Ich frage mich, ob wir Menschen nicht in allem was wir tun Bildhauer sind. Zumindest ich: mühsames meißeln am harten Fels der eigenen Phantasie. Die Rekonstruktion der alten Kunststraßenstrecken bis zurück ins Jahr 1995 erweist sich als mühsam, aber machbar. Im Artikel Brotkrümel (Zweibrücken-Andorra 2010) habe ich erste Links zu den Nikon-Bildern eingefügt und werde nach und nach sämtliche 22 Tour-Tage verlinken. Hätte ich im Frühjahr nicht den Technik-Patzer gehabt (Bug in der GPS-Software, die dafür sorgte, dass Trips ab dem 2000sten Punkt ohne Warnmeldung überschrieben werden), wäre zumindest die letzte Kunststraße Zweibrücken-Andorra leichter und exakter zu rekonstruieren. Alleine meinem Misstrauen gegenüber der Technik ist es zu verdanken, dass ich die Strecke an Hand des Reisetagebuchs exakt rekonstruieren kann.
Wohl dem, der Hosenträger UND Gürtel trägt.
Die letzten Tage vergehen wie im Flug. Nach einer kurzen Panik, ich könnte mal wieder im Krankenhaus landen, so wie letztes Jahr, fühle ich mich heute wieder fit, Tatendrang dein Name sei Irgend. Die Sterne sind wieder erreichbar und der Fels, aus dem ich meine Phantasiegebäude meißele fühlt sich nicht unbehaubar an.
Eine langsame und bedächtige Zeit, in der man durchaus verzweifeln kann – einst lag ich im Schatten eines von unsäglicher Hitze gebeutelten, alten, kranken Olivenbaums an einer staubigen Kreuzung in der Extremadura, durstig, müde, trampend. Die wenigen Autos, die dort vorbei kamen, stoppten nicht und zu Fuß wäre ich unter sengender Sonne keine 10 Kilometer weit gekommen. Aus unerfindlichem Grund kam auch der 14-Uhr-Bus nicht, der auf dem einsamsten Fahrplan der Welt eingezeichnet war. Rettung versprach nur die dunkle Bodega, das einzige Haus kilometerweit, kahl und schmutzig, zahnloser Wirt, Zapfanlage. Ich ging hinein, trank ein Bier. Der wenige Alkohol schlug auf nüchternen Magen voll durch, so dass ich beruhigt zurück kehrte in den Schatten des Olivenbaums und den Daumen raushielt. Wenn man am Straßenrand auf Zufälle hofft, ist das wie im richtigen Leben: die wohl geformte Idee, die man sich von der Zukunft macht, ändert sich mit jeder Minute, tickitick tickitick tickitick-tick-tick. Stellt man sich etwa vor, ein großes Auto mit Klimaanlage und wunderschöner Fahrerin stoppt und fährt genau dahin, wo man will, so schreitet die Demontage dieser Idealvorstellung mit jedem verschwitzten Lastwagenfahrer, der hupend und höhnend an einem vorbei fährt, voran. Die eigene Phantasie hat alle Hände voll zu tun, den Teig, aus dem das Brot der eigenen Zukunft gebacken wird, zu kneten und neu zu formen – sicher wäre es auch okay, mit einem schweißstinkenden LKW-Fahrer in einem Hühnerlaster mit Blattfederung weiter zu kommen. Alles in allem bleibt ja das Ziel das Wichtige und nicht wie man dahin kommt. Einmal mehr der Beweis, dass das Ziel das Ziel ist und nicht der Weg. Obschon ich zugebe, dass der Weg zum Ziel eine gewichtige Rolle für das Wohlbefinden spielt. In den Stunden des Wartens an der Kreuzung in der Extremadura knetete ich meinen Brotteig so weit, dass selbst die Vorstellung, von diesem einsamen Platz zu Fuß zu entrinnen, Gestalt annahm; wenn es dunkel wird, sagte ich mir, und du noch immer nicht bei der Schönen im klimatisierten Auto sitzst, nimmst du so viel Wasser mit wie du tragen kannst und durchwanderst die Nacht.
Das ist meine Lebenseinstellung. Ich vergesse nur manchmal, dass es diese letzte Möglichkeit gibt, vergesse die kühlen Brunnen da Draußen und die kräftigen Füße, die Möglichkeit der Langsamkeit als letztes Mittel auf dem Lebensweg.
Hum? Wie komme ich jetzt zurück zum Bildhauer-Bild? Mal wieder so ein Spontantext voller Bilder und Mysterien, aber ich stelle ihn dennoch öffentlich, damit Ihr da draußen seht, dass ich an dem Fels namens Weblog weiter arbeite.
Und wie ich die Kreuzung verlassen habe? Auf dem Mittelweg der Phantasie.
wir da draußen danken dir herzlich – ich jedenfalls – für diesen inspirierten und inspirierenden text …
bildhauerin auch ich und ebenfalls ein wenig phantalitär, glaubs. ;-)
Als Bildhauer hab ich mich noch nie gesehen. Aber wenn ich mal genauer hinsehe….
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Nein, ich glaube ich bin eher der Typ der mit einer schlecht geschärften Kettensäge Eisskulpuren erschafft.
Nicht immer schön, dafür aber meist vergänglich :-)
Na bitte, Bildhauerei. Ich machs mit dem stumpfen 19 Jahre alten Opinel.
Keine Ahnung, warum mir dieser Text so gut gefällt. Nicht die geringste Ahnung. Vielleicht wegen des Vertrauens in die letzte Möglichkeit, oder … nee, keine Ahnung.
Hum, auch keine, aber danke für das Lob.
Gemessen am Werkzeug doch recht virtuos. :)
Suchst du neue Herausforderungen?
Geocache am 18.9: Pfälzer Königsweg. :-)
Wirds sicher spassig.
Klingt gut. Hab ich aber Offenes Atelier an dem Wochenende.
oh ja, die sind mir auch noch bekannt, „verschwitzte Lastwagenfahrer, die hupend und höhnend an einem vorbei fahren“.
Schön.