Barn at Beal liegt quasi am Brückenkopf von Holy Island, jener geschichtsträchtigen kleinen Insel, über die einst die Wickinger nach Britannien kamen – so schreiben Hanne und Klausbernd in Kommentaren einen Eintrag zuvor. Die Insel ist nur bei Ebbe zu erreichen. Eine Straße führt durchs Watt. Vor der Passage hängt eine Tidentabelle, die das großzügige Zeitfenster listet, in dem man gefahrlos den Damm überqueren kann. Taggenau, minutengenau. Gegen 20 Uhr stehe ich davor, hätte noch bis 22 Uhr Zeit. Und könnte am nächsten Tag, bis spätestens 10:20 Uhr wieder zurück. Warnschilder, auf denen Autos abgebildet sind, die in den Fluten versinken, hängen über der Tabelle. Dies könnte Ihr Auto sein. Rettungshubschrauber, an deren Seilwinden Menschen aus Seenot baumeln. Mit der Tide ist nicht zu spaßen.
An einem Pfosten hängt auch ein Hinweisschild auf die Barn at Beal, die Scheuer in Beal. Ich bin daran vorbei gefahren. es war der große Bauernhof auf dem Hügel, zu dessen Linken ein Areal mit Luxus-Wohnungen liegt. Rechts ein Coffeeshop, Restaurant mit Glasfront zum Meer hin. Sie bieten auch Camping für Zelte, was in England oft ungewöhnlich ist. Wenn in der Karte ein Campingplatz eingezeichnet ist, so handelt es sich meist um einen Caravan-Club, ein Areal, auf dem riesige Wohnwägen parken, die sich fürs Touren nicht eignen. Es handelt sich dabei eigentlich um Wochenendhäuschen ohne Fundament. Rätselhaft, dass die winzigen Rädchen unter einem filigranen Fahrwerk überhaupt das Gewicht der Wohncontainer tragen können. An der Front sind die Dinger voll verglast. Dort befindet sich das Wohnzimmer, das meist gen Süden aufgestellt wird. Caravaningclubs nehmen in seltenen Fällen „Tourer“ auf, lose Vagabunden wie mich. Es gibt keine sanitären Anlagen in den Clubs, keine Gemeinschaftsräume. Einmal hat mir ein Caravaner seinen fein gemähten Vorgarten angeboten, zum Zeltaufbau. Nette Geste, die ich ablehnen musste, weil es zu sehr geregnet hatte und die Wiese voll Wasser war.
In Barn at Beal gibt es keine Caravans. Der Zeltplatz befindet sich unterhalb der Glasfront des Coffeeshops neben einer Schafskoppel. Ich bin der einzige Gast, erhalte einen Schlüssel zum kleinen Sanitärhäuschen, das nur zwei Toiletten und Duschen enthält. Blitzsauber, Zentralheizung. Drei Pfund billiger, als Fletcher’s Non-Comfort-Horror-Camping zwischen Great und Little Ayton.
So müsste es immer sein. So hatte ich es vor Tourstart erwartet. Zwischen meinen Erwartungen und der Realität klafft mittlerweile eine riesige Lücke. England geht zu Ende. Ich werde an diesem 36ten Tourtag Schottland erreichen. Es sei completely different, hat man mir gesagt. Über eine Mischung aus Countryroads und Feldwegen geht es an der Küste weiter. Ich durchquere eine Schafskoppel, passiere den Golfplatz Goswick, wo mir die Golfer zuwinken. Vor Berwick-upon-Tweed führt der Radweg auf den Klippen durch eine Kuhweide. Schwarze Viecher grasen. Runter nach Berwick, Satz Bremsbeläge für 10 Pfund, die vorderen wechsele ich sofort. Der dicke Fahrradhändler leicht mir einen 8er Schlüssel, um den Frontgepäckträger fest zu schrauben. Ein Wunder, dass der nicht abgefallen ist. In der Touristinfo empfiehlt man mir, den N1 entlang der schottischen Grenze bis Edinburgh zu nehmen. Die 76 an der Küste sei steil und von Feldwegen durchzogen. Ein Bloggesurteil bringt mich 2 km westlich von Berwick einen sehr steilen Anstieg hinauf, um an einer Abzweigung festzustellen, dass ich auf der 76 gelandet bin. Ich müsste einen Kilometer wieder runter, um zur 1 zurück zu kommen. Höhenmeter gibst du nie preis. Also Küste. Richtung Dunbar, welches sich auch als nächste Einkaufsmöglichkeit entpuppen soll. Es ist fast 6 Uhr abends, ich durchrolle menschenleere Gegenden, schinde mich schier endlos über eine schnurgerade Strecke, die so aussieht, als sei sie topfeben, aber insgeheim mit etwa 3 bis 4 Prozent steigt. Die gemeinste Art berghoch zu radeln. So muss sich Tantalus gefühlt haben, als er einst was auch immer … Antike Geschichte im hohen Norden. Die Kuppe ist zum Greifen nah, und wenn du sie glaubst, erreicht zu haben, verbirgt sich dahinter nur eine neue Kuppe.
In Peasbay gibt es einen Caravan-Club der widerlichen Sorte. Die idyllische Bucht ist vollständig mit riesigen Wohnburgen belegt. Spielhölle am Eingang, Billiardtische, flackernde Automaten. Keine Zelte natürlich. Ich lasse meine Wasserflaschen füllen, ackere hinauf nach Cockburnspath, wo ich in Kims Bed and Breakfast unterkomme, für 35 Pfund.
Mailischer Nachtrag um 11:17 (10:17 Ortszeit): Ich fahre los. Das Cockburnspath House ist klasse. 40 Pfund mit Abendessen und Wäsche waschen. The Antifletcher!
(sanft redigiert, mit Links bestückt und gepostet von Sofasophia)
„Zwischen meinen Erwartungen und der Realität klafft mittlerweile eine riesige Lücke.“
that`s life… oderrr ;o) – bleibt zu lesen, was dich in Schottland erwartet – Sonnenschein für dich und dich wärmende Temperaturen…
Das hätte ich nicht gedacht, dass es kaum Campingmöglichkeiten gibt. Reisen in Europa ist doch ein Abenteuer.
Alles Gute, April
…ist es eigentlich sehr frevelhaft, wenn ich bekenne, dieses kleine gelbe Googlemännchen manchmal über Englands (und jetzt Schottlands) Straßen huschen zu lassen um mich virtuell umzusehen?
öhm…auch gelb :)
Grüße von HeidesMainzRoBa
ach, das hab ich heute auch mal wieder gemacht. bei irgendlinks b&b. es geht ja nicht immer und überall, das googleview. aber frevelhaft? nö. da wird nur der qualitätskontrast zu irgendlinks bildern umso größer *lol*
Hahahaha…genau! Der B&B, der hatte mich auch interessiert!