Tja, jetzt ist es soweit. Die selbst auferlegte Pflicht, täglich zu bloggen, bringt diesen Artikel hervor, der wahlweise von Bedingungslosigkeit, vom Künstlerinnenalltag, von komplexen Suchen merkwürdiger Dinge auf einem einsamen Gehöft irgendwo im Grenzland zwischen Saarland, Pfalz und Lothringen, oder von Besteckschubladen handeln könnte.
Gutso, dass ich es nun, fast 24 Uhr spät noch angehe. Der Tag war arbeitsam. Ich hatte überlegt, Pesto zu machen irgendwann in einer Art Mittagspause, was allerdings einen Rattenschwanz an Tätigkeiten nach sich ziehen würde. Der Basilikum im Garten wächst wunderbar, Parmesan ist im Kühschrank, Salz, Pfeffer, Knoblauch gibts auch und kürzlich rettete ich die Säcke mit den Walnüssen, die ich letzten Herbst gesammelt hatte vom Dachboden ins immerkühle Atelier.
Die Walnüsse müssen geknackt werden. Natürlich. Ohne geknackte Nuss kein Pesto. Logisch. Ich bin alt und träge. Die Handgelenke sind nicht die besten, weshalb ich Walnüsse immer mit dem Schraubstock knacke. Ein langsamer Akt produktiver Zerstörung. Der Schraubstock ist blau, klein und der Hebel, mit dem man die Backen zusammen dreht ist seit Jahren kaputt. Irgendwie gelingt es trotzdem, das Ding zu bedienen, aber das kann ja kein Dauerzustand sein, weshalb die heutige Kunstbübchen-Pesto-Vorbereitungsaktion mit Schraubstock zum Musterbeispiel langsam gelebten Lebens mit Bedacht wurde. Ich hatte es schlicht satt, mit einem improvisierten Schraubstock, dessen Drehgriff sich permanent löst, zwölf Nüsse fürs Pesto zu knacken.
Tagesziel Schraubstock reparieren. Ich beginne damit nachmittags. Wie in jedem normalen Computerspiel muss man zum Pesto machen, respektive Nüsse knacken, respektive Schraubstock reparieren, um Nüsse fürs Pesto knacken zu können, zahlreiche Level durchlaufen und sich die Habseligkeiten zusammen suchen. Axt, Schlüssel, Schutzbrille, usw. Der Phantasie ist keine Grenze gesetzt. Das einsame Gehöft ist groß und man kann kilometerweit umher irren, um sich Level für Level all die Dinge zusammenzusuchen. Aber hey, im Grunde repariere ich doch nur einen Schraubstock.
Wie erkläre ich das nun kurz und knackig? Gewindestab absägen, biegen, selbstsichernde Mutter und zwei Kontermuttern, alles durch Löcher stecken, verschrauben und schließlich noch einen handschmeichelnden Korken als Griff, ein Abenteuer zweifellos, diebisch sich freuend am improvisierten Detail. Ich bewege mich den ganzen Tag jenseits der neoliberalen Ambition, sich selbst zu optimieren und beim Discounter ein Gläschen Pesto für 1,49 Euro zu kaufen.
Kurzum, gegen Dunkelheit konnte man den Künstler, moi même in der Außenküche unter dem Vordach vor dem Atelier sehen, wie er zwölf Walnüssse mit frisch renoviertem Schraubstock knackt, die Kerne heraus puhlt, sie in eine Tupperschüssel füllt und zufrieden mit dem Tagwerk den Abend ausklingen lässt.
Pesto ist dann der nächste geile Scheiß. Ich weiß noch nicht, wie ich morgen oder übermorgen den Parmesan reibe, aber da fällt mir bestimmt etwas ein, mit dem ich den Neoliberalismus und die Selbstoptimierung verhöhnen und Zeit verschwenden kann, ohne auch nur ansatzweise in Versuchung zu gelangen, beim Discounter für billig Geld, rasant an fairer Arbeitsteilung vorbeischliddernd, ein Gläschen Pesto zu kaufen.
Nachtrag: Die Themen Bedingungslosigkeit, Arbeitsteilung, Geld, Lebenszeit, Fairness, Aus- und Selbstausbeutung wären theoretisch auch in diesem Artikel anzusprechen gewesen, aber mein innerer Selbstoptimierer schaute eben auf die Uhr, jessas, schon halb zwölf, nun aber mal raus mit dem Blogartikel.
Nachtrag: Die Besteckschublade, ach die. Ich hatte sie schlicht aufgeräumt, denn es ist einfach ein Weg der tausend Umwege, einen Schraubstock zu reparieren, mit dem man Nüsse knacken kann. Da muss man zwischendrin Geschirr spülen, im Bett liegen, einen Stromkasten anschließen und eine Geschirrschublade aufräumen.
Sie verstehen das hoffentlich.