Alltagsphilosophie
Skurile Einträge, seltsame Ansichten, Dinge, die einem 'im Moment des Schreibens' atemberaubend wichtig scheinen.
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Jahr ohne Termin
Letzte Woche gegen Abend irgendwann. Ich setze einen Punkt im GPS, ungefähr achtzehn Kilometer von daheim entfernt. Luftlinie. Der Punkt liegt in Frankreich und man kann zu dem Punkt prima hinradeln – durchs Tal nach Hornbach und dann weiter entlang eines Rinnsals, ich glaube namens Schwalbach, immer nach Süden, bis man hinter einem Motorcrossplatz über zwei drei Berge ackern muss und zwei drei weitere kleinere Rinnsäler überqueren muss, ehe man an meinem markierten Punkt anlangt. Was ist dort Besonderes? Etwa ein Schloss? Ein Geldspeicher? Eine Sehenswürdigkeit? Ein Radweg. Dort ist ein Radweg, den ich letzten Frühling per Auto überquert hatte und mich wunderte, sieh an, ein nigelnagelneuer Radweg. Woher er…
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Draußen zwischen Start und Ziel gibt es einen Raum, der keinen Anfang und kein Ende hat und eine Zeit, die keine Termine kennt. Ein Stückchen Ewigkeit schleicht zwischen den Fixpunkten. Nenn‘ mich Geburt, nenn‘ mich Tod. Nenn‘ mich Neun-Uhrpause des gelebten Lebens.
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Vom Entstehen, Werden und Vergehen
Irgendwie breitet sich alles vor mir aus wie Brei. Gedanken und Dinge und alltägliche Abläufe mischen sich zu einer undefinierbaren, zähen Masse, die mein armes kleines Hirn zerdenken muss, verdauen muss, wenn man das so nennen möchte. Auf der Terrasse sitzend, Blick zum Garten, schreibe ich diese Zeilen. Man hört: einen Flieger neun Kilometer hoch, ein paar sonntagmorgendliche Autos auf der Landstraße, das Geräusch von Gießkannen, wenn sie ohne Gießkannenrose über Brokoli und Rotkrautpflanzen ausgegossen werden, Zittern in den Pappeln vom Wind, eine Hornisse im Dachgebälk, viel lauter, als der Flieger und jede Menge Vogelzwitschern. Nicht zu vergessen das Klappern der Tastatur. Die Katzen liegen irgendwo in den Lilien oder…
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Die reinigende Kraft der Reise
Die letzte Woche vor dem Tourstart bricht an. Es gibt ja noch sooo viel zu tun. Oder ist es so, dass man mit zunehmendem Alter das Leben mehr und mehr in den Kopf verlegt, dass Absichten zu Gedanken werden und es auch bleiben, dass man den Hals nicht voll kriegt und sein Leben zurümpelt mit Zu-tuns. Der Impuls, eine geordnete Welt zu hinterlassen, in der alles, was man im Kopf angereichert hat, seinen Platz gefunden hat, ist mir erstmals bei einem lang verstorbenen Onkel und einer lange verstorbenen Tante aufgefallen. Als wir das Haus leerräumten, fanden wir ein pikobello geordnetes Etwas vor, so als hätten sie monatelang aufgeräumt und hingearbeitet…
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Gift
Aktualisiert 2023-05-24 (Link zum Artikel von Maria Herzger) Das zweite recht intensive Jahr als Selbstversorger lässt sich gut an. Der Garten gedeiht prächtig. Erdbeeren und Salat sprießen im Überfluss. Die Tomaten sind vom Pilz verschont trotz teilweise hoher Luftfeuchtigkeit. Eine Phalanx Zwiebeln steht einer Schar Karotten gegenüber. Rukula will wachsen und Bohnen und Kartoffeln und Kürbis ohne Ende. Zur Bewässerung benutzen wir Regenwasser, da der hofeigene Brunnen kaum genug Kapazität hat für Trink- und Waschwasser. Das Regenwasser wird mit einem ausgklügelten System aus Schläuchen hin und her geleitet und wird letztlich im Garten vergossen. Der Artikel von Maria Herzger (Archivartikel gibt es in der Waybackmachine) beunruhigt mich. Gift aus dem…