WordPress-App 2.6.2

Rechtzeitig vor dem Abflug ins Tessin hat mein Blogsoftware-Anbieter ein Update mit einigen Bugfixes gebastelt. Hauptfeature ist ein Bug-Report-System.
Ein erster Test: die Software lädt über WIFI-Verbindung schnell und installiert sich auch. Die alten Zugangsdaten fürs Blog bleiben erhalten. Bei Start ein erster „Communication-Error“ lässt sich ohne Programmabsturz wegklicken. Ich schreibe ungesühnt diesen Artilel. Und nun noch die Königsdisziplin: Bildupload, welches grundsätzlich zum Absturz führte – vorsichtshalber im nächsten Artikel.

Entschleunige!

Auf der D662 Richtung Süden. Nordvogesentäler. Zwei LKW mit 50 vor mir. Unüberholbar auf der kurvigen Strecke. Ich nutze die Gelegenheit, das Kirchlein von Eguelshardt, zu fotografieren welches mich auf den zahlreichen Vorbeifahrten nach Bern Jedesmal fasziniert. Die aufgelockerte Besiedelungsweise, sobald sich in den engen Bachtälern einmal ein Flecken Flachland weitet, ist beindruckend fluffig :-)

Schloss oder Allee

Was kostet eigentlich solch ein mobiler Blogartikel?
Morgens in der Stadt noch ein paar Erledigungen. Dann gehts los nach Bern erstmal. Freitag ins Tessin zusammen mit geliebter Sofasophia. Das werden ganz normale Rumhänge und Wanderferien.
Für die große Tour auf dem Camino Frances ab Mitte November ist so weit alles fertig gepackt. Auch die Technik fürs Live-Bloggen stimmt. Aber was kostet eigentlich ein kleiner Bericht wie dieser hier?
Erstens iPhone-Strom: mit Bildbearbeitung und Textschreiben bisher ca. 20% Akkuleistung.
Bildaten hänge ich mal zwei Zweibrücker Klassiker als Panoramas an.

Das Schloss, bestehend aus zwei einzelnen HDR Fotos, die ich mit Autostitch im iPhone montiert habe.

Die Allee am Schwarzbach, selbe Technik wie Schloss.

Der Artikel hat bis hierher etwa 12 Minuten gedauert auf der aalglatten iPhone-Tastatur.
Fipptehler lasse ich mal drin und werde das Ding nun per Blogger+ App ins Irgendlink Blog laden.
Geschätztes Datenvolumen etwa 500 kB. Wähle extra langsames Handynetz, um die Bedingungen, die ich in Spanien vermute, so realistisch wie möglich zu gestalten.

Die große Konsumentenpumpe – die Ursprünge, vielleicht

„Die Reize, die von der Gesellschaft ausgehen, sind immer eindeutig“, sagte Konzeptkünstler R. vor vielen Jahren, „wenn du dies und das tust und dich genau so und so verhältst, dann kriegst du soundsoviel D-Mark dafür.“ Das erzählte er mir im Spätsommer 2001 in der Endzeit der Mark. Er saß nackt auf einem grünen Stein am Rhein im südwestlichsten Zipfel Liechtensteins. Dort befindet sich in einem kleinen Wäldchen eine Lagerfeuerstelle und ein paar Bretter, die über Steinhaufen gelegt zu Bänken werden. Munter plätschert der noch junge Fluss. Konzeptkünstler R. war schon Wochen unterwegs, und hatte in regelmäßigen Abständen direkt am Fluss, den man auch Vater nennt, aus den Steinen, die der Fluss bei den Hochwassern im Frühling mit sich führt, kleine Türme gebaut. Meist lief er nackt, kauerte sich bei Regen unter dem dichten Geäst von Tannen, wollte den großen Strom Westeuropas so nah wie möglich und so weit wie möglich erfahren. Seinen Weg in die Nordsee hat er mit einem beeindruckenden, aber vermutlich niemals wahr genommenen Kunstprojekt markiert: in regelmäßigen Abständen schichtete R. Steinstapel und dort, wo er keine Steine fand am großen Vater, flocht er Äste, Strandgut und Müll zu markanten temporären Objekten.

Es ist nicht leicht, einen nackten, zerzausten Mann am Fluss kennen zu lernen. Ich bin ein Kind der Siebziger, von Scham erzogen. So ist es eigentlich ein Wunder, dass ich mich mit dem nackten Mann überhaupt abgegeben habe. Als ich ihn erstmals sah in der Abenddämmerung auf der Suche nach einem Platz zum Übernachten – ich war mit dem Fahrrad rheinaufwärts unterwegs – hielt ich ihn für einen Perversen, mindestens aber für einen Spinner. Ich glaube, seine friedlichen Augen, die sich neben der schrägen Nase über einen braunen, langen Bart drängten, waren ausschlaggebend, dass ich nicht Hilfe schreiend davon gerannt bin, vielleicht auch das zaghafte Winken, mit dem er mich wortlos begrüßte.

Ich sollte erwähnen, dass der Platz im äußersten Südwesten Liechtensteins, direkt am Rhein unter Felsen einer der besten Lagerplätze ist, die man als Europenner finden kann. Ein Teerweg mündet nach Süden am Fluss entlang in einen schmalen Wanderpfad und genau an der Stelle ist der Lagerplatz unter Fichten mit den beschrieben Bänken. Genügend Raum, um ein kleines Zelt aufzubauen. Blick aufs Flussbett und die, vom Weg ins Tal rund gehobelten Kieselsteine, die einen Durchmesser bis 30 cm erreichen können.

Der Konzeptkünstler und ich kamen ins Gespräch. Mit der alten, guten F301 machte ich vielleicht die einzigen Fotos, die von seinem Rhein-Projekt je gemacht wurden. Wenn mir mal jemand erzählt hätte, dass ich mit einem versponnenen, nackten, bärtigen Typen einen Abend am Rhein philosophische Gespräche führen würde, hätte ich ihn, zumindest zur damaligen Zeit, schallend ausgelacht. Heute, zehn Jahre später, sind mir so viele Spinner und Spinnerinnen begegnet, die sich bei näherem Hinschauen als hochklare Denker herausstellten, dass ich so etwas für ganz natürlich halte. Wahrscheinlich bin ich selbst ein Spinner geworden.

Aber ich lenke ab. Ich erinnere mich noch gut an die ersten philosophischen Worte des Konzeptkünstlers: dass die Reize in der westlich ziviliserten Gesellschaft immer eindeutig sind, und dass sie immer etwas mit Geben und Nehmen, Tausch und Wirtschaft zu tun haben, und dass es grundsätzlich in dieser Gesellschaft nur um eines geht: Geld, Geld, Geld.

Nun, fast zehn Jahre danach, rekapituliere ich die Binsenweisheit des modernen, gelebten Lebens: leiste, dann wirst du belohnt. Was man uns allerdings verheimlicht hat – es gilt als best gehütetes Geheimnis der Konsumgesellschaft – belohnt wird man immer nur mit billigen Glasperlen. „Das Leben des modernen Konsumenten ist ein einziger, billiger Schund“, sagte mein Freund R. im Jahr 2001. Schon damals kamen seine Worte zu spät. Und wer hätte auch einen nackten, faselnden, ungekämmten Kerl am Rhein ernst genommen?

Wie ich diesertage in der Lohntackerwerkstatt Werberadio höre, wird mir mit einem Schlag die Verzweiflung der Konsumgesellschaft bewusst, indem ich mich auf die Werbespots konzentriere und mir überlege, „brauchst du das? – Nein“ denke und dann mich frage, „brauchen die das“ – dabei mache ich ein besorgtes, Gesicht und versuche mir all die Mitmenschen vorzustellen, die ich noch nicht kenne auf der Welt, Dich, Dich und Dich, der Du dies liest und ich sage mir, die brauchen den beworbenen Gegenstand doch auch nicht. Aber sie werden ihn kaufen. Mehr als einer von ihnen wird schwach werden, wenn der große Werbeagent mit verlockender Stimme säußelt. Warum? Weil man sie zu willenlosen, erniedrigten Konsumsklaven erzieht mittels suggestiver Werbung, kauf mich, ich bin das was dir noch gefehlt hat in deinem Leben. ICH. Ich mache dich glücklich, ich bin dein 2000 Euro teurer Hochleistungsdampfstaubsauger, der dir auch die Fenster reinigt ohne Streifen und ich bin das wunderbare Allradauto mit der Sonderlackierung, mit dem Du deine Garage auch noch bei Minus 5 Grad im tiefsten Winter verlassen kannst, ich bin das informativste Fachmagazin der Fotografie, das Dir selbst die letzten Geheimnisse verrät, hey, ich bin ein Cerankochfeld und ein Microprozessor und ein Flachbildschirm von drei Metern Größe. Kauf, kauf, kauf.

„Ich bin unempfänglich“ gegen jede Werbung, habe ich einst dem Konzeptkünstler erzählt. Es war eine dunkle Nacht, man hörte beinahe nichts, kein Auto, kein Hintergrundsaußen einer Landstraße, noch nichteinmal einen Flieger. Einzig der Fluß, auch Vater genannt, murmelte im Hintergrund Unverständliches.

Wie sehr ich gelogen habe. Das Geheimins der Werbung ist: sie kommt an. Immer. Selbst Jahre, nachdem man sie gehört hat, funktioniert sie im Hinterstübchen deines Daseins, egal, ob du es willst oder nicht. Ein Physiker ist bekanntlich ein Mensch, der sich mit der Wirkungsweise von Kräften beschäftigt. Ihm ist es egal, in welche Richtung eine Kraft wirkt. Hauptsache, die Kraft wirkt. Und Hauptsache, die Gleichung, die sein Kräfteparallelogramm beschreibt, geht irgendwie auf. Nur so ist es zu erklären, dass es eigentlich egal ist, was eine Kraft in uns beworbenen Konsumenten ausrichtet. Wenn ein Konzern sein Produkt in deinem Gehirn installiert, ist es im Prinzip egal, ob es ein gutes, oder ein schlechtes Gefühl hinterlässt. Wenn du im Supermarkt vor einem Regal stehst und das Produkt siehst neben vielen anderen Produkten, die zwar gleichwertig sind, wirst du das Produkt kaufen, das du aus der Werbung kennst, egal, ob du es dort hassen gelernt hast, oder lieben.

Ich schweife ab. Ich wollte gar nicht so weit ausholen. Ich habe Radio gehört während der Arbeit. Ich wurde infiltriert. Man spielte mir das Lied vom süßen Leben vor. Schunkelnd stimmte ich ein in die Melodie. Für einen Moment träumte ich vom Glück, glaubte gar, ich könne es schaffen.

Bis zum jüngsten Tack

Der letzte Arbeitstag für dieses Jahr. Das Überstundenbarometer hat doch tatsächlich die Viermonatsmarke überklettert. Wir spinnen alle ein bisschen in der Tackerwerkstatt. Mit Kollege T. machte ich vorhin die Übergabe der Werkstatt. Er wird nun den großen Auftrag zu Ende führen.

Auf dem PC zeigte er mir Fotos seiner Jakobsweg-Reise vom Juni letztes Jahr. In drei Wochen ist er vom Saarland bis Santiago geradelt. Damals hatte ich versucht, ihn zu täglichen Telefonaten zu animieren oder SMSen, in denen er über die Reise berichtet – ein erster Versuch, die Technik einer Live-Reise auszuprobieren. Ich wollte dann in diesem Blog darüber berichten. Es scheiterte daran, dass T. viel zu wenig Zeit hatte, einen täglichen Reisebericht abzuliefern. Irgendwo in Frankreich hatte er sein Handy kaputt geschwitzt und er legte Etappen von bis 200 Kilometer zurück.

Aus der Radtour diesen Frühling nach Andorra weiß ich, dass für das Live-Reisen nichts wichtiger ist, als Ruhe. Du darfst nicht ankommen-wollen. Du musst unbedingt das Scheitern als zweites Ziel in dein Konzept aufnehmen, nur für den Fall, dass du das erste Ziel nicht erreichst.

Um 15:25 setzte ich die letzte Tackernadel in ein schickes, rotes Ledermöbel, legte das Gerät zur Seite, leerte den Mülleimer, verabschiedete mich von den Kollegen und Kolleginnen mit „Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch“. In der Mittagspause hatte ich alle aufgefordert, ihre Sünden auf einen Zettel zu schreiben und ihn mir in einem versiegelten Umschlag mitzugeben auf den Jakobsweg. So würden sie auch ein bisschen an der religiösen Reinwaschung profitieren. Auf meinen eigenen Zettel mit den Sünden kritzelte ich am Ende einer langen Liste: „Habe die versiegelten Umschläge mit den Sünden meiner KollegInnen geöffnet“.

:-)