Zweibrücken-Andorra 2000 Tag 6

21. April anno 2000

Die beiden neuen Karten, die ich in Dijon gekauft habe, sind nicht so schön wie die alten … Die Städte sind größer, die Straßen roter, das Gesamtbild futuristischer und etwas blasser. Nun, ich muss mich daran gewöhnen. Karten: Ein Blick in die Zukunft mit vielen Wegen von denen du einen wählen darfst – ein Blick in die Vergangenheit mit der eingezeichneten Reiseroute.

Raben oder Krähen krächzen. Der Campingplatz erwacht. Man nimmt diese typischen Geräusche wahr, der hohle Klang von sich bewegenden Menschen in ihren fahrbaren Alu- und Kunststoffkisten. Geschirrgeklapper, Standheizungsbrummen …
(Tagebuch, 21.4.2000)

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Tag 6 -> Autun bis Motte aux Chennes bei Marcigny

Zweibrücken-Andorra 2000 Tag 5

20. April, 2000, Campingplatz Dijon-Talant bis nach Autun. Nachdem sich am gestrigen Abend alles zum Bösen gewendet hat, ich meine Kreditkarte verloren habe und das Reisebudget somit auf 3000 Franc (500 Euro) geschrumpft ist, nun ein Lichtblick: strahlendes Frühlingswetter. Die Information, ob es  in Dijon einen Campingplatz gibt und wo er ist, entlockte ich einer sturen, feinen Dame, die mich zunächst ignorierte, weil sie wohl Angst vor mir hatte. Ich Europenner, ich. Erst, als ich sie mehrfach, stets freundlich, aber zunehmend lauter in bestem Französisch um Auskunft bat, reagierte sie und wies mir den Weg nach Talant. Das beste an der Sache ist, dass direkt vor dem Zeltplatz ein fein ausgebauter Radweg am Canal de Bourgogne nach Westen führt. Genau meine Richtung. Auf einer Bank tausche ich meine Traveler-Schecks, die mir für den Rückweg aus dem Süden dienen sollen in Bargeld. Erinnere mich an meinen alten Reisefreund Michael, der mir von seiner missglückten Radeltour nach Marokko erzählte: kaum war er mit dem Schiff in Tanger angelangt, hatte ihm auch schon ein Trickdieb seinen Geldbeutel und alle Papiere entwendet. Auf der Botschaft stellte man ihm Ersatzpapiere aus und lieh ihm 100 DM (50 Euro). Er verzichtete auf Marokko, radelte mit dem wenigen Geld schnurstracks durch Spanien zurück nach Hause.

Mal sehen, wie weit ich mit dem Zehnfachen komme.

Kanalradweg am Canal de Bourgogne

Im Gepäck habe ich zwei Kameras: eine Nikon F301, unverwüstlich, mit Schwarz-Weiß Filmen geladen für die Streckenfotos der Kunststraße. Eine Nikon F601 mit DIA-Film für die Sehenswürdigkeiten. Erst am 5.Tag in Dijon mache ich die ersten Farbbilder. Fotografieren ist für mich vor allem eine Gefühlsfrage. Nur wenn ich in einer entspannten, guten Stimmung bin, können mir große Aufnahmen gelingen. Die Kunststraßenphilosophie ist eine Philosophie der Langsamkeit, der Besinnung, des zur Stille findens. In den Streckenfotos, die die Straße zeigt, die zwischen den Sehenswürdigkeiten dieser Erde liegen, würdige ich ebendieses, von den meisten Menschen nicht beachtete, aber doch so wichtige Element des Tourismus.

Spiegelungen in Bligny, Marktplatz und der Weg, der Weg, der Weg.


TGV-Brücke über die N81, etwa 15 km vor Autun. Fast alle Fotos der Kunststraße lassen sich auf der Karte wieder finden. Das Notizbuch enthält detaillierte Informationen über den Fotostandort. Nur noch 10 Tage, bis die US-.Regierung ihre militärischen Navigationssatelliten für die zivile Nutzung freigeben wird. Bin ich also mit meiner Kunst der Zeit nur noch um zehn Tage voraus? Die erste Kunststraße mit lokalisierbaren Bildern habe ich 1994 fotografiert.

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Tag 5 -> Dijon bis Autun

Zweibrücken-Andorra 2000 Tag 4

19. April 2000, am frühen Nachmittag Regen. Es gibt viele verschiedene Sorten von Regen für den Radfahrer. Gerade noch fahrbar ist solcher Regen, bei dem die Autos ihre Scheibenwischer auf Intervall gestellt haben. An diesem Mittwoch schalten sie für etwa eine Stunde auf Dauerwischen. In der Nähe von Lux stelle ich mich für etwa 10 Minuten unter, ziehe dann die Regenkleider an und radele mit mulmigem Gefühl der Großstadt Dijon entgegen. Wo werde ich dort unterkommen, wie schlimm sind die Hauptstraßen, die hinein führen, welche Straße bringt mich wieder hinaus: Es gibt für französische Städte eine goldene Regel, wie man sie als Radler am besten durchquert. Man muss einfach dem Schild Richtung „Centre Ville“ folgen, mittenrein ins Getümmel … nuja, zur Erbauung denke ich an Barcelona, welches ich zweimal mit dem Rad durchquerte – so heiß kann Dijons Pflaster gar nicht sein.

Mittleres Bild Fouvent le Bas, Kilometer 320 der Tour.

Auf einer Berg- und Talfahrt, fast wie in der Eifel Richtung Dijon. Regen setzt ein, zum Glück nur für etwa 30 Kilometer.

Ortsschild Dijon auf einer stark befahrenen Einfallstraße. Im ersten Supermarkt, den ich antreffe, kaufe ich ein feines, französisches Notizbuch – seither bevorzuge ich diese, etwas größeren als DIN A 5 Format, Ringbücher für meine geheimen Reisenotizen :-)

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Tag 4 -> Montigny bis Dijon

Zweibrücken-Andorra 2000 Tag 3

18. April 2000, von Bayon bis  Montigny, irgendwo auf dem Weg nach Dijon. Leider keinen Campingplatz gefunden. Kurz nach Mitternacht liege ich wach im Zelt. Nicht etwa, weil hier Züge durch eine Schlucht donnern, nein, vielmehr ist es diese Stille, die die Gegend einlullt. Alle Stunde schlägt eine Kirchturmuhr in einem der umliegenden Dörfer, was ich für einige Zeit ziemlich faszinierend finde, da sie nicht synchron laufen. Die eine Uhr schlägt fünf Minuten vor der nächsten usw. So läuten Stund um Stund die Zeiten irgendwie genau, aber im Zeitalter der Atomuhr doch so grob fahrlässig ungenau. Geisterstunde, kein Laut. Kein Hund, keine Landstraße, deren Hintergrundlärm man doch sonst so gewohnt ist. Für Insekten ist es noch zu kalt, die Vögel werden erst gegen Dämmerung wach. Jetzt bloß nicht an „Blair Witch Project“ oder sonstiges horribles Zeug denken!

Bayon – Charmes -> Brantigny

Lerrain

Lerrain – Attigny

Dorfplatz in Jussey, im Hintergrund die Kirche. In der Abenddämmerung suche ich einen Zeltplatz, werde außerhalb des Dörfchens Montigny auf einer Wiese fündig. Im Dorfbrunnen von Montigny fülle ich meine Wasservorräte auf.

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Tag 3 -> Bayon bis Montigny (Wildzeltplatz)

Zweibrücken-Andorra 2000 Tag 2

17. April 2000, ein Montag, nicht gerade das beste Wetter. Die knapp 100-kilometrige Etappe vom gestrigen Tag steckt mir in den Knochen. Ich erwache auf einer kleinen Insel inmitten einer riesigen Pfütze auf dem Campingplatz von Lutzelbourg. In dem engen Tal der Zorn, welche den Canal de la Marne au Rhin, also den Rhein-Marne Kanal mit Wasser versorgt, verlaufen Bahnlinie, Landstraße und der schön geteerte alte Treidelpfad am Kanalufer, welcher als Radweg dient, auf engstem Raum. In der Nacht bin ich immer wieder erwacht, weil im Stundentakt Güterzüge durch die Schlucht donnern. Unweit von hier hat man ein Schiffshebewerk gebaut, welches in einer gigantischen Badewanne aus Beton ganze Lastschiffe und die vielen Touristenbootchen den Hang hinauf zieht. Ein imposantes Bauwerk, das ich aber links liegen lasse. Mein Weg folgt der Landstraße nach Artzviller (Anmerkung 2009: mittlerweile ist der Radweg vom Tal hinauf nach Artzviller ausgebaut und führt direkt am alten Kanal entlang, welcher einst über etwa 20 Schleusen mit zentralem Hafen nach Artzviller führte und dort in einem Tunnel verschwand – sicher eine der schönsten Radlerstrecken, die ich kenne.)

Doch zurück ins Jahr 2000: zu Anfang einer solch langen Radeltour plagen einen, also zumindest mich persönlich (vielleicht auch andere Langstreckenradler) diese latenten Heimwehgefühle. Die Idee, in nur einer Stunde könntest Du schon wieder zu Hause sein, wenn ein guter Freund Dich mit dem Auto abholt, oder Du einfach nur in den nächstbesten Zug steigst. Die wohlige Vertrautheit der Heimat ist in greifbarer Nähe und stemmt sich widerborstig der größer werdenden Fremde, der aufwachsenden Alleinsamkeit entgegen, die sich insbesondere dem Alleine-Reisenden entgegen stellen.

Vielleicht ist es dieses Kunstprojekt, alle 10 Kilometer den Weg zu fotografieren, welches mich am Anfang dieser Tour auf Trab hält und die trüben Gedanken beiseite wischt.

Hat man erst einmal Artzviller erreicht und sich hinauf geackert nach Guntzviller, so führt der Weg durch ein hügeliges, malerisches Frankreich auf wenig befahrenen Landstraßen hinüber bis nach Bayon an der Mosel.

Rhein-Marne-Kanal bei Artzviller (Kanaltunnel) hinauf nach Guntzviller bis Niederviller.

auf ruhigen Departementsstraßen bis nach Luneville; der Nachteil dieser ruhigen Sträßchen ist die mangelnde Konsum-Infrastruktur. Wenn man Glück hat, begegnet man einem fahrenden Bäcker, bei dem man ein Pain au Chocolat oder ein Baguette kaufen kann.

Landstraße bis Bayon an der Mosel; direkt am Fluss (nicht im Bild) der Camping Municipal von Bayon ist Ziel des zweiten Tages. Auf dem Zeltplatz bringt mir eine holländische Familie die Reste ihres Nudelmenüs zum Zelt. Ich Europenner, ich.

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Teil 2

Teil 3

Tag 2 -> Lutzelbourg bis Bayon (Mosel)