Last Exit Q

Morgens denke ich darüber nach, ich sollte endlich mal einen finalen Artikel schreiben, mit dem ich das Blog beende. Irgendwas Markantes, ein Meilenstein, ein leuchtender Stern am Bloggerhimmel, eine Supernova. Ich stehe unter der Dusche und wasche mir die Achselhöhle mit einem Lavasand, den es nur auf den Kapverden gibt. Geschmack Lavendel. Jawoll, Mann, Mann, Mann, hast seit letzten November oder noch länger nix mehr Relevantes geschrieben, nur eine Serie von Notfallartikeln, wie sie einem Kreuzfahrtschiffkapitän gut anstünden, der nach nächtlicher Havarie ein Schott ums andere schließt, um sein‘ Kutter zu retten. Aber hee, Mann, das hier iss ja kein Kreuzfahrtschiff und du bis‘ kein Kapitän. Wie also sollte der letzte Blogeintrag lauten? Ich stelle das Thermostat der Dusche kurzfristig auf 15 Grad, um meinem Hirn den nötigen Schock zu versetzen, die letzten Worte zu finden, reibe mit einem Naturschwamm die Schulterblätter und kümmere mich anschließend um die Ellenbogen. Die Ellenbogen und die Schulterblätter werden beim Duschen nämlich allzu gerne vernachlässigt, weshalb so viele Menschen Schulterblatt- und Ellenbogenprobleme haben.

Mit einem Q, schreie ich, jawoll, mit einem Q soll der letzte Blogbeitrag enden. Es gibt keinen besseren Buchstaben, als das Q, um ein Blog zu beenden.

Ha.

Nun – spätabends, nochimmer riecht mein Bizeps nach Lavendel und die Schulterblätter ducken sich dankbar unter dem achten Halswirbel – wird mir klar, dass das verdammt schwer wird, ein Blog zu beenden, wenn der letzte Artikel mit einem Q enden soll. Verflixt aber auch.

(Dann schreib‘ ich hier mal son wunderbarn Stuss, der mir grad nach langem harten Arbeitstag durchs Hirn geht)

Reni du bis tran

reni-du-bis-tran

Lange bevor es Weblogs gab, wussten die Menschen schon, wie sie ihre Gefühle öffentlich ausdrücken – ca. 2000 Pasteurstraße Ecke Ehrlichstraße, Zweibrücken.

Gegenüber auf dem Kreuzberg hatte man die letzten Stühle aus den Militärbaracken geräumt. Wenig später sollten sämtliche Gebäude aus der Nachkriegszeit abgerissen werden.

stuehle-xberg

Zehn Jahre danach

Ist eigentlich nicht meine Art, in die Vergangenheit zu schauen. Aber aus künstlerischen Gründen scanne ich derzeit das Fotoarchiv aus analogen Zeiten. Meine konsequente, beinahe sture, autistische Art kommt mir zu Gute und ich habe nicht nur Ansichten von äußerst interessanten Orten gespeichert, die heute ganz anders aussehen; ich habe diese Orte auch über mehrere Jahre beobachtet. Zum Beispiel den Birnbaum vorm einsamen Künstlergehöft, den eingefleischte (bzw. eingepflanzte, falls VegetarierInnen) BloglerserInnen nur zu gut kennen. Unten: das erste Bild des  Jahrtausends, welches ich am 1. Januar 2000 mit starken Kopschmerzen bei einem kalten Spaziergang runter in die Stadt gemacht habe:

birnbaum-01012000

Bemerkenswert: ich habe extra auf dem Film notiert, dass es das 1. Bild des Jahrtausends ist. Kann man mal sehen, zu welch Spinnereien einen der Zeitwahn und Datumsfetsichismus erzieht. Unten der gleiche Baum im Jahr 1997, aufgenommen während einer Fahrradtour von Mainz nach Dijon mit Zwischenhalt in Zweibrücken. Es ist nicht das erste Birnbaumbild, aber vermutlich das zweite.

birnbaum1997

Schön, der kleine Busch zur Linken, nichtwahr? Ich weinte, als man ihn schredderte.

Brisanter dürfte meine Kreuzbergbeobachtung seit ca. 1999 sein. Damals war das Gelände der heutigen Fachhochschule im regen Konversionswahn begriffen. Beinahe täglich wurden Bäume gefällt, Rohre verlegt, Gebäude abgerissen und die Straße verlegt, sowie Kreiverkehre, ohjeh.

Unten: Amerikastraße von Norden Richtung Fachhochschule blickend, links eine abrissreife Militärbaracke, ganz rechts das neue Gründerzentrum, vorab rechts das Lauterbach-Gebäude. Alle Bäume im Bild wurden gefällt, dafür Rosen und weiter im Hintergrund neue Bäumchen. Insbesondere um den schönen schwarzen Baum im Vordergrund tuts mir leid (ich weinte, natürlich).

x-berg-zweibruecken1999

Travers – Zweibrücken 2001

filmstreifen-san-bernardino

Altes Archiv scannen. Hier eine re-Montage von gescannten Einzelbildern mit dem wunderbaren Gimp-Filter „Filmstreifen“. Bilder aus August 2001, während eines stundenlangen Gewitters auf dem San Bernardino Pass. Die Reise führte von Travers via Lausanne, Simplon, Centovalli, San Bernardino, Chur, Heidiland, Liechtenstein, Rheinroute, Straßbourg nach Zweibrücken.

Neben Zweibrücken – Andorra zweite, wichtige, unveröffentlichte Kunststraße.

Es wird nicht funktionieren. Seit Jahren denke ich über die Live-Reise nach: ständig online, den Reisecontent dirket ins Netz. Ich kann mir die Technik nicht leisten. Und ich bin zu faul (vor allem das ist ein Hinderungsgrund). Irgendwie will man es ja auch gemütlich, wenn man unterwegs ist, will nicht Sklave sein der Follower. Dennoch: die Theorie reizt mich immer noch. Nur 3600 Euro. drei Flatratemobilverträge für Frankreich, Spanien und Deutschland und ein meinetwegen Iphone. Dann die 15 Minuten-Idee, Koordinaten, Bilder und Texte direkt ins Netz. Es wäre möglich.

Schon 2000, als es noch keine Satelitennavigation gab, habe ich eine Reise geo-getaggt, bin so gereist, dass man den gesamten Reiseinhalt, Bilder und Texte lokalisieren könnte. Gerade rekonstruiere ich die Strecke Zweibrücken Andorra, damit ich nächsten April mich auf meine eigene Spur begeben kann.

Hier zwei Bilder vom Rückweg.

narbonne

Sagen wir mal grob in der Nähe von Narbonne liegt dieser wunderbare Radweg. 2000 befand sich das europäische Fernradwegenetz noch gerade so im Entstehen. Immer wieder versetzt es mich in Erstaunen, wenn ich alte Bilder sehe, die Szenen zeigen, auf denen heute schön angelegte Radwege verlaufen. (1997 gab es zum Beispiel noch keinen Bliesweg. Das ist eine ehemalige Bahntrasse zwischen Homburg und Sarregueminnes, die nun ein Primaradweg ist. Bilder von 1997 zeigen, dass damals der Radweg noch nicht existierte.)

deviation

Wunderbares Paradox in Lespignan: Umleitungsschilder. Natürlich ignoriert der Fernradler solche Hinweise.