5 km bis zum Weinbrunnen

Wieviele lange, mantrische Tackerstunden haben Kollege T. und ich uns in diesem Jahr den Mund wässrig geredet für den Legendären Weinbrunnen von Estella. Nun ist es gleich so weit. Mein Heru pocht wie es offenbar heute Nacht an der Pilgerherberge gepocht hat. Aber das ist eine andete Geschochte. Profipilger T. hat mir zum Glück verraten, wie man den Wein in die Flasche füllt, phme den Hahn stämdig festzuhalten. Mjammjamlecker lecker wuddwudd.

Panorama des frisch geschozterten Jakobswegs etwa 5 km vor Estella

Auf nach Estella

9 Uhr raus aus Punte la Reina, was wohl übersetzt heißt Brücke der Königin. Nachts zwischen vier und sechs hat es wieder an der Tür gepoltert, erzählt mir Jesus. Er hat die Polizei angerufen. Scheint ein beliebter Sport zu sein.

Die berühmte Brücke über den Rio Arga, die einjeder Pilger überquert

Von der Geduld und vom Einschlafen

1:56 Uhr nachts. Neben mir schnarcht der spanische Radler. Erstmals habe ich Schlafprobleme. Aufgeregt wälze ich mich hin und her, denke über Eure vielen Kommentare nach, die weit über da Übliche hinaus reichen, finde ich. Gestern Abend habe ich sie erstmals abgerufen mit der original WordPressApp, die ich nur ungern benutze, weil sie so instabil läuft. Was mich so angenehm vom Schlaf abhält ist das euphorische Gefühl, dass mein Plan mit dem LiveBloggen aufgeht. Eine Idee, die ich übrigens im Kern schon 2001 mit dem Buisinessspetzialisten H. diskutiert habe.
Nun geht die Geschichte einfach so ihren Gang. Bloggen und Wandern verträgt sich bestens. Ich staune noch immer, wie leicht es mir fällt, längere Texte auf dem iPhone zu schreiben. Mein großes Vorbild für diese Art des Schreibens ist übrigens eine fiktive Figur aus einer, ach was, DER Romantrilogie von Stig Larson: Lisbeth Salander, die ihre Autobiografie auf einem Palm schreibt. Auch sie muss sich mit Akkuproblemen herum schlagen.
Gestern ist einer der beiden Zusatzakkus ausgefallen. So dass ich denke, es ist gut, dass ich für Redundanz sorge, etwas mehr Gewicht mit schleppe. Ich konnte ihn mit dem Schweizer Messer reparieren, ich Mac Gyver, ich. Am Gewicht, lieber Soulsnatcher, kann ich nicht allzu viel drehen. Ich habe Deinen Rat befolgt und den Reiseführer in einer Herberge liegen lassen. Ich stellte ihn ins Bücherregal direkt neben einen französischen und einen erbarmenswert schweren englischen Jakobsweg-Guide. Morgen fliegt noch eine Hose zum Müll. Bleibt nur noch die Solarzelle, die mir der Owner geschenkt hat und die schon Kollege T. mit auf dem Jakobsweg hatte. Vielleicht ist es ihr Schicksal, immer auf dieser Route zu reisen? Die einzige Legitimation, sie weiter mitzuschleppen, sind Forschungszwecke: üben für eine Livereise, bei der die Steckdosendichte nicht so hoch ist.
Das Zimmer kühlt langsam aus. Die Scheibe beschlägt. Der Mond ist bald voll. Bewölkt. Vielleicht 15 Grad im Raum, genau wie die Künstlerbude im tiefsten Winter.
Mein Zimmernachbar stellt sich mir gestern beim Abendessen als Jesus vor (sprich Chesus). Er war bis vor kurzem Selbstständiger Kraftfahrer, die Finanzkrise, die Spanien besonders hart getroffen hat, hat ihm das Genick gebrochen. Nun braucht er Zeit, um seinen Kopf zu klären. Bei einem Auftraggeber aus Pamplona, der ihm seit April Geld schuldet, hat er sich etwas Bares besorgt für die Reise. Als ich erfahre, dass er in Berga geboren ist, erzähle ich ihm von meiner Tour im April/Mai (auch hier im Blog), bei der ich vor der kleinen Kirche Sant Quirze de Pedret zeltete. Hoch über der Llobregatschlucht und ein Gewitter über Berga niederprasselte. Früher war Jesus Radrennfahrer. Einer seiner damaligen Teamkollegen hat heuer eine Tour de France Etappe gewonnen. Nun wiegt Jesus aber 105 Kilo, Kopf voller Sorgen, was oft Hand in Hand geht. Ein prima Kerl ist er in jedem Fall. Obwohl er nur gebrochen Englisch spricht und ich kaum spanisch, gelingt uns ein tieferes Gespräch. Ich erzähle ihm von der Geduld und dass es dauert, bis man sie gelernt hat. Paradoxer Weise braucht man dafür viel Geduld. Ich darf ihm Tipps geben, denn er ist erst 31 und ich schon 44 immer noch auf dem Weg zur Weisheit.
2:33 nun. Ich stopfe mir nun wieder die Ohren zu mit den hochdichten Tacker-Ohrenstöpseln. Nein, das Schnarchen hält mich nicht vom Schlafen ab, sondern mein aufgeregtes Herz.

Der Pilgerpass

Auf vielfachen Wunsch hier ein Bild des Dokuments, das einen als Peregrino ausweist und Zugang verschafft zu den meist günstigen Herbergen. Stempel gibts meist abends beim Empfang und Bezahlen. Einen Stempel am 2. Tag um 12:08 Uhr habe ich mir selbst reingedrückt. Er lag auf einem Tischchen bei einem Lebensmittelgeschäft. Den von der Uni Navarra kriegt man beim fein gekleideten Pförtner, wenn man einen 300 m langen Schlenker durch das Unigelände macht. Ist perfekt ausgeschildert.

Der Pilgerausweis, faltbar, ca. 20×60 cm, neun weiße Seiten für ca. 50 Stempel