Es erschließt sich nicht auf den ersten Blick, warum man Joghurt im Rucksack stets gut verpacken sollte. Ohnehin ist es ein Vabanque Spiel, überhaupt Joghurt mitzunehmen auf Wanderschaft. Wer es trotzdem tun möchte: die Joghurtbecher sind am besten in den Trinkbechern aufgehoben.
Unser Lagerplatz außerhalb von Göschenen könnte wildromantischer kaum sein. Direkt an der Reuss, tosender Sturzbach, auf einem bewachsenen Felsen.
Das Rauschen des Bachs übertönt weitestgehend den Straßenlärm. Die Gotthardtstraße, die hinaufführt nach Andermatt, ist nur etwa fünfzig Meter vom Lager entfernt. In Serpentinen über Brücken durch Lawinenverbauungen zwängt sie sich durch die Schlucht. Besonders nervig sind vereinzelte Flitzkarrenbesitzer, Fönfrisuren, die es sich nicht nehmen lassen, auf dem siebzig Meter langen Stück zwischen zwei Serpentinen auf neunzig km/h zu beschleunigen, scharf anzubremsen und wie ein aus dem Koma erwachter Schumi um die Spitzkehre zu wetzen. Da lobe ich mir die Bahn, die alle Stunde gemächlich quietschend gen Andermatt ackert.
Nachts klart der Himmel auf. Exorbitant stehen die Sterne zwischen pechschwarzem Fels. Ein steifer Wind rüttelt am Zelt. Betäubender Lärm von Bach und Wind lullt mich bis sechs Uhr in eine Art Halbschlaf, bis die ersten „Männlein“ es sich nicht nehmen lassen, den Gasgriff in niedrigem Gang voll aufzudrehen und hockenheimringesque durch die Lawinenverbauung zu jagen. Ihnen jegliche Art Einfühlungsvermögen und Rücksichtnahme, ja, sogar Intelligenz absprechend blicke ich verdutzt aus dem Zelt. Mein Rucksack ist weg! Abends lag er Seite an Seite mit SoSos gutverpacktem Sack auf einem Stein neben dem Zelt. Und nun: geklaut!
Bei der Inspektion des Tatorts stelle ich an SoSos Schutzfolie Risse fest. Hoffnung keimt auf. Ich erinnere mich an die Übernachtung in einem dänischen Waldstück, damals auf der Nordseeumrundung, als meinem schottischen Freund Ray die Packtasche abhanden kam. Ein Tier hatte die gut acht Kilo schwere Tasche ins Unterholz gezerrt und die Lebensmittel herausgerissen. Mit den Worten Think like an animal hatten wir uns damals auf die Suche begeben und wurden nur zwanzig Meter hinter dem Zelt fündig. So auch jetzt. Der Rucksack lag knapp zehn Meter tiefer in der Reuss, zum Glück auf einem trockenen Stück Treibsand. Einige Schäden. Reißverschluss der Seitentasche zerfetzt, sowie die Regenhaube und am gravierendsten: der Hauptträger, der sich zum Glück wieder festknoten ließ. Unsere beiden Frühstücksjoghurts blieben, Trinkbecherverpackung sei Dank unversehrt. Bildcollage The Reuss Think Like An Animal Desaster by SoSo.