Das ist es. Wie ich so mit Kollege T. die große lange Hauptstraße zwischen Kreisstadt H. und dem Städchen B., wo wir arbeiten, dahinjage auf dem schäbigen Radweg mit den vielen gefährlichen Kreuzungen und wie wir beinahe jede Ampel bei Rot nehmen und die Autofahrer die Scheibe herunterkurbeln und „Wixer“ rufen. Ein Höllenritt jeden Morgen und jeden Abend. Aber, hey, Leute, mit dem Fahrrad zur Arbeit, das entspannt und das spart viel Geld. Gut 150 Euro pro Monat hat man mehr in der Tasche, wenn man einen Arbeitsweg von nur 15 km hat. Ist doch was. Oder? Außerdem kommt man abends angenehm weichgeklopft nach Hause, braucht keinen Sport zu treiben und die bizarre Urbanität, das alltägliche kleine Geplänkel am Wegesrand ist auch nicht zu verachten.
Die Halbneun-Menschen.
Das sind die, die uns täglich begegnen und im Laufe der Wochen zu bekannten Gesichtern werden, so dass wir anfangen, sie zu lieben und ihnen Geschichten andichten. Da wäre zum Beispiel der Norweger. Sein Fahrrad steht montags bis freitags am Mitfahrerparkplatz an der A6. Wir haben ihn noch nie gesehen, aber sein altes Dreigangrad ist rot und es steht immer auf dem gleichen Fleck, so dass wir irgendwann gescherzt haben, „Du, das ist so, der arbeitet auf einer Ölbohrinsel und ist 20 Tage draußen im Atlantik, umgeben von Schmutz, Gestank, Gefahr. Dann ist er zehn Tage zu Hause, in denen das Fahrrad nicht dort steht. So ist das auf Ölbohrinseln.“ Wir dichteten einen mittelalten untersetzten Kerl mit solchen Muskeln, der sich kurz vor Beginn seiner Bohrinselschichten mit einem Kollegen auf dem Mitfahrerparkplatz trifft, sein Fahrrad absperrt und gemeinsam fahren sie dann zum nächsten Helikopter-Flugplatz, von dort weiter zur Bohrinsel.
Etwas weniger Phantasie braucht es beim chinesischen Mädchen, das uns erstmals vor zwei Wochen unter der Eisenbahnbrücke, nur drei Kilometer vom Mitfahrerparkplatz entfernt, begegnet ist. Wie sie gelächelt hat. fernöstlich unerreichbar, so dass T. sich hinreißen ließ, ihr freundlich einen guten Morgen zu wünschen. Seither grüßen wir sie täglich und sie lächelt zurück.
Oder die Rentnerin, die brav an der Ampel Ecke Richard-W.-Straße wartet. Sie gebärdete sich drei Halbneunmorgens-Treffen ziemlich stur, aber seit Kurzem grüßt sie zurück, wenn die beiden verrückten Radler bei Rot über die stark befahrene Kreuzung saußen.
Wenn wir gegen neun Uhr unser Ziel erreichen, passieren wir ein Freizeitgelände, an dem sich allmorgendlich stets die selben Nordic-Walkerinnen ein Stelldichein geben. Auch sie sind mittlerweile wohlbekannte Gesichter. Fröhliches Hallo, beinahe ein Ritual.
„Das einzige Problem ist die Relativität von Zeit und Raum,“ erläuterte Kollege T., „wenn wir von Halbneun-Menschen sprechen, nur weil wir um Halbneun in H. losradeln, so halten uns unsere selbst definierten Halbneun-Menschen in B., wo wir erst um neun Uhr ankommen logischer Weise für Neunuhr-Menschen.“
dein schreibstil wahnsinniert mich….woher hast du den? einfach innen raus wahrscheinlich….
die rentnerin gebärdete sich ziemlich stur- auf sowas muss ma erstma kommen!
spitze!
erinnert mich an miller, kerouac, altmann und noch son paar…
gruß von der sich gebärdenden wildgans