführt, kommt man in jedes Stadtviertel und entdeckt die geheimsten Ecken; Szenen wie Obiges zählen ebenso zu dem Kunst- und Erlebniskonzept, wie die „echten“ Sehenswürdigkeiten. Nach einer solchen Session könnte ich getrost Taxifahrer in der jeweiligen Stadt werden. Für meine Heimatstadt Z. (ca. 35.000 Einwohner habe ich 2003 bei 4-5 Arbeitsstunden pro Tag etwa eine Woche gebraucht. Berlin würde mindestens ein halbes Jahr dauern (dort habe ich 2004 im Rahmen eines Stipendiums die gesamte Gropiusstadt (so groß wie Z., aber wegen der Hochhäuser weniger Fläche und somit weniger Straßen) derart protraitiert und ein Gutstück Mitte, Neukölln und Kreuzberg).

Unten ein Screenshot (anklick zum Vergrößern) aus dem Dateiordner eines der Mainz-Arrangements. Die künstlerische Arbeit geschieht in 3 Stufen: 1. Fotos sammeln, also die jeweilige Stadt  geradezu scannen, dabei die Standards (schöne Touri-Fotos) nicht vergessen, aber auch das Marode und Abstruse in die Serie aufnehmen. 2. Bilder archivieren, versuchen das Typische zu erkennen und dies bei Schritt 3, der Komposition der 1×1 Meter großen Bildtafeln berücksichtigen (in Mainz etwa war ein Thema die unterschiedlichen Straßenschilderfarben, rot und blau, welche Aufschluss darüber geben, ob die Straße in Richtung Rhein führt oder neben dem Rhein her läuft; in Z. generierte ich die Bildtafeln nach den im Einzelbild vorherrschenden Zweite-Klasse-Motiven, den Motiven, die sich im Hintergrund auf die Bilder mogelten und die immer wieder kehrten). Die Gropiusstadt ist nach Tageszeiten bzw. nach Farbstimmungen sortiert (es gibt eine Nacht-Bildtafel, die sehr gelungen ist, auf der nur Fotos zu sehen sind, die ich bei Nacht aufgenommen habe). Ein Call-My-Streetname-Portrait-Bild besteht aus 56 Einzelfotos, wobei die Straßennamen das Leitmotiv sind. Mainz ist auf insgesamt 9 Bildtafeln a 1×1 Meter dargestellt. Es gibt auch eine eigene Mainz-Postkarte.

mz-screenOben Rohmaterial der Bildtafel Mainz 1

Zwei neue Kunstwerke fertig gerahmt. Könnte sie für 25 Euro verkaufen. Auto zulassen, Fahrzeugzulassungsstellenfrau Gummiebärchen geschenkt, ohja, ein moderner Robin Hood, das bist Du nimmst die Gummiebärchen von der Autokennzeichendruckerei und verteilst sie unter den armen Fahrzeugzulassungsstellenfrauen – nebenbei gurgelt das Hirn und phantasiert: mit der neuen Karre so weit nach Norden fahren, wie es geht, dann Schneepflug mieten und fahren bis das Benzin all ist. Notiz an mich selbst: der Waterframe – unbedingt die Aggregatszustände des Wassers beachten! Leben kommt wieder in ruhige Bahn.

Muss verrückt sein. Auto gekauft. Zeitungsjob gekündigt. Neuen Job angenommen. Kunst wieder hintangestellt. Dabei lief diese Woche der Kunst bestens. Schnuppern am Braten der Freiheit. Typen wie mir bekommt die Freiheit nicht. So leid das tun kann. Der leichte Druck, den der Lohnerwerb auf einen ausübt ist das Garn, aus dem ich meine Stoffe webe. Soeben entdecke ich bei der werten Sofasophia „Gebete als mäandrierende Wege durch die Labyrinthe der eigenen Kraft begreifen“ – weiß noch nicht, was ich damit anfangen kann, aber klingt guuut, so verdammt guut. Das muss man sich mal im Hirn zergehen lassen.

Nun hocke ich hier mit der neuen Karre und dem neuen Job, sämtliche Türen zur Vergangenheit zugeschlagen und die Kunst auch wieder beendet. Ein paar neue Bilder sind unterwegs – das Erotten-Bild einen Artikel zuvor gehört auch dazu. Das reicht aber nicht für eine Ausstellung. Das Schöne an der Kunst ist das Kunstschaffen. Man sollte gelbe und blaue und schwarze Farben bevorzugen sowie die Striche von links nach rechts ziehen.

Paar Tage her, dass Journalist F. zu Besuch war und man über die Kunst schwadronierte und ich weiß nicht wie, aber irgendwie kamen wir darauf zu sprechen, Kulturgelder zu beantragen und auf dem einsamen Gehöft ein Maislabyrinth zu bauen, in dem sich zwölf Künstlerinnen und Künstler verbergen, das Labyrinth der Meister oder der Maister? Kurzum diktierte mir Kulturorganisatorengottheit F. den Antragstext und ich kritzelte das Ganze mit B5 Bleistift fettig auf die Rückseite der Ausschreibung, immerhin 4000 Euro Zuschuss kann man beantragen – ich weiß nicht, ob ich den Antrag stelle. Dieser ewig mahlende Konflikt der Kunst. Man könnte es so leicht haben und sich im Job zurück lehnen, nichts denken, sich keine Sorgen machen.

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Neues aus der Erotten-Serie. Hier ein Sandwich aus gebrochenen Eierschalen und der Aufnahme eines verwitterten Softpornohefts.