Da steht diese Tür, die wir letztes Jahr bei Herrn B. abgestaubt haben. Herr B. war unser Nachbar. Ich mochte ihn, weil er so friedlich lächelte und weil ich ihn einmal beim örtlichen Megamarkt getroffen habe. Wir begrüßten uns zwischen Kasse 19 und 20 und er erinnerte sich deswegen immer wieder an mich, eben weil wir uns dort trafen und nett zueinander waren. Vor ein paar Monaten ist er gestorben. Er hat eine Operation nicht überlebt, der er aufgeregt, aber voller Hoffnung entgegen sah. Kein Tod hat mich je unerwarteter getroffen.
Obwohl ich Herrn B. nur sehr oberflächlich kannte – so wie man Menschen kennt, die man zwischen Kasse 19 und 20 trifft – ging mir sein Tod sehr nahe. Ich sehe sein friedliches Gesicht.
Und die Tür.
Die hat er selbst gebaut. Ein eichenes Ding, das keinem Normmaß entspricht. Reichlich verziert, mit Fenstern und Messingbeschlägen. Herr B. wollte die Tür entsorgen und einige andere Baustoffe auch, doch zuvor hat er meinen Vater angerufen, ob er nicht das Eine oder Andere gebrauchen könne. Holzbalken und Alufenster, Dämmstoffe, allmögliches Zeug was eben so anfällt, wenn man umbaut und Neu gegen Alt tauscht. Mein Vater wollte die Holzbalken, aber als er die Tür sah, sagte er, „die nehme ich auch mit, die ist toll.“ Ich warnte: „Bist Du verrückt, das Ding kannst du doch im Leben nicht gebrauchen, die passt in keinen Rahmen, die ist vollkommen außer der Norm.“ „Mal sehen,“ sagte mein Vater, „man weiß ja nie.“
Nun steht sie da im Regen, die Tür außer der Norm, und mir fällt das Lebenszeitding wieder ein: woraus besteht die Tür? Aus Eiche, aus Glas, aus Stahl und Kleber und Nägeln … und: aus einem Stück Lebenszeit aller Beteiligten. Aus der Lebenszeit des Holzfällers, des Messinglegierers, des Glasers und des toten Herrn B., der all das zusammen fügte.
Lebenszeit, ein Konglomerat längst vergangener Träume.