Gestern herrschte erstmals seit Wochen wieder Stille auf dem einsamen Gehöft.Raum genug, um in ein tiefes Loch zu starren – im Sessel auf der Südterrasse sitzend, ein Bier in den Händen – und am Rand der Verzweiflung zu balancieren. Ich dramatisiere ein wenig. In meinem Kopf ging es nüchtern zu. Ich breitete meine Situation aus, versuchte sie zu analysieren: âDu bist ein 40-jähriger Künstler, der keinen Pfennig Geld auf dem Konto hatt, im hintersten Winkel der Pfalz auf einem einsamen Gehöft sitzt und über das Leben nachdenkt.â? Daran gibt es nichts zu kritteln und es ist auch nichts Böses. Das Ende der Beziehung mit Kokolores setzt mir viel härter zu, als ich mir zugeben will. Noch vor einigen Wochen habe ich gesagt, ich würde es jederzeit wieder tun. Mich verlieben, mich binden, den Weg gemeinsam gehen. Das bisschen Schmerz, dann, wenn der Weg sich gabelt und beide wieder ihren eigenen Weg gehen, tilgt sich von allein. Gelächelt habe ich bei dem Gedanken.
Gestern im Sessel sitzend war ich mir da nicht mehr so sicher. Mit jedem Mal wird es unerträglicher, sich zu trennen. Sehnsucht ist ein groÃer Gegner, der sich an den Gemeinsamkeiten, die man einst hatte nährt. âLösche die Erinnerung und du bist wieder zukunftsfähig,â? murmelte ich und legte die FüÃe hoch. Die Autobahn wummerte, das Gebälk knarzte, Tiere hüpften auf dem Dach. Die Luft roch nach Herbst. Alles war wie immer. Bloà lag es ein bisschen mehr blank. Wie freigelegte Nerven pochte ein stetiger Schmerz. Das Wummern wurde zum Ziehen, das Knarzen manifestierte sich als Brechen, das Pochen der Viecher auf dem Dach schlug sich als permanente Pein nieder. Die AuÃenwelt drang unweigerlich in die Innenwelt und vermischte sich mit ihr. Ein abgrundtiefes Loch tat sich vor mir auf, wie ich es zuletzt vor zehn Jahren erlebt habe.
Dort lauerte die Einsamkeit, welche ich ganz gerne, rein rational dem Alleinesein gegenüberstelle. Alleinesein ist ein natürlicher Zustand bar jeglichen Gefühls. Man kann die Auswirkungen des Alleineseins in Form von Ruhe und Zufriedenheit spüren. Eine Art Selbstfindung einfach so nebenbei. Die Einsamkeit, böse Stiefmutter des Alleineseins ist ein Zustand des Ausgeliefertseins. Hier hat man keinen Handlungsspielraum. Man kann rein körperlich nichts tun. Es ist ein Kopfproblem.
Gegen Alleinesein kann man etwas tun, weil es von AuÃen kommt. Gegen Einsamkeit hilft nur warten, denken, versuchen den eigenen, verletzten inneren Schweinhund zu überlisten.
Ich schlürfte an meinem Bier, betrachtete den Garten. In der Dämmerung verwässerte Grün zu Grau. Das Thermometer zeigte 19 Grad. Ein brillianter Abend da drauÃen.
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Umlaute kaputt.