Zweibrücken-Andorra 2000 Tag 11

26. April anno 2000. Von Chapeauroux fährt man dem gleichnamigen Fluss entlang bis sich alle Bäche in den Bergen verlieren. Eine wunderschöne Strecke bei aggreabler Steigung. Danach eine Berg- und Talfahrt über drei Pässe (1300 bis 1500 m) durch eine Art Mondlandschaft hinunter in die Tarnschlucht. Auf dem Campingplatz von Le Pont de Montvert zahlreiche Touristen, auch Radler aus Neuseeland, die die Schlucht in West-Ost-Richtung queren. Ich beschließe, weil ich die Nase voll habe von bergen, der Schlucht zu folgen, mich ihr zu unterwerfen.

Tag 11 -> Chapeauroux bis Le Pont de Montvert

Zweibrücken-Andorra 2000 Tag 10

25. April anno 2000, eine Bergetappe via Le Puy, das graue Band, das niemals endet zieht alle Register: auf der N88 hinter Le Puy überholen mich kolonnenweise LKW mit einem Rattenschanz an PKW, die nicht an ihnen vorbei kommen. Dieselrußgestank, zunehmende Kälte wegen der Meereshöhe. Mühsam erklimme ich 1300 Meter in der Nähe von Cayres. Danach abwärts ins Tal des Allier, wildromantisch, klassisch. Auf dem Zeltplatz von Chapeauroux gute Übernachtung.

Ich bin ein glücklicher Mensch geworden in den letzten Tagen. Ich wusste gar nicht, wie froh und ausgeglichen man sein kann. Keine Spur mehr von dem alten Wesen namens Smith, das zu Hause im Bett liegt und von der weiten Welt träumt, gleichzeitig aber Angst hat, loszuziehen. (…)
Das Leben ist eine Zusammensetzung verschiedener Gewohnheiten, durch die der Mensch Rückhalt und ein gewisses Maß an Sicherheit gewinnt. Das heißt: Er weiß, was auf ihn zukommt. Alltag. Ein simples, aber nicht unabänderliches Räderwerk. Es gibt keine ewigen Gesetze, genauso wie es keine Ewigkeit gibt. (…)
Als Radler ist man einer Nacktschnecke sehr ähnlich …

(Tagebuch vom 25.4.2000)

Tag 10 -> Vorey bis Chapeauroux

Zweibrücken-Andorra 2000 Tag 9

24. April anno 2000. Langsam aber sicher schüttele ich den Alltag ab, verlasse mein herkömmliches, gut getaktetes Leben und der Reisealltag, das Regelwerk des Vorankommens, übernimmt die Regie über mein Leben. Oder übernehme ich selbst die Regie? Uhrzeiten sind bedeutungslos. Allenfalls muss ich mich ihnen unterwerfen, wenn ich Reiseproviant einkaufen will. Ich stelle fest, das Leben ist nur eine Kombination verschiedener Gewohnheiten. Gewohnheiten sind hartnäckig, nützlich auch manchmal, deshalb folgt man ihnen auch so gerne. Sie erleichtern das Leben. Machen einen sorglos, auch wenn sie einem manchmal zur Last fallen, einengen und langweilen. Nun habe ich den Reisealltag. Ich lebe in einem länglichen Ort. Mein Wohnzimmer ist das graue Band, das niemals endet. Irgendwo in einem steilen Anstieg überhole ich einen dreitagebärtigen, wenig bepackten Radler. Halbverdurstet, also schenke ich ihm den Rest meines Wassers. Er sei Pilger, auf dem Weg nach Santiago, Kunstmaler sei er und wundere sich über diese Pilgerwelt, in der man ihn so ganz und gar nicht auf Händen trägt, er sich alles selbst erkämpfen muss, in Bettler-Unterkünften schlafen muss oder in 100 DM-teuren Hotels.

Tagebuchseite vom 23.4.2000 > durch Draufklick vergrößern

Tag 9 -> Feurs bis Prats de Mars bei Vorey

Zweibrücken-Andorra 2000 Tag 8

23. April anno 2000.

Mein neues Sprichwort: Auf Regen folgt Gegenwind – und umgekehrt! So, Kaffee ist fertig. Es dampft das Wasser, dampft das Zelt voll. Habe gestern extra haltbare Milch gekauft, keine frische, weil ich Angst hatte, sie würde sauer. Man sollte eben besser den Wetterbericht hören … Dieser Tag ist gut für meine Haut (Sonnenbrand). (…)

Ich habe keine Lust mehr, Schnecken abzurichten, ihnen beim Kriechen zuzusehen oder über Kunst nachzudenken.
Schnecken sollen sehr alt werden können – 13 Jahre hab ich mal gelesen.

Was ist ein Künstler? Christo? Ist er NOCH Künstler oder hat er sich von dieser Daseinsform weit entfernt? Einer, der heutzutage Hufeisen fabriziert, ist der ein Schmied? Oder hat er sich von Daseinsform des Schmiedes gelöst und ist Geschäftsmann? Einer, der auf Karten träumt und im Internet sich die Welt anschaut – ist er ein Reisender? (Tagebuch vom 23.4.2000)

Merke: Regen auf mein Zelt muss nicht bedeuten, dass man es nicht verlassen kann. Im Nieselregen fahre ich bis in den späten Abend noch etwa 40 Kilometer, kurz vor Sonnenuntergang lugt die „gelbe Sau“ doch tatsächlich zwischen dunklen Wolken hervor. Die Campingplatz-Suche gestaltet sich schwierig. In Feurs werde ich auf einem unverschämt billigen Platz für 7 Franc (ca 1,20 Euro) pro Nacht fündig. Die Disco nebenan daddelt bis 3 Uhr nachts, betrunkene Mädchen krähen mit einem verrückten Hahn um die Wette. Ich verstopfe mir die Ohren, verfluche das Partyvolk und billige Zeltplätze, Regen, sowie den Weg, der noch vor mir liegt ;-)

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Teil 2

Tag 8 -> Villerest bis Feurs (ein absolut verregneter Tag)

Zweibrücken-Andorra 2000 Tag 7

22. April anno 2000, ein windiger Tag bis zur Loire. Wegen des starken Widerstandes breche ich die Etappe am Nachmittag ab und quartiere mich auf dem Campingplatz Villerest in der Nähe der Staumauer an der Loire ein. Lese im Zelt, döse, schlafe, erhole mich. Regen setzt ein. Den folgenden Tag verbringe ich bis ca. 15 Uhr im Zelt, dösend, lesend, schreibend, nachdenkend und die Reise in Frage stellend.

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Teil 2

Tag 7 -> Motte aux Chennes bis Villerest