Die Geschichte in der Geschichte in der Geschichte

Die kleine Kelter jenseits der Stadt, alljährlich im Herbst für einige Wochen zentraler Ort, an dem die Obstbaumbesitzerinnen und -besitzer ihre Äpfel, Birnen und Quitten vorbei bringen. So auch ich. So auch Quitten. Der Quittentermin am letzten Werktag im Oktober bildet stets den Höhepunkt der Obstkelterei. Die Mutter allen Erntedanks. 45 Kilo habe ich. Nicht viel. Die letzten Tage mit fast sommerlichen Temperaturen haben den Früchten ordentlich zugesetzt. Zwei Drittel sind am Baum verfault. Schwarze trockene Klumpen. Es ist ein Jammer.

Die Keltercrew, A. und F., holte dennoch über dreißig Liter raus, was mich erstaunte. F., der die Presse bediente reicht mir die Saftpakete an. Eine Kette, sagt er. Wenigstens etwas, was in Deutschland funktioniert. Ich muss an Brand löschen denken. Eimer, Menschen, Zusammenarbeit. Das Wort Deutschland störte mich in seiner Rede. Ich kenne weder F., noch A. Scheinen beide nette Kerle zu sein so auf den ersten Blick. Dennoch macht mich die Floskel „was in Deutschland noch funktioniert“ stutzig. Es könnte sich um einen sarkastischen Scherz handeln, völlig unpolitisch, ein Scherz wie er mir auch raus rutschen könnte. Könnte er? Ich weiß es nicht. Sollte ich nachfragen? Reizworte einbringen, die Floskel umlenken in ein Gespräch, um mehr über F. herauszufinden. Würde ich damit ‚meinen‘ F., den ich nicht kenne und von dem ich mir ein schnell skizziertes Bild mache auf Basis des Wenigen, das sich gerade ereignet, zerstören?

Wir bilden weiterhin Kette. Sind ja nur sechs Kartons voller Saft, aber eben, es ist diese verbindende Geste, die die Sache so herzig macht und die durch den Deutschlandspruch etwas vernebelt wird. ‚Salt‘, wie es in Digitaldingen benutzt wird, um Spuren zu verwischen.

Auf dem Rückweg denke ich, das sollteste mal bloggen, solltest sowieso mal wieder bloggen. Das Auto ist ganz warm von den Behältnissen mit dem 80 Grad heißen frisch gekelterten Saft und es riecht nach Quitten. Herrlich.

Ich muss an den letzten Blogartikel denken, der mit dem Spaziergang am Rande der Stadt auf der anderen Seite. Dass er damit endete, dass es eine Geschichte in der Geschichte gegeben hätte, wenn ich die Muse gehabt hätte, weiter zu schreiben. Und dass ich die nicht vollendete Geschichte in der Geschichte in diese Geschichte einbauen könnte, was ich hiermit tue.

Wenn du erst einmal auf einem sonnigen Bänkchen am Rande eines Wäldchens angekommen bist, rein schreiberisch, hast du eigentlich keine Lust, dich rein schreiberisch wieder aufzurappeln und den Rest des Wegs zu erzählen. Zu schön der Ort, zu friedlich die Szene. Wie letzte Woche. Wie zwei Jonase im Maul des Wals, noch nicht verschluckt, schauen Frau Soso und ich über den frisch geebneten, braunen Acker. Die Zweige der Buchen ragen über uns um uns und Wurzeln züngeln gen Acker. Walmaul, ganz klar. Paar Streuobstbäume brechen die Fläche jenseits des Mauls. Der südwestliche Horizont schmeckt nach Immersommer. Nichts lässt vermuten, dass es jemals noch mal kälter wird als in diesem Ende-Oktober-2022. Blätter fallen dennoch.

Wir rappeln uns auf. Gell, aber wir gehen nicht ins Tal, sag ich zu Frau Soso. Dann schaffen wir es vielleicht nicht wieder hinauf. Hand in Hand am Waldesrand bis zu einem Privatgrundstück, das wir umrunden und kurz bevor der Weg hinab führt in den Wald, schlägt Frau Soso einen Haken über den erdigen Acker, pass auf, Schlamm, sag ich, hab dich nicht, sagt sie und stolziert exemplarisch voran, einfach nur ganz kurz auftreten, tippeln, empfiehlt sie und ich meine, wir thematisieren, dass wir den Spaziergang bloggen sollten, so schaffen wir es querfeldein zu einem anderen Feldweg, der relativ eben zurück führt in die Zivilisation. Ernten Äpfel, bestaunen das Wühlwerk der Bauern im Braun des Ackers. Wenn wir es bis da vorne schaffen, habe ich noch eine Geschichte in der Geschichte für dich, sage ich, die Geschichte vom alten W., der mich mit seiner Tochter verheiraten wollte. Oder seine Tochter mit Dir, sagt Frau Soso. Wir schaffen es schlammigen Schuhs bis zum Hauptweg. Ja, genau hier war es, dass ich dem W. begegnete. Muss letztes Jahr gewesen sein. Er kam mir in Hausschuhen entgegen. Er wohnt ja da auf dem Hof, ich zeigte nach unten zur Mulde, wo sich ein alter Bauernhof neben einer Kleingartensiedlung duckte.

Ich mit dem Radel und er in Schlappen und Bademantel. Winkte mit einem Brief und so stoppte ich. Können Sie den Brief mit in die Stadt nehmen fragte er. Aber natürlich, wollte ohnehin gerade einkaufen. So tauschten wir uns aus, dass wir doch eigentlich Nachbarn sind, wir Höfer und ich möge doch mal zum Tischtennis bei ihm vorbei schauen. Und die Tochter? fragte Frau Soso. Kam damals noch nicht vor. Damals ging es nur um Post und Tischtennis. Jaja, der W. ist schon eine schräge Gestalt und wenn die Pandemie nicht so beunruhigend gewesen wäre, vielleicht hätte ich ihn zum Tischtennis besucht. Er sagte, er sei zwar alt, aber vermutlich habe ich trotzdem keine Chance gegen ihn. Ein Gewinnertyp. Der alles mit allem paart. Pferde, Hunde, aber das ist die Geschichte in der Geschichte, die trug sich ein halbes Jahr später zu, da oben bei der Sitzbank. Wie gesagt, Tochter und Tiere waren in der Briefkastengeschichte noch nicht aktuell. Dafür war ich zu sehr der fremde Passant, der einem anderen einen Gefallen tut. Ich weiß noch, dass es knapp vor fünf war und ich beim Briefkasten bemerkte, dass er schon um vier geleert wurde und ich also zur Post radelte, um den Brief dort abzugeben.

Als Frau Soso und ich die andere Bank erreichten, hätten wir uns womöglich für ein Weilchen ausgeruht, aber die Bank ist irgendwie belastet, sagte ich, weißte, Geschichte in der Geschichte, denn da traf ich W. später noch einmal und wir schwätzten ein bisschen mehr. Ein gelber Mann, wirkte ein bisschen krank, vielleicht was mit der Leber, mutmaßte ich. Aber die Zeit reichte für eine kleine Lebensgeschichte. Dass die Familie insgesamt drei mal enteignet wurde von Ostpreußen bis hier herüber in die Pfalz und dass sie sich immer wieder aufrappelten, zu Geld und Ansehen kamen. Dass er Hunde gehabt hätte und sie vermehrte und gut verkaufte und genau das auch mit Pferden gemacht hätte, also die Pferde mit den Pferden und die Hunde mit den Hunden und es waren höllische Summen im Spiel, nun, das Ende seiner Rede war dann die Tochter, die er mir gerne vorstellen würde. War natürlich nicht interessiert, einerseits wegen seiner Alles mit Allem paaren Attitüde und, nuja, ich hab doch dich, erzähle ich Frau Soso. Er hatte mich schließlich erneut zum Tischtennis eingeladen. Seither habe ich ihn nicht mehr getroffen.

Der Weg zurück zum Auto war flach und fein geteert, keine Herausforderung für uns Covid gebeutelte – und was W. betrifft war ich letztlich froh, ihn nicht noch einmal getroffen zu haben. Wer weiß, was für eine Geschichte er uns erzählt hätte.

 

The Sitzbankseries

Irgendwie schleppen wir uns nach Königsfelden, Frau SoSo und ich. Nur bis zur Wutz, sage ich. Das ist eine flache Strecke. Wir müssen hinterher nicht mehr groß den Berg hoch. Weißte, Menschen, die auf dem Berg wohnen, sterben im Tal, also hüte dich, den Berg zu verlassen, wenn du nicht ganz auf dem Damm bist.

Ich bin ja so klug. Klug und fiebrig. Aber eben, nach drei Tagen im Bett wird man auch unruhig und dann kann man auch einen Spaziergang ins Auge fassen. Die Wutz lebt in einem kleinen Zoo neben der uralten Kirche des Klosters, das im dreizehnten Jahrhundert durch Agnes von Ungarn gegründet wurde. Ein strenger spitzer Bau mit Zacken und nadeligem Turm, an dem sich unvorsichtige übergroße Gottheiten den Finger ritzen würden, vielleicht. Zu Füßen der Kirche der kleine Stall und die haarige unheimlich dicke Wutz wälzt sich im Schlamm. Wir haben immer Freude, das Tier zu beobachten. Ich weiß nicht, ob es Frau SoSo so geht wie mir, das Tier um sein Tier Sein zu beneiden. Ein Fleisch gewordenes Glückswesen, das nie in die Drangsale von Zeit, Geld, Gesellschaft, Aushandeln von Konventionen und Etikette geraten könnte, aber was weiß denn ich. Wahrscheinlich vergöttere ich das Wesen nur fälschlicher Weise und eigentlich ist das Tier ganz arm dran in seinem hundert Quadratmeter verwühlten Schlammgelände, ständig beobachtet von Typen wie mir.

Wir spazieren weiter zum Kräutergarten. Das Königsfeldener Areal, das auch ein Sanatorium beherbergt, ist multifunktional. Es fußt auf den Hinterlassenschaften der alten Römer, die in der Gegend des Schweizer Wasserschlosses einst ein bedeutendes Kastell errichtet hatten. Hin und wieder sieht man Menschen in Königsfelden, die in Römerkleidung herum laufen und Kindern Exkursionen in die Vergangenheit vermitteln. Mit Kochen, Gladiatoren, Kurzschwert und Schilden, fast wie Asterix. Es gibt einen Rundweg durch die Gemeinde. Interaktiv und georeferenziert kann man auf den Spuren der Römer per Handyapp die archäologisch aufgearbeiteten Orte erkunden. Höhepunkt dürfte das Südtor sein, das man aus Eisenplatten nachgebaut hat. Zwei Meter tief geht die Ausgrabung. Außerdem gibt es auf dem Römerpfad ein Museum und eben den Kräutergarten, der aber erst im Mittelalter angelegt wurde. Schönes weites, flaches Spazierareal. Viele Sitzbänke. Wir hoffen, Salbei zu finden.

Tag vier oder fünf der Infektion. Ein Wunder eigentlich, dass wir so weit von zu Hause weg sind. Einen knappen Kilometer haben wir in den Beinen. Da, eine Sitzbank! Nix wie hin. Sollen wir vielleicht noch das Labyrinth? Man hat neben dem Kräutergarten auch ein kleines, etwa fünfzig Meter durchmessendes Chartre-Labyrinth aus Hackschnitzeln angelegt. Da sind wir früher öfter bis zum Zentrum gelaufen und wieder zurück. Diesmal nicht. Das Labyrinth ist nur eine Wiese, auf der man einen Labyrinthgang mit Hackschnitzeln aufgeschüttet hat. Wenn man es eilig hat, kann man in wenigen Schritten geradeaus ins Zentrum wandern, aber das ist ja nicht Sinn der Sache. Wir lassen uns auf der Bank nieder. Eine von vier Bänken, die sich um einen Brunnen gruppieren. Gegenüber sitzt ein Mann, der in sein Handy starrt. Rechts von uns eine Frau mit Kind, das neugierig die Gegend erkundet. Mittig der Brunnen, sprudelnd.

Das ist wie im Western, sag ich zu Frau SoSo. The good, the bad and the ugly. Drei stinkende Kerle, die sich um eine Kriegskasse streiten. Da fließt Blut. Wir hier rings um den Brunnen sind der Gute, der Böse und der Widerliche, sag ich, stells dir vor, Sergio Leone Musik, Mundharmonika, Waffen, ein Friedhof, Staub, Duell, Langsamkeit, Augen, die zu Schlitzen geformt sind, Gewaltbereitschaft, Spannung. Frau SoSo sagt, hä? Na, der Typ da drüben, schau ihn dir doch an, der führt doch was im Schilde. Du fieberst, sagt Frau Soso, fühlt meine Stirn. Eine weitere Person kommt zum Brunnen, setzt sich auf die leere vierte Bank. Showdown. Ich höre die Mundharmonika. Das Kind zur Rechten durchwandert das Labyrinth. Die neu angekommene Person ruht einfach nur. Ich fiebere und phantasiere den Guten, den Bösen und den Widerlichen, der am Ende auf einem wackeligen Kreuz neben der Kriegskasse stehen wird, eine Schlinge um den Hals und immer dieser Schweiß. Der elende Schweiß auf unseren elenden Stirnen.

Sollen wir weiter, fragt Frau Soso, nochmal Wutz? Liegt ja auf dem Rückweg. Wutz und Salbei und irgendwie den Kilometer heim schaffen, das ist unsere Mission. Vorbei an Gottes böser Nadelkirche geht es zurück und wir nutzen jedes Bänkchen zum Ausruhen. Meine Fresse, das Virus ist echt der Hammer. Dagegen waren die anderen medizinischen Einschläge vor zig Jahren ein Zuckerschlecken. Okay, ich habe natürlich auch das Männergrippensyndrom, vermutlich. Dramatisiere. Ich dramatisiere doch? Mach bitte, Schicksal, dass ich dramatisiere!

Letzte Sitzbank vor der Wohnung, ha, ich lache, das klingt wie die Schilder in den Achtzigerjahre-Familienferien, kurz vor der österreichischen Grenze: Letzte Tankstelle vor der Grenze. Letzte Sitzbank vor der Wohnung. Ein Seniorenheim nebenan. Zwei Gartenarbeiter kümmern sich um Rasen und allmögliches Grün. Einer von ihnen ist versucht, einen Laubbläser anzuwerfen, scheitert, zum Glück. Während der andere an einer rankenden Pflanze am Balkon des Seniorenheims Früchte pflückt, sie in den Mund stopft, genießt. Es ist bald Feierabend. Anders lässt sich nicht erklären, dass sein Kollege das Ringen mit dem kaputten Laubbläser aufgibt.

Derweil beobachten wir links von uns vor einem Wohnhaus einen Pappkarton, an dem ein Zettel hängt. Gratis zum Mitnehmen steht darauf. Das findet man in den kleinen Gemeinden in der Schweiz oft. Gratis zum Mitnehmen Kartons, in denen Bücher liegen, Geschirr, Taschen, Videos, CDs. Ich liebe das. Das ist ein Glanzlicht bei Spaziergängen durch das Dorf. Es ist wie Gratiskino. Sehen, was andere Menschen loswerden wollen und es anderen Menschen anbieten, ohne es direkt in den Müll zu werfen.

Der Karton ist leer. Wir sind die ersten einer Serie von Passantinnen und Passanten, die sich dem Karton nähern, hinein gucken, nichts sehen, weiter gehen. So ruhen wir auf dem letzten Bänklein vor daheim und beobachten, wie Menschen sich dem leeren Karton nähern, in dem Dinge zum Verschenken zu vermuten sind, hinein schauen, weiter gehen. Wir sind wie in die Zange genommen von den Karton-Leuten und dem Erntenden Gärtner, bis irgendwann eine Katze auftaucht, in den Karton starrt, daran schnuppert, hinein klettert, sich drei mal im Kreis dreht und es sich bequem macht.

Ganz großes Kino. Links die Katze, in der Mitte wir und rechts geht der Gärtner schmatzend zurück zu seinem Gärtnerauto, wo schon der Kollege wartet.

Der rankende Busch ist frei. Eine Frau öffnet die Tür des Hauses, vor dem der Karton steht, redet ein auf das Büsi (so heißen Katzen in der Schweiz), na, Büsi, was machst du denn hier … und so weiter, mich drängt es zum Strauch mit den geheimnisvollen Früchten. Naseweis schaue ich ins Grün. Da, tatsächlich, da hängen kleine bräunliche Dinger dran … der Gärtner schaut rüber, achje und da wird es nun echt herzig, sagt er doch, oh, das täte ihm aber Leid, wenn er gewusst hätte, hätte er doch was übrig gelassen und schon greift er sich einen Rechen von der Pritsche des Gärtnerautos und kämmt das Gestrüpp nach den höher hängenden Früchten. Die Urform der Kiwis aus China, sagt er und einen lateinischen Namen. Ich bin derweil beschäftigt, Abstand zu halten und mich günstig zum Wind zu drehen, kann ihm ja nicht sagen, dass ich viral bin vielleicht, wie auch immer, der Wind umhuscht uns günstig, ich kann ihn vermutlich schützen und wir schwätzen wie normale Smalltalker. Er zerrt ein paar Kiwis vom Gestrüpp, kaum daumengroß. Die Pflanzen gibt es in jedem Gartencenter, sagt er, und da er bemerkt, dass ich offenbar aus Deutschland komme, fügt er hinzu, in Deutschland sind sie viel billiger. Hier, nehmen sie die und die da ist für ihre Frau.

Tja.

Ein paar Tage später. Wir wagen einen weiteren Spaziergang. Rüber zur Allee. Da ist absolut flach und wir müssen nicht im Tal sterben. Außerdem gibt es alle paar Meter Parkbänke. das Wetter ist schön und vielleicht finden wir ja wieder eine Pappkiste voller Dinge zum Beobachten.

Nicht fit.  Schon eine gute Woche krank. Es wird dauern. Ich sinniere, dass ich mich vorsichtshalber bis Weihnachten bedeckt halte, habe im Nichtstun eine gute Übung und bin zuversichtlich, dass ich durchhalte mit Nichtstun. Dem Finanzamt schicke ich einen Antrag auf Fristverlängerung. Das vernebelte Gehirn ist nicht in der Laune, Excel-Tabellen auszufüllen und Gewinne und Verluste zu berechnen.

Die Tage vergehen.

Wieviele Wochen sind vergangen? Knapp zwei. Wir fahren mit dem Auto in die Pfalz zur Künstlerhomebase. Frau SoSo hat einen Termin in der Gegend und ich sehne mich auch ein bisschen, wieder heim zu kommen und zu wohnen. Die dreihundert Kilometer Ochsentour teilen wir uns fahrtechnisch, was auch ganz gut ist. Ich will nichts verhässlichen, aber auch nichts beschönigen. Richtig gesund geht anders.

Weiterhin halte ich mich zurück, was Tätigkeiten betrifft, obschon es mich auch aufs Radel drängt und obschon der Wald ruft und noch nicht genug Holz für den Winter am Hof ist und eine Baustelle bei Freunden ruft, die ich vor der Erkrankung begonnen hatte, allein, irgendwas in mir sagt, ey, Herr Irgendlink, mach es wie Nordkap, verlangsame, komme zum Stillstand, lass dir alle Zeit der Welt. Ich wäre der beste Papst, die beste Mamst der Welt, ich kann Absolution erteilen. Mir selbst. „Das Bett, dein Freund und Helfer“ twittere ich und ich mache regen Gebrauch vom Bett, schlafe, was das Zeug hält. Der Hausarzt ist leider in Ferien bis November. Nie hätte ich großes Blutbild nötiger als jetzt, denke ich eines Morgens. Mir ist kotz elend und es fühlt sich an wie Nierenversagen, das Kreatinin müsste gemessen werden, gemach, gemach, Herr Irgendlink, sammele erst einmal Brennnesseln, koche Tee, ist Wochenende, da holt dich im deutschen Gesundheitssystem weder der Hausarzt, noch die Notaufnahme raus. Geduld. Durchstehen. Du lägst erst mal drei Tage auf Station, ohne auch nur irgend eine Untersuchung – die Unruhe wegen des Kotzspeihelends geht Hand in Hand mit der Gewissheit, dass die Notaufnahme nur genau nichts bringen würde, also in diesem speziellen Fall, in dem es ja nur Kotzspeihelend ist und kein Herzstillstand.

Das Wochnende nimmt seinen Lauf. Das Elend lässt nach. Der Tag wird heller. Brennnesseltee, so kostbar. Brennnesseltee, Geduld und ein wenig Glück.

Ich denke über Hypochondrie nach. Hypochondrie, gesunden Menschenverstand, Erfahrung mit früheren Nahkrankerlebnissen, kenne den Körper mittlerweile wie kein Zweiter – Niere, sag ich mir, Niere, Herr Irgendlink, geht anders. Da ist nix. Trotzdem, behalt es im Auge. Klar.

Ach was erzähle ich denn gerade dieses ganze Krankzeugs? Nuja, es beschäftigt mich. Der Covid-Einschlag ist definitiv das Härteste, was ich bisher in meinem ‚Patientendasein‘ erleben musste. Deshalb. Es ist auch gleich vorbei mit diesem Blogartikel. Es war mir nur … ein Bedürfnis, darüber zu reden. Die Parkbänke möchte ich noch zusammen führen, dann ist alles gesagt.

Letzten Sonntag. Zwei Wochen nach Tag null. Südwestpfalz. Wir sind mutig aber vorsichtig. Wir sind negativ. Das ist positiv. Wir ‚dürfen‘ wieder alles. Aber wir können noch nicht alles. Ein Spaziergang jenseits der Landstraße ist möglich. Die Landstraße oberhalb des einsamen Gehöfts ist mir ein Marker geworden fürs wieder fit werden. Seit Tagen übe ich mich in Körperlichkeit, setze mich aufs Radel und kurbele die etwa dreihundert Meter hinauf bis zur Landstraße. Da sind gut zehn Höhenmeter zu überwinden. Ich mache es wie einst nach einer Bandscheibenerkrankung. Langsam, mit viel Gefühl und viel Geduld und nicht zu viel. Das Bett, wie gesagt, mein Freund und Helfer. Alle Termine abgesagt – ach nee – der Steuerbeamte rief an, er müsse den Antrag auf Fristverlängerung ablehnen. Ich verspreche ihm, in zwei drei Wochen zu handeln. Er sagt, er werde mich erinnern. Deal. Also. Landstraße, radeln, ich und alles gaaanz ganz langsam. Gutso.

Doch zurück zum letzten Sonntag, als Frau SoSo noch da war. Wir machen einen Spaziergang jenseits der Landstraße. Da ist schön flach. Waldrand und garstig braunes Feld. Vielleicht irgendwo auch ein umgestürzter Baum zum Draufsitzen. Nur ein zwei Kilometer wird unsere Tour dauern. Und bloß nicht runter ins Tal!

Super Sonne. Dieser Oktober ist wirklich unglaublich. Frau SoSo kann Luft riechen. Ich beäuge einen umgestürzten Kirschbaum und überlege, wie ich ihm mit der Kettensäge zu Leibe rücken würde. Holzfällerfantasien. Ein komplizierter Fall von unter Spannung stehendem  Liegendholz über Brusthöhe. Zwei Mountainbiker kommen uns entgegen und da, kurz hinterm umgestürzten Kirschbaum um die Ecke, versteckt am Waldrand eine Bank. Jackpot. Wir sitzen. Wir starren auf den braunen Acker. Hinter uns Buchen und anderes Laubgehölz. Das war eine bemerkenswerte Sitzgelegenheit. Die wollte ich den geneigten Leserinnen und Lesern dieses Artikels nicht vorenthalten. Passt irgendwie zu den Bänkchen vor ein zwei Wochen in der Schweiz. The Sitzbankseries. Wie aus dem Maul eines Walfischs schauen wir aufs nackte Feld. Zackiges Geäst über unseren Köpfen, lauer Wind, Sonne, eine Traktorspur im Feld, Wärme, Oktober, Hoffnung.

Nun wäre noch die Geschichte in der Geschichte zu erwähnen, aber das ist eine andere Geschichte.

Im schmutzigen Stollen des immer verfügbar Seins

Ich erinnere einen recht strengen Donnerstag vor anderthalb Wochen – ach was, an eine ganze strenge Woche vor anderthalb Wochen. Dienstags schon diktierte ich: Du musst Nein sagen. Und ich sagte Nein. Hie und da, nicht überall, so dass ich stundenweise Ruhe freischaufeln konnte im schmutzigen Stollen des immer verfügbar Seins. Dennoch war die Gangart ein bisschen zu hart. Anders lässt sich nicht erklären, dass ich mit dem Auto an der Haltestelle vorbei fuhr, an der meine Mutter darauf wartete, dass ich sie und ihren kleinen Rollkoffer einlud.

Sie hatten sechs wunderbare Tage im Norden verbracht. Sie und der Koffer und ein paar Freundinnen und noch ein paar andere Menschen aus der Gegend. Mit Besuch auf Rügen, Fahrt mit der Dampflok nach Kühlungsborn. Ruhe, Ausflüge, Einzelzimmer, Buffet. Jedenfalls sehe ich im Augenwinkel die Mutter, die Haltestelle und ein paar andere Menschen mit Rollkoffern vorbeiziehen, wie in Zeitlupe. Vierspurige Straße, ich muss links rüber und erst einmal einen knappen Kilometer fahren, um zu wenden. Dann endlich.

Dann sitzen wir im Auto. Die Mama sprudelt vor Freude und erzählt die Reise, während ich denke, haste nicht was vergessen, Herr Irgendlink?

Maske. Verflixt. Vierspurige Straße, wie erwähnt. Schwierig anzuhalten. Schwierig, die Maske aus der Tasche zu kramen. Der Verkehr erfordert alle Konzentration. Die Mutter sprudelt euphorisch. Jedes Zischwort versetzt mir einen Schrecken. Na ja, wird schon schief gehen.

Tat es auch. Zwei Tage später, 17 Uhr. Zack. Wie ein Schalter bin ich ausgeknockt. Schaffe es gerade noch, vom Supermarkt (ich trug Maske) mit ein paar Lebensmitteln nach Hause zu Frau SoSo. Zack. Bett. Erst sechzig Stunden später stehe ich wieder auf. Derweil an der Mamafront, wir telefonierten: Covid. Zum Glück lag ihre Impfung nicht so lange zurück wie meine, steckte sie es recht gut weg.

Die Zugfahrt zu Frau SoSo, tags zuvor lief bestens ohne Verspätungen. Ich hatte ein unbemasktes Oktoberfest an Bord. Dirndeln und unbeschwerte Lederhosentypen an Bord auf dem Weg zum letzten Cannstatter Wasen Wochenende. Daran muss ich denken. Wenn ich ebenso unbemaskt mit ihnen das Abteil geteilt hätte, wer weiß, was ich angerichtet hätte?

Mittwochs geht es ein bisschen besser. Frau SoSo hakt sich ein in die Virenträgereinheitsfront. Ich schlafe ein mit einer unheimlichen Akzeptanz: Man sagt, es könne passieren, dass man mit Covid einschläft und nachts das Herz stehen bleibt. Das stelle ich mir gar nicht übel vor. Ich habe keine Bedürfnisse (außer Nichtstun und Schlaf). Ich denke keine Zukunft. Ich will nichts erreichen. Noch nicht einmal die Kurzgeschichte will ich fertig schreiben, die ich am 3. Oktober begonnen hatte. Ein feiner leerer Zustand. Ja, doch, ein nächtlicher Herzstillstand wäre der Jackpot. Mit einem Rutsch wäre die ganze verflixte Außenwelt mit all ihren Krisen weg, ich müsste mich nicht mehr sorgen oder grämen, hätte kein Halsweh noch Husten.

Zack und weg. Das wäre fein. Auch wenn mir sonnenklar ist, dass es nicht geschieht. Nicht jetzt. Nicht mir. Die Künstlerin C. kam auf diese Weise vor sechs Jahren ums Leben. Legte sich wie gewohnt ins Bett und wachte nicht mehr auf. Ich neide diese Art zu gehen. Insgeheim.

Was haben wir heute für einen Tag? Dienstag. Sonne. Mir geht es besser. Frau SoSo auch. Sie hustet zwar noch, aber sie hat die Sache allgemein ‚besser‘ vertragen als ich. Schwer zu sagen, wie sich das in anderen Körpern anfühlt.

Außer, dass ich schnell ermüde, geht es mir blendend. Und gegen das Ermüden habe ich ja ein wunderbares Rezept: Schlaf.

Vorgestern hatte ich dem Finanzamt geschrieben, dass die Steuererklärung erst Ende Januar kommt. Paar Termingeschäfte des Menschseins gibt es ja leider. Die Bewerbung für eine wichtige Weihnachtsausstellung in Frankreich konnte ich nicht fristgerecht abgeben. Das wird ein harter Winter ohne Geld, fürchte ich. Ich sehe mich auch nicht in der Lage, das Weihnachtsgeschäft im Shop zu bewältigen. Egal. Geld wird überbewertet.

Nuja. Genug Kleinholz gibt es auch nicht.

Falls jemand in der geneigten Leserinnenschaft ein Häuschen an der Costa Blanca hat, das ab Januar bewacht werden muss … ich könnte die Zitronen ernten.

Ich bin Euch noch etwas schuldig, liebe Kommentatorinnen und Kommentatoren

Danke! Tausend Dank für Eure Rückmeldungen der letzten Tage und Wochen, die ich nicht beantwortet habe.

Gelesen jedoch schon. Mich gefreut wie verrückt oder nachdenklich geworden. Je nach Kommentar. Hab auch Antworten dazu gedacht. Sie nicht geschrieben, leider.

Ich pfeife – wie wohl wir alle – aus dem letzten Loch (äußere Situation). Gründe muss ich nicht nennen. Ist so.

Was ich sagen möchte: Eure Kommentare bleiben nie ungelesen, ungehört, unwahrgenommen. Sie berühren mich. Geben mir Kraft. Ich weiß, dass ihr da seid, ob zufällig reingestolpert in dieses Blog oder absichtlich immer da.

Ich bin so froh, dass es Euch gibt.

Ähm, und achja, die Geschichte vom Pilger, der in Pirmasens in einer Sackgasse endet, die ich im vorigen Artikel angekündigt hatte, die hab ich heute doch nicht geschrieben. Ich pfeife ja aus dem letzten Loch … hey, das wäre doch ein cooler Blogartikel: Pfeifen aus dem letzten Loch der feinen Künste :-).

Werde die Kurzgeschichte nachliefern, ich Prokrastineur am Puls der Zeit, ich.

(Hey, auch cooler Blogartikeltitel: Prokrastineur am Puls der Zeit. Speerspitze der Nichtsnutzigkeit. (Aber was weiß denn ich.))

Die Geschichte vom Pilger, der nach Pirmasens kommt und in einer Sackgasse endet

Nun überschlagen sich die Ereignisse. Früh an diesem Sonntagmorgen spinne ich an einer Kurzgeschichte und twittere so vor mich hin, treibe meine Späße, kündige die Story an.

Die Walnüsse donnern aufs Dach. Es regnet. Ich will den Tag ruhend verbringen. Das Thermometer der Künstlerbude verzeichnet 15 Grad. Ich sollte den Ofen anschüren. Bin zu faul und so kalt ist es ja nicht. 15 Grad sind in dieser Jahreszeit seit Jahren normal in der Bude.

Ich mache ein paar Notizen. Eckpunkte der Story, lege gedanklich eine Strecke an mit Szenen der Geschichte. Zwei Zigarettenautomaten und zwei Schuhläden kommen vor in der Geschichte. Ein verlassener Eisenbahntunnel. Muss nichts Populäres werden, einfach nur mal wieder etwas Anderes schreiben als einen Blogartikel.

Dazu angestachelt hatte mich Kollege Q., der gestern im Metalabor eine wunderbare Kurzgeschichte vorlas, die er geschrieben hatte. Das Metalabor ist ein jährlich stattfindendes Zusammentreffen sich den Kopf zerbrechender Menschen im Taunus. Da ist Raum für alles. Jeder bringt etwas mit, ein Video, einen Vortrag zu einem Thema, das ihm oder ihr am Herzen liegt oder eben eine Kurzgeschichte. Das Metalabor ist eine Mischung aus Thinktank und Barcamp.

Also ja, Herr Irgendlink schreibe mal wieder eine richtige Geschichte, satt dich im eigenen Blog tot zu laufen. Das Problem: Ich will Geld für die Geschichte.

Vielleicht erst einmal die Walnüsse zusammen raffen? Schließlich lebt man nicht vom Geschichte verkaufen alleine. Mein zweites Standbein soll werden: Ich steige ins Ölgeschäft ein. Die Nüsse jage ich durch die alles zermatschende Ölpresse, die ich mir kürzlich zugelegt habe. Walnussöl bringt einen guten Preis habe ich gehört.

Es regnet nicht so sehr. Gerade genug, dass die Nüsse schwer werden und aus ihrem Kokon fallen und aufs Dach prasseln und auf den Boden. Ich strippe die Regenjacke über, die langarmigen Gummihandschuhe und die Gummistiefel. Wie ein Schlachter sehe ich aus. Ich nehme einen Korb und watschele im Ententanz unter den Nussbäumen auf dem einsamen Gehöft. Was für eine Schlammschlacht. Fast verliere ich die Lust. Aber nicht, bevor der Korb voll ist. Drei Äpfel gehen auch ins Körbchen. Derweil, also während des Akts des Nussraffens läuft in einem Hintergrundprozess meines Hirns die geplante Geschichte. Du kannst das, ermutige ich mich. Es ist nur noch Arbeit. Geh endlich ran, bin ich versucht, mich anzutreiben. Aber nuja, ist ja Sonntag. Ich will ruhen. Ich will Geld UND ruhen? Achwas, ich will nur endlich die Geschichte aus meinem Kopf kriegen. Vom Pilger, der nach Pirmasens wandert und an den Zigarettenautomaten vorbei kommt durch den Tunnel, vorbei am Bettler an einer Ecke zur Sackgasse, wo er beinahe in Hundescheiße tritt.

Ziemlich nass kehre ich an den Arbeitsplatz zurück. Immer noch 15 Grad. Erst einmal einen Kaffee. Da es draußen auch nicht viel weniger als 15 Grad hat, setze ich mich auf die zweitunterste Stufe der Treppe zur Künstlerbude und starre in den Garten. Viel Grün. Ein Gartenzwerg aus Beton. Ein zugeklappter Sonnenschirm. Ein Avokadobaum im Topf. Überall liegen Nüsse. Am wohnungsnächsten Baum, der sich über Schirm, Avokado und Betonzwerg spannt, habe ich noch keine Nüsse gesammelt. Es ist eine Pracht. Das hölzerne Gold.

Nippe am Kaffee und dann überschlagen sich die Ereignisse, wie eingangs dieses Artikels erwähnt. Nicht etwa so, dass es Ereignisse gibt, deren Auswirkungen man sehen könnte, sie überschlagen sich in meinem Kopf. Die Geschichte soll perfekt werden, verlagsfähig. Lektoriert, korrigiert, kaufbar und von allen gewollt.

Ich setze mir ein Ziel für den Tag. Bis abends will ich die Kurzgeschichte im Kasten haben. Als grobe Skizze. Später, wenn alle Kommafehler raus sind und das Ding eine gute Form hat, kommt es, für sagen wir mal 99 Cent in den Irgendlink-Shop als Epub und PDF.

Rasant, rasant, Herr Irgendlink. Die Kaffeetasse ist leer. Ich habe Hunger. Es ist schon Mittag. Noch neun Stunden, um mein Ziel zu erreichen. Fast ist es wie pilgern im eigenen Kopf, denke ich.

Zurück in der Wohnung schreibe ich einen Tweet.

Erstrebenswert ist ein Leben mit weniger Geld und weniger Zeit. Nicht quantitativ, sondern die ökonomischen Machtinstrumente Zeit und Geld betreffend.

Das ist schon ein bisschen verquer. Die Machtposition, die Zeit und Geld auf mich ausüben, indem ich beides nutzen muss, entmutigt mich oft. Beides sind Konventionen, denen man sich unterwirft. Man begibt sich in Korsetts aus Zeit und Geld. Nutzt sie als Tauschmittel mit den Anderen auf dem Planeten … okay, ich könnte mich darauf einlassen, okay, ich lasse mich ja auch darauf ein.

Wenn der Tausch wenigstens fair wäre.

„Ich will auch was abhaben.“

Ich mag den Spruch. Exkursion zu einer Aarebrücke, nahe Olten, unter der ich 2016 durch radelte. Jemand hatte an den Beton gesprayt: „Ich will auch etwas abhaben.“ Das fand ich süß. Kindlich. Es machte etwas mit mir. Alle wollen etwas abhaben. Muss nicht viel sein. Es klang wie ein zartes, seid doch nett zu mir, ich brauche gar nicht viel. Ich stilisierte den Menschen, der das geschrieben hatte im Laufe der Jahre zum Helden, zur Heldin. Ein unterschwelliges Votum auf Bedingungslosigkeit, fand ich.

Exkurs zur Aarebrücke  bei Seite, Herr Irgendlink. Word! Du hast die Geschichte auf Twitter angekündigt. Jetzt musst du liefern.

Also ran an den PC, bring es zu Ende. Werden doch nur vier fünf A4 Seiten. Die verkaufste dann 100.000 Mal und zack, haste was ab und weil du ja mit Geld nichts anfangen kannst, haben alle deine Freundinnen und Freunde auch gleich was ab.

Da steht sie nun, diese Zahl. Die Maximalforderung. Macht mich unruhig. Ich streife eine zweite Jacke über, eine zweite Hose, dicke Socken.

Maximalforderungen allüberall. Im Hinterstübchen habe ich ein Vermarktungskonzept, ich ökonomisches Genie, ich Kunstbübchen. Die Sache muss viral gehen. Das bin ich, das sind wir alle der Geschichte schuldig. Ich verkaufe sie gratis, nötige alle, die ich kenne, die Geschichte zu rezensieren et voilà. Die naive Kunstbübchenmethode der Vermarktung. Ha!

Hunger im Bauch. Außer Kaffee gab es ja noch nichts heute. Drüben in der Küche steht ein Joghurt. Liegt eine frisch geknackte Walnuss. So ausgemergelt kann ich doch nicht damit beginnen, das Meisterwerk vom Pilger zu schreiben.

Erst einmal warmbloggen. Mache diesen Blogartikel auf, hacke rein was geht. Vieles, was sich an in meinem Innern sich überschlagenden Ereignissen angesammelt und was ich in diesem Blogartikel erwähnen wollte, habe ich vergessen. Egal. Das Wenige zählt.

Das wurde mir gestern im Metalabor klar. Der eigene Perfektionsanspruch steht mir oft im Weg, überhaupt anzufangen.

Verhindert dieser Blogeintrag nun die eigentlich angedachte Geschichte? Ich glaube nicht. Ich bin nur hungrig. Werde etwas kochen. Der Tag ist noch lang. Kochen, ruhen, Geschichte schreiben, so mache ich das jetzt.