Er saß da in seiner Ecke der Couch direkt neben der sündhaft teuren Designerlampe mit Bleiglasschirm. Die Knie übereinander geschlagen, Psychiarterhaltung. Die Hände zu einer Raute geformt, lange bevor Angela Merkels Raute Medienthema wurde. Die Stirn in Falten gelegt. \“Ein sehr sensibler Mensch\“, sagte er, \“vielleicht ein bisschen verrückt? Liebt die Natur.\“Obwohl ich erstaunt war, wie genau er meinen Freund, den er nie zuvor gesehen hatte und von dem er nur den Namen kannte, beschrieb, blieb mein Gesicht ausdruckslos. Schließlich wollte ich das Experiment nicht beeinflussen. Nur an Hand des Namens \“Kontakt\“ zu einem wildfremden aufzunehmen.
Gut zehn Jahre ist das jetzt her, dass Freund Jounalist F. dieses, sagen wir einmal esoterische Experiment machte und ich erinnere mich immer wieder daran, wenn es um Einfühlungsvermögen geht und um Einswerden mit der Welt und um Unerklärliches. Dieser Versuch, zu wildfremden Menschen Kontakt aufzunehmen und sich vorzustellen zu versuchen, wer sie sind, wie sie sind, was sie mögen, was nicht … ganz ehrlich, ich habe das in den Bereich Esoterik und Humbug gestellt, damals, obschon ich erstaunt war, wie gut Journalist F. meinen Freund skizzierte.
Wenn ich dieser Tage an meinem iDogma-Postkartenprojekt arbeite, auf dem Handy gestaltete, unikate Kunstpostkarten, die per App verschickt werden und sich erst beim Empfänger, der Empfängerin als haptitsch erfahrbares Etwas manifestieren, muss ich oft an das damalige Experiment denken.
Die künstlerischen Motive zu gestalten ist ja nur die eine Seite der Medaille. Mit verschiedenen Apps, die teilweise in komplizierten Loops miteinander gemischt werden, entstehen die Motive für die Postkarten. Aber was ist mit den Empfängerinnen und Empfängern, die ich oftmals gar nicht kenne und von denen ich so gut wie nichts weiß? Wird Demunddem Dasunddas gefallen?
In der Tat versuche ich so eine Art Kontakt aufzunehmen zu den Menschen, die die Karten bestellt haben. Esoterisch. Ich weiß, aber manchmal geht es eben nicht ohne Esoterik. Ohne Glaube geht es sowieso nicht. Gut möglich, dass der ein oder andere von Euch da draussen einen halben Tag mit mir mitläuft, rein gedanklich durch eine schwedische Stadt, oder den Wald, bis ich \“sein/ihr\“ Motiv gefunden habe. Oder dass er neben mir sitzt im Zelt und mir über die Schulter schaut, wie ich ein Originalfoto in diversen Schritten verfremde, so dass bei manchen Bildern kaum noch zu ahnen ist, was es in Wirklichkeit einmal war.
Das iDogma, jene einfache Formel, die mir zu Beginn meiner \“Smartphonekarriere\“ zugeflogen ist: Versuche alle Schritte im künstlerischen Prozess im Smartphone auszuführen, so dass das Kunstwerk erst dann ein physisch anfassbares Kunstwerk ist, wenn es mit der Post beim Sammler ankommt.
Man kann die Sache auf die Spitze treiben. Theoretisch ließen sich riesige Bilder auf dem Smartphone unterwegs, draussen, direkt während des Entstehens kreieren und per Ferndruck ausbelichten. Ich bin überzeugt, dass das irgendwann wahr wird. Dass es womöglich schon jemand getan hat, der einen renommierten Namen in der Kunstszene hat?
Mit den Mitteln kommen die Ideen.
Mit der Arbeit an den Einzelheiten der Ideen, den Tentakeln der feinen Künste, die die Qualle in einem in die Welt streckt, reift das Konzept, kommen neue Ideen. Es ist, als würde es nie ein Ende nehmen.
Verflixt, tut es ja auch nie …
Die Postkartenserie, die seit Beginn der Reise auf den Weg in viele Länder ist, und an der sich sehr viele von Euch beteiligten, ist nun auf über sechzig Karten angewachsen.
Ich danke allen, die sich bisher daran beteiligt haben.
Die folgenden 25 Motive gingen in den letzten Wochen auf Reise – allesamt unikate Postkarten. Hebt sie gut auf. Vielleicht kommt irgendwann ein Kurator, eine Kuratorin auf Euch zu, um sie für eine Kunstausstellung im (noch zu gründenden) Museum für Digitale Frühgeschichte zu leihen. Oder Ihr könnt sie versteigern. Sauberer als Elvis Unterhosen oder Michael Jacksons Mundschutz sind sie ohnehin.
Die graue Karte mit dem Steg, die scheinbar zwei Mal vorkommt, ist ein Panorama, das an ein Paar in Fernbeziehung gesendet wurde. Die letzte Karte in der Liste ging an Marc Kuhn, den Begründer der Col-Art. Beide sind seit Jahren international unterwegs und malen Gemeinsam-Bilder, sowohl mit Profis, als auch mit Laien. Vielleicht ist diese Karte ja ein Prototyp für ein Col-Mail-Art-Projekt?
Eine der Karten wurde als Auftragsarbeit nach Vorgaben gestaltet.
Unter den ersten dreißig Postkarten ist auch eine mit Text nach Vorgabe.
Postkartenbestellwollende können entweder über den Paypalknopf eine Karte bestellen, oder Kontakt per Mail zur Homebase aufnehmen.